Grandios geduldig – Asso V Experimental im Pilot Report
Knapp 13 Jahre brauchte Heribert Orlik vom Kauf der Baupläne bis zur Zulassung seiner Asso V. Das Holzflugzeug hat zwei Besonderheiten: Fast jedes Bauteil muss der Erbauer selbst nach Plänen anfertigen, einen Kit gibt es nicht.
Geduld und Zielstrebigkeit zeichnen Heribert Orlik aus. Ich lerne den charismatischen Prozessingenieur auf der AERO 2024 kennen. Dort erzählt er von seinem Eigenbau, einer Asso V. Das Holzflugzeug des italienischen Konstrukteurs Giuseppe Vidor ist ein enger Verwandter der Muster Pioneer 200 und 300 – als Vorbild diente der legendäre Ferrari der Lüfte, die Falco F8L von Stelio Frati.
Voller Leidenschaft berichtet Orlik von seinem Projekt und überlässt mir seine umfangreiche Baudokumentation. Auf Seite 2 ist das Foto eines Holzstapels zu sehen: So ging es los, denn wer eine Asso V bauen will, bekommt Zeichnungen – sonst nichts. Ein paar Seiten weiter entdecke ich ein Bild der fertig geklebten Holme. Beim Blättern folgt die große Überraschung: Das fertige Luftfahrzeug trägt ein Echo-Kennzeichen! Bislang bin ich vom Bau eines ULs ausgegangen, denn als solches wurde die Asso V entworfen. Jetzt ist klar: Dieser Selbstbau ist etwas ganz Besonders.
Im Spätsommer stehe ich am Sonderlandeplatz Offenburg (EDTO). Mein Notizbuch ist voller Fragen. Die erste liegt auf der Hand: Wie schafft man es im »Mutterland der Bürokratie« aus einem UL-Bauplan ein Echo-Klasse Flugzeug zu bauen? Für Heribert Orlik ist das alles scheinbar nur eine Frage der Physik. Vor dem Kauf der Baupläne besucht er Fitz Mürkens, den deutschen Musterbetreuer der Asso V. Beide tauschen sich über die Konstruktion aus. Das Muster kann als UL in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Abflugmassen zugelassen werden. Aber für 750 Kilogramm wurden die Baupläne nie berechnet. Heribert Orlik beschließt: Dann mache ich das. Er erwirbt den UL-Bauplan, bestehend aus 26 DIN-A1 Zeichnungen.
Asso V: Vom Papier zum Holz
Über die Oskar-Ursinus-Vereinigung ergibt sich der Kontakt zu Paul Antemia von Grob Aircraft. Der Luftfahrtingenieur ist bereit, Heribert Orlik bei der Neuberechnung der Baupläne zu unterstützen. Doch es gibt Probleme: Die Originalberechnungen aus Italien sind nicht Bestandteil der UL-Baupläne. So wendet sich der Flugzeugbauer direkt an den italienischen Konstrukteur Giuseppe Vidor. Beide treffen sich auf der AERO am Stand von Alpi Aviation, dem Hersteller der Pioneer Muster. »Da haben wir uns sehr nett unterhalten. Giuseppe hat mir an der Pioneer 300 noch ein paar Konstruktionsdetails erklärt. Dann zieht er einen dicken Stapel Papiere mit den Berechnungen der Asso V für mich aus seiner Tasche,« erzählt Heribert Orlik. Die fehlenden Informationen sind da!
Hier zeigt sich ein weiteres Talent des hartnäckigen Bauherrn: Er kann andere Menschen schnell für Projekte begeistern. Schließlich gelingt die Berechnung der Festigkeitswerte auf 750 Kilogramm MTOM. Inzwischen hat der Eigenbauer nach langer Suche einen örtlichen Holzlieferanten gefunden. Die Auswahl des passend gewachsenen und feinjährigen Kiefernholzes erweist sich als kräftezehrend. »In einer Palettenladung mit zirka 200 Brettern entsprachen nur etwa vier bis fünf meinen Anforderungen, gemäß dem Buch ›Werkstattpraxis‹ von Jacobs und Lück«, berichtet Orlik. So lädt er gemeinsam mit seinem Sohn auf dem Hof der Fabrik unzählige Paletten ab und natürlich auch wieder auf. Die Mühe wird belohnt: Die Profis der Leistenfabrik sägen ihm die benötigten Profilleisten direkt vor Ort zu.
Festigkeitstest im Baustoffhandel
Durch die neue Gewichtsklasse des Luftfahrzeugs werden Festigkeitstests fällig. Eine Gewerbe- und eine Hochschule in der Nähe lassen sich für die Tests im wahrsten Wortsinn einspannen. Dem Bau von Rumpf, Flächen und Steuerelementen steht nun nichts mehr im Wege. Später erweist sich auch ein regionaler Baustoffhändler als äußerst kooperativ: Hier finden die Belastungstests der Flächen wie üblich mit Hilfe von Zementsäcken statt.
Natürlich kommt auch ein Holzflugzeug nicht ohne Metallteile aus. So verbinden zum Beispiel zwei acht Millimeter dicke Aluminiumplatten die Holme, die von insgesamt 22 Schrauben gehalten werden. Zu den komplexen Metallarbeiten gehört der Motorträger. Der nimmt auch das Bugrad des Einziehfahrwerks auf. Das Fahrwerk selbst kauft Orlik in Italien. Die Cockpitverkleidung ist ein kleines Meisterwerk: Sie ist aus einer einzelnen Aluminiumplatte gelasert. Um bei den Kontrollen der OUV und des Luftfahrt-Bundesamts keine Probleme zu bekommen, sind das Sperrholz und alle Metalle luftfahrtzertifiziert. Auch die Schweißarbeiten werden von zertifizierten Fachkräften übernommen.
Rotax 912 und modernste Avionik
Unter der Cowling sitzt ein nicht-zertifizierter Rotax 912 mit 100 PS Leistung. Zuvor hatte Heribert Orlik allerdings intensiv nach alternativen Motoren gesucht: »Ich habe mich lange mit den Direktantrieben von ULPower beschäftigt – allein aufgrund des schönen Sounds, außerdem hätte ich mir das Untersetzungsgetriebe gespart.« Doch die geringe Verbreitung des Motors, positive Erfahrungen mit Rotax-Antrieben in Vereinsmaschinen und ein Seminar bei Rotax Franz bringen schließlich die Entscheidung.
Alles andere als klassisch fällt die Avionik aus: »Mir war klar, ich möchte ein modernes Cockpit im eigenen Flugzeug. Nachdem ich beim Besuch des EAA Air-Venture in Oshkosh das SkyView-System von Dynon Avionics testen konnte, war es der Favorit für mein Projekt. Bei der Nav/Com-Einheit und dem Transponder bin ich bei den mir aus den Vereinsflugzeugen vertrauten Garmin-Geräten geblieben. Sie kommunizieren mit dem SkyView und können zum Teil auch von dort gesteuert werden. Das erleichtert Bedienung und Überwachung. Außerdem hat die Asso V einen Autopiloten. Der Aufwand dafür hielt sich mit dem Einbau der beiden Servos für Höhen- und Querruder in machbaren Grenzen.«
Eine Besonderheit findet sich im elektrischen System: Avionik, Benzinpumpe, Fahrwerk, GPS, elektrische Klappen und Trimmung sowie alle Lichter sind über ein VP-X-Pro-Modul von Vertical Power vernetzt. Das Modul kontrolliert und überwacht das gesamte elektrische System und ersetzt damit den üblichen »Sicherungsberg« im Instrumentenpanel. Dazu sorgen zwei Kameras für die optische Kontrolle des Fahrwerks und eine Panoramasicht um das Flugzeug. Wenn Heribert Orlik erzählt, erscheinen zehn Jahre Bauzeit, 1500 Anmischvorgänge für Klebeaufgaben, drei OUV Gutachten in unterschiedlichen Fertigungsstadien und die finale Flugzeugabnahme beim Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig wie ein übersichtliches Wochenendprojekt. Jetzt möchte ich die Asso V natürlich auch fliegen.
Neugierig geht es mit der Asso V Richtung Rollhalt
Als kompetenten Aufpasser bekomme ich den Erprobungspiloten der Maschine zur Seite gestellt: Sascha Hoffmann ist Verkehrspilot und Fluglehrer. Er hat auch den Eigner fliegerisch in dessen Bauwerk eingewiesen. Die D-EHBO sieht auf den ersten Blick wie ein GfK-Flugzeug aus. Kein Wunder, sind doch alle mit Sperrholz beplankten Baugruppen mit einer dünnen Schicht Glasfasergewebe überzogen. Die rot-weiße Lackierung lässt den kleinen Zweisitzer optisch größer wirken. Jetzt wäre es spannend, eine UL-Version daneben parken zu können – zum Proportionenvergleich.
Über die Trittstufe vor dem Flügel klettere in das geräumige Cockpit. Die Avionik gehört fast schon die Rubrik Regionaljet. Pilot und Co haben je ein Dynon SkyView HDX 800 direkt im Blick. In der Mittelkonsole befinden sich GPS (Flymap), die Nav-/Com-Einheit und der Transponder. Darunter liegen das Audiopanel sowie die Bedieneinheit für den elektrisch verstellbaren Constant-Speed-Propeller. Auf der Pilotenseite sitzt zusätzlich die Steuerung für den Autopiloten sowie die Schalterleiste für Avionik, Lichter, Zündung und sowie weitere Systeme. Ein nettes Detail: Der Co-Pilot findet vor sich eine ausziehbare Schublade. »Zufälligerweise« passt in diese perfekt ein Tablet-Computer üblichen Formats.
Zwischenzeitlich haben der Rotax und ich Betriebstemperatur. Dann starten wir auf der Piste 20 mit leichtem Seitenwind bei 23 Grad Celsius. Die Klappen stehen auf zehn Grad, bei 70 Knoten liegt die Steigrate bei 740 Fuß pro Minute. Das Einfahren der Landeklappen quittiert die Maschine mit leichtem Nicken. Drei gelbe LEDs künden vom Einziehen des Fahrwerks. Jetzt fällt mir auf, wie dynamisch die Asso V ist. Um die Höhe exakt zu halten, benötige ich permanent kleine Steuerimpulse. Das fast schon giftige Ansprechen gilt auch für die Querruder. Die Rollrate ist beeindruckend hoch. Kreisen erfordert recht kräftigen Seitenrudereinsatz. Dieses Flugzeug will aktiv geflogen werden. Den Eindruck bestätigt mir auch der Erprobungspilot. Mit entsprechender Übung macht das agile Flugverhalten verdammt viel Spaß. Aber der Autopilot für entspanntes »Strecke machen« ist eine sinnvolle Investition.
Agil, aber nichts für Anfänger
Jetzt demonstriert mir Sascha Hoffmann, wie wendig die Asso V in Profihänden ist. Wir kreisen in Querneigungen von über 50 Grad. Also krönenden Abschluss gönnt er uns eine Lazy Eight. Danach wage ich mich selbst an die Stallgrenzen. Im clean stall kippt die Maschine bei etwa 60 Knoten, mit Flaps bleibt das Flugzeug bis etwa 50 Knoten in der Waagerechten. Die Eigenstabilität ist eher gering ausgeprägt. Lässt man nach kurzem Ziehen am Höhenruder den Knüppel los, bewegt sich das Flugzeug noch eine ganze Zeit nach oben, bevor sich die Nase langsam wieder in Neutralposition bewegt. Alles in allem gut beherrschbar, aber kein Fluggerät für Einsteiger. Dafür ein schönes Reiseflugzeug mit definitiv hohem Spaßfaktor.
Wir fliegen zurück nach Offenburg. Die Maschine verlangt ein striktes Speed Management, um den Gleitpfad sauber zu halten. Mit konstant 70 Knoten fliegen wir in den Endanflug und setzen die Klappen stufenweise auf voll. Bei knapp unter 65 Knoten setzen wir sanft auf. Rund 25 Flugstunden hat die Flugerprobung benötigt. In dieser Phase gab es auch noch leichte Änderungen an der Zelle. So wurden für eine bessere Motorkühlung Windeinlässe nachgerüstet. Außerdem sorgt eine zusätzliche Leiste an der Vorderkante der Fläche für ein harmloseres Stall Verhalten. Auch das LBA hatte noch Änderungswünsche. Dazu zählen die Veränderung des Tankwahlschalters, damit der Tankwechsel nicht über die »Zu«-Stellung erfolgt, ebenso ein Endanschlag fürs Höhenruder.
Jetzt könnte sich Heribert Orlik entspannt zurücklehnen. Doch eine Idee hat er sich in den Kopf gesetzt: Seine D-EHBO soll auch für VFR-Nachtflug zugelassen werden. Mit seiner technischen Präzision und viel Empathie für seine Mitmenschen wird dem geduldigen Tüftler auch das gelingen.
- D-EHBO
- 10 Jahre
- 8,40 m
- 10,70 m2
- 6,20 m
- 2,10 m
- 498 kg
- 750 kg
- 252 kg
- 2
- 110 l
- Rotax 912 ULS / 100 PS
- FT-Propeller, 2-Blatt, Composite, elektrisch verstellbar
- ca. 18 l/h
- 450 m
- 420 m
- 56 KIAS
- 47 KIAS
- 120 KTAS
- 70 KIAS
- 146 KIAS
- 135 KIAS
- 65 KIAS
Dirk M. Oberländer, Jahrgang 1975, verbrachte seine Jugend beim Segelfliegen am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg. Später folgte der Abschied vom Schieben und Umstieg zum Ultraleicht-Fliegen. Die zweite große Leidenschaft, das Schreiben, brachte Dirk zu Stadtmagazinen, Tageszeitungen, Kundenmedien und in die wunderbare Welt der Werbung. Immer mit einem Faible für Technik und die Menschen dahinter. So war es nur eine Frage der Zeit, bis der studierte Kultur- und Medienmanager beim fliegermagazin landete. Am Boden ist Dirk bevorzugt mit Laufschuhen und Rad unterwegs – im Urlaub auch gern mal mit Zelt in Richtung Süden.
- Asso V
- Selbstbau
- Experimental