Lokalpolitik gegen Allgemeine Luftfahrt: Ende fürs Fluggelände?
In Schwarzheide, Wyk auf Föhr und Magdeburg bangen Vereine und Piloten um ihren Flugplatz – aus unterschiedlichen und doch oft ähnlichen Gründen.

Zugegeben, Flugplätze wirtschaftlich zumindest mit einer »schwarzen Null« zu betreiben, ist nicht einfach. Doch liegt die Lösung darin, defizitäre Gelände einfach dicht zu machen? Gleich mehreren Flugplätzen droht zur Zeit genau das. Die lokale Politik nimmt dabei wenig Rücksicht auf Vereine und fliegerisches Engagement.
Dabei ist in vielen Fällen gar nicht klar, ob die erhofften Investoren tatsächlich auf dem Flugplatzgelände bauen werden. Oder geht es darum, attraktiv gelegene Flächen vom Flugbetrieb »zu befreien«? Drei aktuelle Entwicklungen werfen Fragen auf.
Aero-Club Schwarzheide: Aus per NOTAM
Der Brandenburger Aero-Club Schwarzheide mit seinen 85 Mitgliedern steht vor einer ungewissen Zukunft. Die Situation für die Motor- und Segelflieger ist kompliziert. Der Verein hat sein Gelände auf dem Sonderlandeplatz Schwarzheide/Schipkau (EDBZ) gepachtet. Eigentlich läuft der Vertrag bis Ende 2030. Dementsprechend hat der Verein in Hangars und die bestehende Infrastruktur investiert. Doch die Gemeinden Schipkau und Schwarzheide wollen auf der Fläche Industrie ansiedeln. Mit im Boot ist die GICON-Gruppe aus Dresden. Das Unternehmen ist einerseits Projektentwickler und gleichzeitig Bauherr eines über 300 Meter hohen Höhenwindrads, das in unmittelbarer Nähe der Platzrunde entstehen soll. Die Flächen dafür sind bereits gerodet und werden für den Bau vorbereitet.
Nach mehreren gescheiterten Gesprächen über einen Umzug des Flugvereins schufen die beiden Gemeinden nun Fakten. Dem Aero-Club wurde der Pachtvertrag vorzeitig zum 31. August gekündigt und ein Räumungsverlangen zum 15. Oktober durch ene Anwaltskanzlei zugestellt.
Dagegen wehrten sich die Luftsportler juristisch. Doch die Politik ist offen- sichtlich nicht willens, den Ausgang des rechtsstaatlichen Verfahrens abzuwarten. Denn der nächste juristische Schlagabtausch folgte. Beide Gemeinden sind Gesellschafter der Flugplatzbetreibergesellschaft Schwarzheide/Schipkau mbH (FBG). Die FBG ist wiederum Inhaber der Betriebsgenehmigung für die 850 Meter lange Graspiste. Die Flugplatzbetreibergesellschaft beantragte nun bei der Oberen Gemeinsamen Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg den Widerruf der Betriebsgenehmigung. Die Behörde stimmte der Rückgabe zum 30. September zu.
Auf dem Sonderlandeplatz Schwarzheide/Schipkau (EDBZ) sind Rollbahnmar- kierungen und Windsack bereits abgebaut. Ein NOTAM verkündet: »Runway 07/25 closed«.
WIKIMEDIA/CARSTEN STEGER
Natürlich ist ein Flugplatz ohne nutzbare Piste für Luftsporttreibende wertlos. Der Verein legte also auch gegen diese Entscheidung Widerspruch ein – mit aufschiebender Wirkung für den Flugbetrieb. Ganz schön viele Verfahren und eine verfahrene Situation. Doch der Bestandsschutz schien zumindest vorläufig gesichert.
Plötzlich verschwanden Windsack und Rollbahnmarkierungen
Die Gemeinden legten jedoch zügig nach. Plötzlich verschwanden Windsack und Rollbahnmarkierungen. Mit 24 Stunden Vorlauf wurde der Aero-Club Schwarzheide über ein neues NOTAM informiert. Der Inhalt: »Runway 07/25 closed.« Eilig nutzen die Vereinspiloten den letzten legalen Betriebstag, um die Motorflugzeuge auf andere Plätze zu überführen. Die Segelflieger nutzen weiterhin die Hangars am nun nicht mehr aktiven Sonderlandeplatz. Doch spätetens mit Saisonbeginn 2025 stellt sich auch hier die Frage: Wo können wir starten? Derweil fallen die Kosten für Pacht und den Erhalt der Hangars weiter an. Auch die juristischen Verfahren gehen ins Geld. Derzeit klärt der Aero-Club, ob Rechtsmittel gegen das aus seiner Perspektive willkürliche NOTAM möglich sind.
Aero-Club Schwarzheide will neuen Arbeitsplätzen nicht im Weg stehen
Doch warum soll der seit Jahrzehnten dort ansässige Flugsport überhaupt weichen? Die Politik hält sich bedeckt. Es ist von Tausenden Arbeitsplätzen die Rede. In der Lokalpresse werden immer wieder drei Unternehmen als Investoren genannt. Die Tricon AG aus der Schweiz plane ein Rechenzentrum. Cellforce, ein Tochterunternehmen von Porsche, soll eine Zellproduktion für E-Autos aufbauen und die BASF ein Logistikzentrum realisieren. Doch wie realistisch ist das alles? Die Tricon AG dementiert gegenüber dem Aero-Club Investitionsvorhaben in Deutschland. Cell- force prüft auch Standorte im Ausland. Zudem sind die wirtschaftlichen Probleme beim Mutterkonzern VW kein Geheimnis. Die BASF hat den Abbau von Arbeitsplätzen hierzulande angekündigt.
Dem Aero-Club Schwarzheide ist eins wichtig: Man möchte neuen Arbeitsplätzen nicht im Wege stehen. Doch die Politik müsse einen neuen Stand-ort in der Region sowie eine faire Entschädigung für den Aufbau neuer Infrastruktur gewährleisten. Bei- des will oder kann die Lokalpolitik nicht bieten. Denn die Gewerbesteuereinnahmen brechen derzeit mas- siv ein. So droht der Lokalpolitik möglicherweise ein doppeltes Desaster: fehlende Investoren und die Zer- störung bürgerlichen Engagements.
Flugplatz Wyk auf Föhr: Hangars weg?
Groß investieren möchte auch die Wyker Flug- platz-Betreibergesellschaft mbH auf der Nordseeinsel Föhr. Die Gesellschaft gehört zu 50,4 Prozent der Stadt sowie zu 49,6 Prozent der Wyker Dampfschiffs-Reederei Föhr-Amrum GmbH (W.D.R.). Bislang sind auf dem Verkehrslandeplatz Wyk auf Föhr (EDXY) zwei gekreuzte Grasbahnen mit der Ausrichtung 02/20 beziehungsweise 09/27 in Betrieb. Nach Bauplänen der Be- treibergesellschaft wird die Piste 09/27 geschlossen.
Auf der so gewonnenen Fläche sind bis zu 100 Stellplätze für Wohnmobile, Tiny Houses und die Installation einer Solaranlage geplant.
Verbleibende Piste wird zum Sonderlandeplatz mit PPR?
Mit der Umgestaltung des Geländes gehen weitere Änderungen einher. Die verbleibende Piste 02/20 soll zum Sonderlandeplatz mit PPR-Betrieb herabgestuft werden. Ortsansässige Piloten und Gastflieger müssen mindestens 24 Stunden vor dem geplanten An- oder Abflug eine »Voranfrage« beim Betreiber stellen.
TORSTEN KRAFT
Auch baulich sind massive Veränderungen geplant. So soll das in die Jahre gekommene Flugplatzgebäude samt der beiden Hangars abgerissen werden. Als Ersatz will die Betreibergesellschaft interessierten Piloten eine Fläche zur Pacht für den privat-finanzierten Neubau einer Halle anbieten. Derzeit sind gut ein Dutzend Motorflugzeuge auf Wyk beheimatet.
Warum soll der Flugplatz neu genutzt werden?
Als Begründung für die Neunutzung des Geländes werden die defizitäre Finanzlage des Flugplatzes und der schlechte Zustand der Gebäude genannt. Zudem erhoffen sich die Projektbeteiligten bis zu 25 000 zu- sätzliche Übernachtungen auf der Insel. Speziell die Fährgesellschaft würde vom steigenden Autotransfer wirtschaftlich profitieren.
Doch Anwohner und Piloten sehen die Pläne kritisch. In einer öffentlichen Sitzung des Bauausschusses am 18. September gab es massive Einwände. Durch die lokal vorherrschenden West- und Ostwinde sei die Schließung der Piste 09/27 gefährlich. Zudem sei der Zustand des Flugplatzes selbst verschuldet. Denn die Betreibergesellschaft hätte Unterstützungsangebote zur Pflege der Infrastruktur durch mehrere interessierte Investoren sowie den örtlichen Luftsportverein nicht angenommen. Auch die endgültige Stilllegung der sanierungsbedürftigen Tankstelle können die ortsansässigen Piloten nicht recht nachvollziehen. Hier habe sich der Flugplatz ohne Not um eine Einnahmequelle gebracht. Außerdem befürchten Anwohner einen stark ansteigenden Fahrzeugverkehr und zu geringe Fährkapazitäten für die Einheimischen. Auch die Frage nach der Nachhaltigkeit eines Caravan-Platzes kam zur Sprache.
Gründung eines Arbeitskreises beschlossen
Inzwischen hat sich auch die Stadtvertretung als höchstes politische Gremium auf der Insel mit den Bauplänen befasst. Die 17 Mitglieder der Stadtvertretung beschlossen die Gründung eines Arbeitskreises mit fünf Mitgliedern aus allen Fraktionen. Er soll eine ergebnisoffene Diskussion führen und auch die Auswirkungen auf die Flugsicherheit klären. Bis dahin liegen die Baupläne faktisch »auf Eis«.
Auch die Piloten haben sich in der »Bürgerinitiative zur Entwicklung des Flugplatzes Wky auf Föhr« organisiert, um so ihre Expertise einzubringen. Denn im Arbeitskreis sind keine aktiven Piloten vertreten. Die Bürgerinitiative betont auch das vorhandene wirtschaftliche Potenzial. Immerhin verzeichnet der Platz in den letzten zehn Jahren jährlich rund 3200 Starts und 12000 Passagiere. So bleibt zu hoffen, dass Politik und Piloten eine für alle tragfähige Lösung finden.
Flugplatz Magdeburg/City kann aufatmen
Während die neuen Pläne für die Flugplätze Wyk auf Föhr und Schwarzheide/Schipkau sehr konkret sind, kann der Flugplatz Magdeburg/City (EDBM) erst einmal aufatmen. Ende August hatte die Stadtverwaltung Magdeburg vorgeschlagen, den Flugplatz in ein Gewerbegebiet umzuwandeln. Der Magdeburger Stadtrat sollte sich mit dieser Idee in einer Sitzung im Oktober beschäftigen, da es keine anderen attraktiven Flächen mehr für eine Gewerbeansiedlung in der Landeshaupt-
stadt gebe. In einer Beschlussvorlage hieß es: »Durch die Nähe zur A14,
den Anschluss an überregionale Straßen (B71) und gut ausgebaute innerstädtische Straßen ist die Fläche schon heute verkehrstechnisch gut erschlossen.«
Schnell regte sich Widerstand, es gab sogar eine Petition, die unter anderem Privatpilot Phillipp Müller mitinitierte. »Mittlerweile ist das Thema wieder vom Tisch – vorerst«, so Müller. Zum einen hätte der Vorschlag keine Mehrheit in der Politik gefunden, was sich nach Gesprächen mit den einzelnen Fraktionen herausgestellt habe. Zum anderen habe die geplante Intel-Ansiedlung damit zu tun.
Es bleibt abzuwarten, ob das Thema bald wieder ansteht
Nach Angaben des Chipkonzerns betrage das Transfervolumen an Zu- liefer- und Dienstleistungsunternehmen an anderen Standorten rund 1,5 Milliarden Euro. Die Stadt Magdeburg hofft demnach möglicherweise auf ähnliche Summen durch die Gewerbesteuer. Doch nun hat der US-Konzern bekanntgegeben, dass mit dem Bau einer Chipfabrik in Magdeburg frühestens in zwei Jahren begonnen werden könne. Intel kämpft mit Verlusten und hat ein Sparprogramm eingeleitet.
Das spielt zumindest denjenigen in die Karten, die den Flugplatz erhalten wollen. Dazu zählen nicht nur Privatpiloten, Vereine und Flugschulen, sondern auch etliche Unternehmen aus der Luftfahrt. Es bleibt also abzuwarten, ob das Thema nicht schon bald wieder auf der Agenda steht.
Text: Dirk Oberländer & Isabella Sauer
- Flugplatz Schwarzheide
- Aero-Club Schwarzheide