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Im Cessna 172 Simulator der AAG Flight Academy
Welche Vorteile bieten FNTP-II-Verfahrenstrainer in der Schulung? Und wie viele Stunden im SIM werden anerkannt? Fluglehrer und fliegermagazin-Autor Rolf Stünkel liefert Antworten.

Heute geht es nicht mal in die Luft. Aber mein Flugschüler wird gleich trotzdem richtig gefordert. Denn ich stehe im verglasten Simulatorraum der AAG Flight Academy am Verkehrslandeplatz Ganderkesee (EDWQ). Die Flugschule, an der ich als Lehrer tätig bin, gewann 2024 den fliegermagazin Award in der Kategorie „Beste deutsche Flugschule“.
Jetzt fahre den brandneuen Alsim 250 FNPT II Simulator hoch. Hersteller Alsim kommt aus Frankreich, das Kürzel FNPT aus dem EASA-Behördensprech. Es steht für Flight and Navigation Procedures Trainer. Nach einem kurzen Safety-Check genügen vier Schalter- und Touch-Eingaben, um die Session zu starten. Ich wähle „SEP-EFIS“ für die schuleigene Cessna 172 D-EEFM, die mit Glascockpit ausgestattet ist und platziere das virtuelle Fluggerät auf der Piste 26 in Ganderkesee. Natürlich könnten der Flugsimulator auch andere Muster zum Beispiel von Piper darstellen – darunter auch zweimotorige Luftfahrzeuge. Der Flugschüler nimmt vorne links im virtuellen Cockpit Platz. Er lässt den Motor an. Sonores Brummen ertönt. Aus meiner Instructor-Station etwas weiter hinten stelle ich Flugpositionen, Wetterbedingungen und technische Probleme ein.
Der Simulator von Alsim liefert Wetterwechsel und Systemausfälle
Ich klicke auf das ATIS-Symbol. Im Headset ertönt die passende Wettermeldung zum gewählten Szenario. Im Steigflug zum Nienburg VOR simulieren wir ein eingefrorenes Staurohr. Die angezeigte Geschwindigkeit ist konstant, zunächst sieht alles normal aus. Plötzlich zieht der Autopilot die Flugzeugnase hoch und quittiert kurz darauf den Dienst. Der Flugschüler muß mit „Pitch and Power“ den Horizontalflug herstellen, dann mit ATC Kontakt aufhenmen und außerdem die Lage analysieren. Ist die Staurohr-Heizung eingeschaltet? Kann er den Flug in VMC fortsetzen? Welche unabhängigen Geschwindigkeitsanzeigen hat er noch zur Verfügung? So eine Trainings-Mission bringt auch Routiniers ins Schwitzen.
Wann ist der SIM-Einsatz sinnvoll?
Nachdem das Problem erfolgreich gefixt ist, üben wir virtuell IFR-Anflüge auf Hannover mit Missed Approach. Das Umprogrammieren von der grünen ILS-Nadel zum Fehlanflug mit der magentafarbenen GPS-Anzeige kann im Einmann-Cockpit hakelig werden. Vor allem, wenn durch Turbulenzen der Finger auf dem Touchscreen verrutscht und der nächste Waypoint damit genau beim Durchstarten plötzlich futsch ist. Da empfiehlt es sich, den Abflug vorher genau zu briefen und erstmal klassisch nach VOR und DME weiter zu fliegen. All das lässt sich im Simulator wunderbar üben, ohne sich bei den Fluglotsen für den „Finger-Trouble“ entschuldigen zu müssen.
Der moderne Verfahrenstrainer vom Typ Alsim 250 lässt sich vielseitig einsetzen. Die fest installierte Hardware ermöglicht die Simulation ein- und zweimotoriger Flugzeuge ohne Umbaupausen. Die simulierte Avionik ist auf dem aktuellen Stand. Nach vorn wird auf eine gekrümmte Leinwand über einen Blickwinkel von 210 Grad die virtuelle Landschaft projiziert – da kann das Gerät durchaus mit großen Full-Flight-Simulatoren mithalten. Der Unterschied: Im Alsim bewegt sich das Cockpit nicht.
Wie real ist das Flugtraining im Verfahrenstrainer?
Ausbildungsleiter Christian von Engelbrechten muss es wissen, denn er ist auch Ausbilder auf Airliner-Simulatoren. „Natürlich kann ein FNPT nicht sämtliche Sinneseindrücke vermitteln. Das ist auch gar nicht nötig. Denn unser Gehirn kombiniert aus den Geräuschen, visuellen Eindrücken und Instrumentenanzeigen nach wenigen Sekunden ein echtes Fluggefühl.“ Augenzwinkernd fügt er hinzu, dass selbst Kampfjet-Simulation in feststehenden Simulatoren stattfindet: „Schließlich kann man acht oder neun g Beschleunigung nicht im Lehrsaal simulieren.“ Zum realistischen Eindruck trägt auch das Control-Loading-System bei, das Steuerdrücke in den Rudern exakt nachbildet.
Bereits bei der PPL-A-Schulung werden bis zu fünf SIM-Stunden anerkannt. Dabei lassen sich vom „Griffe kloppen“ vor Start und Landung über Umkehrkurven beim Einflug in schlechtes Wetter bis zum Recovern aus gefährlichen Fluglagen viele Praxisinhalte schulen. Bei weiterführenden Ausbildungen (IFR, Multi-Engine, CPL, ATPL) kann trainiert werden, was im Flugzeug streng verboten ist. Etwa das Abstellen aller Motoren, oder Szenarien, die nur mit erheblichem Aufwand in der Luft trainierbar sind.
SIM-Training schult auch Soft Skills
Zum Training gehören auch die sogenannten Soft Skills: Wie gehe ich mental an den Flug heran? Mit welcher Einstellung bereite ich ihn vor? Wer seine eigenen Grenzen kennt und methodisch vorgeht, hat schon viel für die Sicherheit getan. In der Luftfahrtindustrie existiert seit langem das Entscheidungsfindungs-Konzept FORDEC (Facts, Options, Risks and Benefits, Decision, Execution, Check), bei dem – im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit – Fakten aufgelistet und mögliche Optionen bewertet werden, bevor die Entscheidung gefällt und umgesetzt wird. „Das bringt Ruhe ins Cockpit“, bestätigt Christian von Engelbrechten.
Aus dem reinen Abarbeiten von Checklisten haben sich über Jahrzehnte das Crew Resource Management (CRM) und das Threat and Error Management (TEM) entwickelt. Ersteres dient zwar in erster Linie der Teamarbeit im Zweipersonen-Cockpit, eignet sich aber auch für kleine einmotorige Flugzeuge. Auch ein einzelner Pilot muss in Problemsituationen die verfügbaren personellen und materiellen Hilfsmittel einsetzen, sein Cockpit sauber organisieren und planmäßig vorgehen. Threat and Error Management bedeutet, sich frühzeitig gegen äußere Bedrohungen (zum Beispiel schlechtes Wetter) und eigene Fehler zu wappnen, die zu einem Unfall führen können.
Auch die Radio Skills profitieren
Dann sind da noch altbekannte Herausforderungen wie der Funkverkehr im Instrumentenflug. Jeder fängt klein an, und schon das Abhören einer undeutlichen ATIS-Wettermeldung kann ein Problem darstellen. Im Simulator lassen sich Standardsituationen üben – und der Bammel vorm Mikrofon lässt rasch nach.
Für die AAG Flight Academy war die Anschaffung des Alsim 250 FNPT II konsequent. Die Flugschule ist in kurzer Zeit stark gewachsen. „Wir haben uns aus kleinen Anfängen zu einer Einrichtung mit rund 100 Flugschülern entwickelt“, erklärt Christian von Engelbrechten. „Bei uns kann man LAPL, PPL, Nachtflug- und IR-Berechtigung und jetzt auch CPL und ATPL erwerben.“ Die Flotte besteht aus Cessna- und Piper-Flugzeugen, teils nutzen Schüler auch eigene Luftfahrzeuge. Der Flughafen Ganderkesee (EDWQ) liegt nahe der Kontrollzone des Airports Bremen. Er hat kein IFR-Anflugverfahren. Westlich der Piste ragt ein 1000 Fuß hoher Sendemast in den Himmel.
„Bei niedrigen Wolkenuntergrenzen nutzen wir die legale Möglichkeit, mittels Sonder-VFR zum Bremer Flughafen zu fliegen und dort per Instrumentenabflug (SID) auf unsere geplante IFR-Strecke zu gehen,“ erläutert von Engelbrechten. „Umgekehrt verläuft es auf dem Heimflug nach Bremen, wenn die Trainingsmission vorbei ist und in Ganderkesee passables Wetter herrscht.« Der SIM-Einsatz entlastet auch die Bremer Fluglotsen: Wenn bei der Deutschen Flugsicherung die Personaldecke eng ist, werden IFR-Flugpläne zu Schulungszwecken nicht angenommen.“
Der SIM-Betrieb ist nicht trivial
Die Anschaffung eines FNPT-II-Verfahrenstrainers und die Zulassung für den Einsatz im Flugtraining sind alles andere als simpel. Die Beschaffung zog sich über einen Zeitraum von etwa einem Jahr. Weitere sechs Monate vergingen, bis die LBA-Zulassung erfolgreich bewältigt war. Jetzt darf der Alsim 250 FNPT II in der IFR-Schulung auch für GPS-Anflüge nach dem höchsten Standard LPV/PBN (Localizer Performance with Vertical Guidance / Performance Based Navigation) eingesetzt werden.
Doch nicht nur Flugschülerinnen und Flugschüler nutzen die neue Trainingsmöglichkeit. Auch viele Luftfahrtbegeisterte buchen aus Interesse eine Sitzung im Simulator. Im Gegensatz zu den schwitzenden Flugschülern steigen die Spaßflieger meist mit einem breitem Grinsen aus dem virtuellen Cockpit.
Infos: SIM-Einsatz in der Schulung
Das Training im FNPT-II-Simulator kann auf die Flugzeit der praktischen Ausbildung angerechnet werden. Wieviele Stunden anrechenbar sind, hängt von der angestrebten Fluglizenz ab:
- PPL: 5 von 45 Stunden
- FI (experience): 50 von 200 Stunden
- FI (Instructor Training): 5 von 100 Stunden
- CPL/IR integrated: 40 von 50 Stunden
- ATPL/IR integrated: 40 von 50 Stunden
- IR-SE: 35 von 50 Stunden
- IR-ME: 40 von 55 Stunden
- CB-IR SE: 25 von 40 Stunden
- CB-IR ME: 30 von 45 Stunden
Rolf Stünkel ist seit 1998 freier Mitarbeiter beim fliegermagazin und dem dem Schwestermagazin Aero International. Der frühere Marineflieger und Lufthansa-Kapitän ist Autor mehrerer Bücher. Inspiration holt er sich am liebsten beim Blick aus einem kleinen Flugzeug. Sein Motto: Wir Flieger sind eine große Familie!
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