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„Eine Behörde mit Gehorsamserwartung“, Flugmediziner Dr. Grüner über die Probleme beim LBA

Dr. med. Steffen Grüner war fast 20 Jahre als Flugmediziner tätig. Aktuell läuft ein Rechtsstreit zwischen dem Arzt und dem LBA. Wir haben mit dem Mediziner über die Probleme beim Referat 6 gesprochen.

Von Dirk M. Oberländer
Fliegerarzt Dr. med. Steffen Grüner kritisiert das LBA Referat 6.
Fliegerarzt Dr. med. Steffen Grüner kritisiert das LBA Referat 6. Bild: Montage: LBA, privat, fliegermagazin

Dr. med. Steffen Grüner war Bundeswehrsoldat und ist Oberfeldarzt der Reserve. In seiner militärischen Laufbahn betreute er Heeresflieger und Eurofighter-Piloten. Seit 2007 ist der Arzt als Flugmedizinischer Sachverständiger (AME) tätig. Was umgangssprachlich auch als Fliegerarzt bezeichnet wird.

Im vergangenen Jahr verweigerte das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) bei einer Routineverlängerung die Rezertifizierung. Dagegen klagte der Mediziner – der Fall liegt jetzt beim Verwaltungsgericht Braunschweig. Dr. med. Grüner ist selbst aktiver Pilot und hat eine PPL-A. Er praktiziert als Facharzt für Allgemeinmedizin.

Fliegerarzt und Ex-LBA-Juristin äußern Kritik am LBA

Die Sichtweise des Arztes deckt sich in Teilen mit der LBA-Kritik der Juristin Nina Coppik. Die ehemalige Mitarbeiterin im Referat 6 des LBA kündigte vor Kurzem ihr Beamtenverhältnis aus Unzufriedenheit über die Zustände in Ihrem Referat. Auch hierzu haben wir ein Interview veröffentlicht. Doch zurück zu Dr. Steffen Grüner.

Wie lange gibt es die Probleme zwischen den Flugmedizinischen Sachverständigen und dem LBA schon? 

„Ich kenne die Probleme seit 2007. Man hat als Arzt den Eindruck, die Referatsleitung will Fliegerärzte disziplinieren. Telefonisch direkten Kontakt gibt es praktisch nicht. Nur unter einer früheren Leiterin war die Kommunikation besser. Jetzt herrscht wieder Misstrauen. Wir Fliegerärzte kennen unsere Pilotinnen und Piloten genau – und können einschätzen, ob jemand flugtauglich ist oder nicht. Der Ton, mit dem das LBA auftritt, ist schlicht unmöglich.

Können Sie praktische Beispiele nennen?

„Trotz unauffälliger Befunde entzog das LBA einer Flugschülerin nach bereits zwölf problemlos absolvierten Flugstunden das Medical – nur aufgrund eines Jahre zurückliegenden einmaligen Migräneanfalls, bei dem angebliche Doppelbilder vermutlich nur in die Klinikakte diktiert worden waren. Ein Beispiel für die übermäßig restriktive Praxis des LBA, die den von der EASA vorgesehenen Spielräumen widerspricht. In einem anderen Fall führte ein Dateneingabefehler zu einem falschen BMI-Wert. Statt die Daten zu korrigieren, ordnete das LBA zusätzliche Untersuchungen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlafapnoe an – obwohl dies nicht von Nöten war.“

Dr. med. Steffen Grüner ist selbst Pilot (Foto: privat)

Aus ihrer Perspektive, ist Personalmangel beim LBA das Problem?

„Ja, es gibt beim LBA Personalmangel. Aber entscheidend ist die Haltung: Ermessensspielräume werden nicht genutzt, die Behörde ist auf sich selbst fixiert. Am Ende entscheidet immer das Amt – auch wenn Fachgutachten von Psychiatern oder Kardiologen vorliegen und die Fliegerärzte die Entscheidungen selbst treffen könnten.“

Bis zu welchem Punkt darf ein Fliegerarzt allein über eine Medical-Verlängerung entscheiden?

„Die EASA legt fest, ab wann ein so genanntes Konsultationsverfahren eingeleitet werden muss. Das heißt, der Fliegerarzt und vielleicht weitere hinzugezogene Fachärzte dokumentieren den Gesundheitszustand des Patienten. Dabei kann ich Empfehlungen aussprechen, zum Beispiel den Eintrag von Ausnahmeziffern ins Medical. Dann beschäftigt sich der Konsultationsausschuss des LBA mit dem Fall. Das LBA entscheidet abschließend über die Erteilung oder Nicht-Erteilung des Medicals.“

Es gibt Piloten, die zu anderen EASA-Luftfahrtbehörden wie Austro Control ausflaggen. Kennen Sie solche Fälle?

„Einige Piloten wechseln zu anderen EASA-Behörden. Ich kenne einen Fall mit künstlichen Augenlinsen. Das LBA erkannte den Linsentyp nicht an – in den Niederlanden bekam der Pilot problemlos ein neues Medical.“

Sie selbst haben die AME-Rechte als Fliegerarzt entzogen bekommen. Zuvor haben Sie auf einer Tagung LBA-Mitarbeiter und den laxen Datenschutz öffentlich kritisiert. Wie ist das abgelaufen?

„Drei Tage vor Ablauf meiner Bestallung kam das Schreiben, dass man die Lizenz nicht verlängert. Bemängelt wurden zum Teil Nebensächlichkeiten wie Formulare mit altem Logo. Antwortfristen ließ das LBA dann verstreichen. Ich vermute, dass mein Lizenzverlust auch mit meiner öffentlich vorgetragenen Kritik zusammenhängt – etwa meinem Hinweis, dass das LBA mit veralteten Java-Versionen arbeitete. Der zuständige Datenschutzbeauftragte hat dies später bestätigt. Das LBA hat daraufhin stillschweigend nachgerüstet.“

Derzeit stockt das juristische Verfahren. Bislang hat das zuständige Verwaltungsgericht Braunschweig noch keinen Prozesstermin festgelegt.

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Nina Coppik war eineinhalb Jahre lang als Juristin bei der deutschen Luftfahrtbehörde, dem Luftfahrt-Bundesamt (LBA) angestellt. Sie arbeitete im Referat L6.
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Über den Autor
Dirk M. Oberländer

Dirk M. Oberländer, Jahrgang 1975, verbrachte seine Jugend beim Segelfliegen am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg. Später folgte der Abschied vom Schieben und Umstieg zum Ultraleicht-Fliegen. Die zweite große Leidenschaft, das Schreiben, brachte Dirk zu Stadtmagazinen, Tageszeitungen, Kundenmedien und in die wunderbare Welt der Werbung. Immer mit einem Faible für Technik und die Menschen dahinter. So war es nur eine Frage der Zeit, bis der studierte Kultur- und Medienmanager beim fliegermagazin landete. Am Boden ist Dirk bevorzugt mit Laufschuhen und Rad unterwegs – im Urlaub auch gern mal mit Zelt in Richtung Süden.

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