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Bye, bye Tempelhof

Der Traditionsflughafen Berlin-Tempelhof wird heute, nach immerhin85-jähriger ereignisreicher Existenz, geschlossen. Den letztenLinienflug führt Cirrus Airlines nach Mannheim durch. Gestartet wird um21.55 Uhr.

Von Redaktion
Heute werden die letzten Linien-Flüge in Tempelhofs historischen Ambiente durchgeführt
Heute werden die letzten Linien-Flüge in Tempelhofs historischen Ambiente durchgeführt Berliner Flughäfen

Auf dem am 8. Oktober 1923 offiziell zum Flughafen proklamiertenAirport führte beispielsweise die in den 20er Jahren gegründete LuftHansa 1926 ihren ersten Linienflug durch – nach Zürich. Als ersterFlughafen weltweit erhielt Tempelhof einen eigenen U-Bahnanschluss –das immerhin schon 1927. Und das Tempelhofer Verkehrsaufkommen war inden 30er Jahren bedeutender als eben jene in Paris, Amsterdam undLondon. 1934 zählte Tempelhof 200.000 Passagiere pro Jahr, doch die Kapazitätsollte auf bis zu sechs Millionen Fluggäste jährlich gesteigert werden.So wollte es der mittlerweile an die Macht gekommene Hitler. Tempelhof,so sein Ziel, sollte als Weltflughafen der künftigen Reichshauptstadt„Germania“ eine wichtige Repräsentationsaufgabe übernehmen. ArchitektErnst Sagebiel entwarf daraufhin einen Flughafenkomplex, der seinerzeitmit einer Bruttogeschossfläche von 284.000 Quadratmetern dasflächengrößte Gebäude der Welt war und dem man heute seinen NS-Geruchaufgrund der sachlichen 30er-Jahre-Architektur nicht wirklichübelnimmt.Sechs Etagen über- und drei unterirdisch, 9000 Büroräume, siebenHangars, Liefertunnel für Eisenbahn und Lkw, ausgedehnte Bunkeranlagenoder das 40 Meter überstehende Dach luftseitig, das bei Bedarf alsTribüne für bis zu 100.000 Menschen dienen sollte, zeugen nach wie vorvom Nazi-Wahn. Das Flugfeld wurde als ovaler Rasenplatz mit annäherndzwei Kilometern Durchmesser angelegt, damit die damaligen Flugzeuge,allen voran die Ju 52, exakt gegen den jeweilig herrschenden Windstarten und landen konnten. Richtig fertig ist die gesamte Anlage unterSagebiel übrigens nie geworden. Der Zweite Weltkrieg kam dazwischen. Inden weitläufigen Katakomben Tempelhofs wurden bis zuletzt lieberJagdbomber für den erhofften Endsieg gebaut … Im April 1945 fielen sowjetischen Truppen über Tempelhof her, imdarauffolgenden Juli übernahmen die Amerikaner den Flughafen, der dreiJahre später in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit rückte. Währendder Blockade West-Berlins diente Tempelhof neben Tegel und Gatow alsFlughafen der Luftbrücke. Auf den eiligst angelegten Pisten landetendie Rosinenbomber zeitweise im 90-Sekunden-Takt. Noch heute istTempelhof, vor allem für die Westberliner, ein Symbol der Freiheit.1950 wurde der Flughafen erneut für den zivilen Betrieb freigegeben undin den Folgejahren sogar Hollywood aufmerksam: Marlene Dietrich, GaryCooper oder Marilyn Monroe nutzten die eindrucksvolle Kulisse für nichtweniger eindrucksvolle Filmauftritte. Und parallel zum steigenden Ruhmwuchs auch wieder das Verkehrsaufkommen in der nunmehr geteilten Stadt.Entlastung wurde mit Tegel geschaffen. Ab dem Sommer 1968 wickelten dieBerliner dort bereits den gesamten Charterverkehr ab, 1975 folgte dieoffizielle Eröffnung der Tegeler Abfertigungshallen. Tempelhof hatte,zunächst einmal, für den zivilen Verkehr ausgedient. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands, 1993, übergab die US Air Forceden Flughafen schließlich an die Berliner Flughafengesellschaft. Dochder erneute Abgesang wurde bald, 1996, mit dem so genanntenKonsensbeschluss angestimmt: Der Bund, das Land Brandenburg und dieStadt Berlin vereinbarten als Prämisse für den Bau des GroßflughafensBerlin Brandenburg International (BBI) die Schließung der FlughäfenTegel und Tempelhof. Und das spaltet nicht nur die Bundeshauptstadt in zwei Lager. DieBefürworter der Schließung Tempelhofs sprechen der „Mutter allermodernen Flughäfen“, so Stararchitekt Norman Foster, jeglichenwirtschaftlichen und luftfahrttechnischen Nutzen ab, verweisen auf diefinanziellen Verluste, die Jahr für Jahr die Bilanz der BerlinerFlughäfen belasten. Die Gegner führen als Hauptargument die aktuell festzustellendeKapazitätsknappheit in Berlin an. Tegel platzt aus allen Nähten und inSchönefeld ist wegen des BBI-Baus nur eine Start- und Landebahnnutzbar. Dass ab November statt bislang fünf nur noch drei und mit derEröffnung des BBI nur noch zwei Berliner Pisten ausreichend seinsollen, lässt den Laien staunen und den Fachmann sich wundern.Tempelhof mit seiner Infrastruktur und aufgrund seiner Lage undAnbindung an das Regierungsviertel ist in den Augen vielerBranchenfachleute ideal als Flughafen für die Geschäftsfliegerei undsomit zur Entlastung des bereits heute als zu klein dimensionierterscheinenden BBI prädestiniert. Doch die Chance wird Tempelhof mit derheutigen Schließung nicht mehr gewährt.

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