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„Wie früher“: Mein Flug in der neuen Cessna 172 Skyhawk

So ziemlich jeder Pilot ist die Cessna 172 schon geflogen. Wir haben das aktuelle Modell des inzwischen fast 70 Jahre alten Musters geflogen – einen nach wie vor zeitgemäßen Viersitzer, der jede Menge Erinnerungen weckt.

Von Thomas Borchert
„Wie früher“: Mein Flug in der neuen Cessna 172 Skyhawk
Immer noch begehrt: 180 neue Cessna Skyhawk hat Textron 2023 verkauft. Auch der Gebrauchtmarkt ist leergefegt. Kunden sind vor allem Schulen. Bild: Brett Schauf, Lucas Böckler

Natürlich kann man es als romantische Verklärung abtun. Aber es stimmt trotzdem: Das Flugzeug, auf dem man fliegen gelernt hat, vergisst man nie. Bei mir waren es die Cessna-Hochdecker 150 und 172. Und tatsächlich: Nach knapp 19 Jahren will ich zum ersten Mal wieder eine Cessna 172 fliegen – und es ist alles völlig vertraut. Auch wenn an diesem Flugzeug vieles neu und anders ist, dazu später mehr. Aber schon bei der Vorflugkontrolle weiß ich: Bloß nicht von hinten gegen die Flügel rennen, dann gibt es die charakteristisch rautenförmigen Narben, weil das Blech dort so gefalzt ist. Und auch beim Fliegen ist alles wie früher. Aber der Reihe nach.

Auf dem AirVenture 2023 in Oshkosh präsentierte Textron Aviation erstmals eine neue Inneneinrichtung für die vier in Produktion befindlichen Kolbenmotor-Flugzeuge des Konzern: Nach wie vor gebaut werden Cessna 172 Skyhawk, 182 Skylane und Turbo Skylane sowie 206 Turbo Stationair HD. Damals ließen wir uns das neue Flugzeug ausführlich zeigen.

Das vergessene Alltagsflugzeug

Beim Mittagessen an der Flightline diskutierten wir dann einen merkwürdigen Widerspruch: Praktisch jeder PPLer ist die Cessna 172 schon geflogen, sehr viele sitzen regelmäßig in einer Skyhawk. Dieses Muster spielt im Leben der fliegermagazin-Leser eine riesige Rolle. Und doch konnten wir uns nicht erinnern, wann wir ihm zuletzt einen typischen Pilot Report samt Cover-Foto gewidmet hatten. Sofort fiel der Beschluss: Wir wollen die aktuelle 172 sobald wie möglich fliegen und darüber schreiben. Es hat ein bisschen gedauert, aber jetzt steht die N227CS für uns auf dem Vorfeld in Hamburg-Fuhlsbüttel bereit. Textron-Demopilot Peter Herr, der aus Deutschland kommt, aber seit Jahrzehnten in Kansas lebt, wird sie uns vorführen.

Mit dem Namen Cessna verbinden auch Laien Kleinflugzeuge. Meist denken sie dabei an abgestrebte Hochdecker – und haben die Skyhawk vor Augen. Bild: Lucas Böckler

Doch vorher noch ein Wort zu den Namen rund ums Flugzeug. Einen Hersteller namens Cessna gibt es inzwischen nicht mehr. Die Marke Cessna gehört, ebenso wie Beechcraft und Bell, zu Textron Aviation. Teil dieses Konzerns ist übrigens auch Motorenhersteller Lycoming. Schon seit Jahrzehnten wird die Cessna 172 mit dem Beinamen Skyhawk vermarktet, der allerdings in Deutschland viel weniger bekannt ist als in den USA. Wir reden hierzulande meist von der Modellnummer, also von der 172. Textron hingegen hat die Zahlen bei den Kolben-Einmots von Cessna inzwischen komplett weggelassen: Dort heißt das aktuelle Flugzeug Cessna Skyhawk. Von 172 ist keine Rede mehr.

C172 – Die Meistgebaute

Man muss diesem eigentlich völlig unauffälligen Flugzeug mit größtem Respekt begegnen. Es ist so etwas wie der VW Golf der Lüfte. Im Juni 1955, also vor knapp 70 Jahren, hatte die Cessna 172 ihren Erstflug. Seitdem haben ungezählte Piloten auf diesem Flugzeug fliegen gelernt und ihre ersten Erfahrungen als Pilot gemacht. Die Cessna 172 ist das meistgebaute Flugzeug der Welt – Militär- und Passagiermaschinen eingerechnet: 44.000 Exemplare wurden bislang hergestellt. Und wer glaubt, sie zähle zum alten Eisen: 2023 hat Textron 180 Neuflugzeuge der Skyhawk verkauft – das ist Platz zwei der Statistik.

Das kennt jeder: Die Skyhawk ist wohl jeder Pilot schon mal geflogen. Nach fast 70 Jahren kann sie immer noch gut neben moderneren Entwürfen bestehen.
Bild: Lucas Böckler

Also: Einsteigen, bitte! Die Bewegungen sind noch fest in meinem motorischen Gedächtnis verankert: Genau so weit ducken, dass man sich nicht am Flügel den Kopf stößt. Sitz ganz weit nach hinten, dann hinsetzen und wieder ganz weit nach vorn. Jetzt ist Zeit, erstmal das zu bewundern, was sich hier getan hat im Vergleich zu den tausenden 172M und N, die in den siebziger Jahren gebaut wurden. Sie finden sich immer noch in vielen Vereinen, bei Vercharterern und Flugschulen. Mit den angehängten Buchstaben hat Cessna über die Jahrzehnte die Modellreihen unterschieden. Dieses aktuelle Modell ist eine Cessna 172 S. Die wurde schon 1998 mit einer damals neuen Motorisierung eingeführt. Das Modell S hat sich seitdem in Sachen Avionik und Ausstattung erheblich entwickelt, aber keinen neuen Buchstaben bekommen.

Tausche Uhr gegen Bildschirm

Längst ist der Uhrenladen in der 172 durch ein Glascockpit ersetzt. Der Markt machte Textron die Entscheidung leicht: Obwohl die Skyhawk vor allem in der Anfängerschulung eingesetzt wird, bestellte niemand mehr die Version mit konventionellen Rundinstrumenten, nachdem Mitte der 200er-Jahre das Garmin G1000 als Option angeboten wurde. Seit einigen Jahren ist im Panel der Skyhawk das aktuelle G1000 NXi zu Hause – leider ohne Tastatur, sodass viel Knöpfe drehen angesagt ist. Der Angle-of-Attack-Anzeiger oben auf dem Panel kam ebenfalls schon vor Jahren als wichtiges Sicherheits-Feature hinzu. Seit kurzem gibt es ein Garmin GI 275 als digitales Backup-Instrument.

Aufgeräumt – Das Garmin G1000 NXi stellt alle relevanten Daten auf zwei Displays dar. Relativ neu ist das digitale Back-Instrument GI 275 (Mitte). Bild: Lucas Böckler

Für das Modelljahr 2024 ist aber viel wichtiger, was rund ums Panel herum passiert ist: Die komplette Inneneinrichtung wurde geändert. Vorbei sind die Zeiten jenes inzwischen oft eingerissenen Plastikmaterials, das den Namen »Royalite« trug. Es sollte wohl irgendwie königlich klingen. Die Verkleidungen sind nicht mehr mit federnden Clips befestigt, die nur allzu leicht brechen, sondern verschraubt. Das ist ein großes Plus in der Wartung, wenn die Verkleidungen raus müssen.

Neuer Innenraum – im klassischen Stil

Es gibt eine, wenn auch kleine, Mittelkonsole im Fußraum, in der zwei Getränkehalter und ein iPad-taugliches Fach Platz haben. »Das übergeordnete Ziel war Bequemlichkeit, sozusagen ein maximaler Wohlfühl-Faktor«, erklärt Chris Crow, der bei Textron als Vice President of Piston Sales für die Kolben-Einmots verantwortlich ist.

Nicht nur im Auto, auch im Kleinflugzeug sind Getränkehalter inzwischen Standard – ebenso wie Stauraum für den Tablet-Computer.
Bild: Lucas Böckler

Seitlich neben dem Panel gibt es nun Steckfächer, die leicht ausfedern und dem Handbuch des Flugzeugs ebenso Platz bieten wie Tablet-Computern. Daneben sind USB-A- und -C-Anschlüsse sowie Kopfhörer-Buchsen für Doppelklinke ebenso wie für das LEMO-Format verbaut. Weiter oben findet sich links und rechts an der »A-Säule« etwas, das Menschen, die mit der 172 schon in wärmeren Gegenden unterwegs waren, vielleicht schon als Revolution sehen: Auf jeder Seite sind gleich zwei der perfekt einstellbaren, drehbaren Lüftungsauslässe angebracht, die auf Englisch so passend »eyeball vents« heißen.

Was für ein Luxus: Die dreh- und regelbaren Frischluftdüsen sorgen für angenehmes Klima. Durchsichtige Sonnenblenden erlauben freie Sicht im Gegenlicht. Bild: Lucas Böckler

Die Sitzlehnen sind dank moderner Materialien sehr dünn geworden, sodass auch hinten etwas mehr Platz ist. Dort gibt es ebenfalls Getränkehalter und Anschlüssse aller Art. Selbst der Gepäckraum ist neuer und schöner verkleidet. Alles in allem: Der Innenraum wirkt modern und »luftig«, wie man es von einem Neuflugzeug im Jahr 2024 erwartet.

180 PS sind heutzutage Standard

Die manuelle Primer-Pumpe und die Vergaservorwärmung gibt es in der Skyhawk schon nicht mehr, seit Textron 1996 die Produktion der 172 nach etwa ein Jahrzehnt Pause wieder aufnahm. Die 172S wird von einem Lycoming IO-360 angetrieben. Der hat, wie das I für »injection« verrät, keinen Vergaser, sondern eine Benzineinspritzung. Er leistet 180 PS. Geprimt wird mit der elektrischen Einspritzpumpe. Das Anlassen ist problemlos, nur bei der Bedienung der Avionik suche ich ein wenig nach den richtigen Knöpfen.

Natürlich LED: Die Skyhawk geht mit der Zeit: LED-Leuchten sparen Strom und haben eine lange Lebensdauer. Bild: Lucas Böckler

Mit drei Personen sind wir schon recht nah an der MTOM von 1157 Kilogramm. Auf der Bahn in Hamburg schiebe ich das Gas rein. Und alles ist sofort wieder präsent: Rotieren bei 55 Knoten, Steigen mit 70 bis 80, bestes Steigen bei 74 – na klar, genau so war das! Im Reiseflug wird – Danke, Glascockpit – die Power inzwischen nach Prozent eingestellt, nicht mehr nach Drehzahl. Die Berechnung berücksichtigt auch das Leanen. Bei der empfohlenen Gemischeinstellung 50 Grad Fahrenheit »rich of peak« und 65 Prozent kommen wir in 2000 Fuß mit etwa 112 Knoten Richtung Rendsburg voran. Das fühlt sich für mich langsam an, ich darf inzwischen schnellere Maschinen bewegen.

Schöne Aussicht und leicht zu fliegen

Aber die Aussicht ist toll: Hochdecker mit dem direkten seitlichen Blick nach unten haben eben auch ihren Reiz.
Immer wieder erstaunt mich, wie sehr alte Gewohnheiten tief eingepflanzt sind: Vor den Kurven hebe ich (zumindest fast immer) den inneren Flügel kurz an, um nach Verkehr zu schauen – wie ich’s im Hochdecker gelernt habe. Steilkurven und Langsamflug sind, naja, eben wie in der Cessna 172: größtenteils harmlos.

Anfängliche Skepsis: Die Konfiguration mit Bugrad war zur Markteinführung unüblich. Das Fahrwerk wurde als »Land-O-Matic Gear« beworben. Bild: Brett Schauf, Lucas Böckler

In Rendsburg geht es in die Platzrunde. Zugegeben, ich lasse die Leistung deutlich länger deutlich höher stehen, als man das lernt. Ich habe mich einfach an höhere Speeds gewöhnt. Aber auch das verzeiht die Skyhawk natürlich. Im Endanflug geht die Fahrt ohne Leistung schnell dorthin zurück, wo sie hingehört: Landeanflug mit 65 oder etwas darunter – auch diese Erinnerung kommt sofort zurück. Die Landung ist nicht ganz so sanft, wie ich es gerne gehabt hätte. Aber die Skyhawk ist auch hier gnädig. Das ist eben ihr großes Plus, auch nach fast 70 Jahren: Sie ist einfach zu fliegen, und sie verträgt auch mal etwas gröberen Umgang. Deshalb bestätigt auch Chris Crow: »Die Mehrheit der Flugzeuge verkaufen wir an Flugschulen.« Und er fügt hinzu: »Die Produktion ist für die nächsten zwei Jahre ausgebucht. Wer heute eine Skyhawk bestellt, muss so lange warten.«

Mit Zusatztanks über den Atlantik

499.000 US-Dollar ist der Basispreis der aktuellen Skyhawk. Die Liste der Optionen auf der Preisliste ist kurz, denn das meiste ist schon enthalten. Einen GFC-700-Autopiloten gibt es als Zubehör, ebenso den in Europa je nach Verwendungszweck erforderlichen DME-Empfänger. Sogar ein ADF könnte man bekommen. Demo-Pilot Peter Herr berichtet uns, dass die Zeiten vorbei sind, in denen neue Cessna 172 vom Werk demontiert und dann per Container nach Europa verschifft wurden. Auch unsere N227CS wurde über den Atlantik geflogen – mit Zusatztanks auf dem Copilotensitz.

Schnell wieder drin: Peter Herr von Textron zeigte Chefredakteur Thomas Borchert (v. l.) die aktuelle Cessna Skyhawk. Bild: Lucas Böckler

Auf diesem Flug werden viele Erinnerungen an die Cessna 172 wach. Dazu gehören auch die abgerockten Chartermaschinen mit verblichener Lackierung und sehr vielen »Inop«-Aufklebern am Panel, die ich schon geflogen bin. Aber auch wenn das grundlegende Design Jahrzehnte alt ist: Wir sitzen in einem modernen , zeitgemäßen Flugzeug, das für die Schulung optimiert ist, aber auch auf Reisen oder für Rundflüge glänzen kann. Die Skyhawk ist nach all den Jahren immer noch ganz vorn dabei.

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Technische Daten
  • 11,00 m
  • 16,17 m2
  • 8,30 m
  • 2,70 m
  • 762 kg
  • 1157 kg
  • 4
  • 201 l
  • Lycoming IO-360-L2A / 180 PS
  • McCauley, 2-Blatt, Metall, fest, 193 cm
  • ca. 34 l/h
  • 293 m
  • 175 m
  • 74 KIAS
  • 499.000 US-Dollar (netto)
  • 48 KIAS
  • 40 KIAS
  • 114 KTAS
  • 62 KIAS
Über den Autor
Thomas Borchert

Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.

Schlagwörter
  • Cessna 172
  • Textron
  • Lycoming O-360
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