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Wie Diesel-Flugmotoren von Continental Aerospace Technologies produziert werden

Der Flugmotorenhersteller Continental entwickelt und produziert seine beliebten Diesel-Triebwerke in Deutschland. Wir haben die Werke besichtigt und besondere Einblicke bekommen.

Von Isabella Sauer
Geordnete Reihenfolge: Mitarbeiter Max Reinhold verschraubt einen Zylinderkopf mit dem Block.
Geordnete Reihenfolge: Mitarbeiter Max Reinhold verschraubt einen Zylinderkopf mit dem Block. Bild: Lucas Böckler

C für Continental, D für Diesel: CD-135, CD-155 und CD-300 – diese Abkürzungen kennen Privatpiloten. Selbst ich als Flugschülerin habe schnell gelernt, dass es hierbei um Diesel-Motoren für die Allgemeine Luftfahrt von Continental Aerospace Technologies geht. Die dazugehörigen Zahlen sind beeindruckend: Mehr als 7500 Triebwerke wurden bisher produziert und ausgeliefert, mehr als 2000 Motoren sind heute in Betrieb und haben mehr als zehn Millionen Betriebsstunden absolviert. Die Motorenserie hat mittlerweile Motoren mit einer Leistung von 135 PS bis zu 300 PS: Grund genug, das Werk von Continental zu besuchen und der Frage nachzugehen: Wie aufwendig ist es, einen Diesel-Motor zu produzieren?

Doch zuerst ein paar Fakten zum Unternehmen. Continental verfügt in Deutschland über zwei Produktionsstandorte, an denen die Diesel-Motoren hergestellt werden: in St. Egidien (Sachsen) und in Altenburg (Thüringen). In Hamburg hat die Entwicklungsabteilung für Software und Elektronik ihre Heimat. Ein weiteres Werk des Unternehmens befindet sich wiederum in Mobile im US-Bundesstaat Alabama. Hier werden ausschließlich vier Baureihen zertifizierter neuer und überholter Avgas-Motoren gefertigt. Die Benzinmotoren haben eine Leistung von 100 PS bis 375 PS.

Werksführung bei Continental Aerospace Technologies

Ein Blick zurück nach Deutschland, denn hier beginnt unsere Werksführung am Standort Altenburg, direkt am Flughafen Altenburg-Nobitz (EDAC). Markus Becker, Head of Training, steht uns Rede und Antwort. Er ist selbst Privatpilot und arbeitet seit 2002 bei Continental. Becker erklärt uns, warum es die Firma hierhin verschlagen hat: »Altenburg ist einer der ältesten Flugplätze in Deutschland, offiziell eröffnet wurde er 1913.« Noch dazu sei der Flugplatz abgelegen, was für Continental aufgrund der vielen Flugtests gut ist. 

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In der großen, lichtdurchfluteten Halle, die eine Fläche von rund 3100 Quadratmetern misst, sind im ersten Drittel Regale mit Produktionsmaterial bis zur Decke gestapelt. Weiter geht es zur Flugtestabteilung, in der mehrere Flugzeuge wie eine Cessna 172 bereitstehen. Besonders praktisch: eine Art Hangartür öffnet sich von hier aus für den direkten Zugang zum Flugplatz. Markus Becker sagt: »Egal ob es sich um einen Produktprototypen oder um Anpassungen und Verbesserungen bestehender Konstruktionen handelt, hier in Altenburg wird fleißig getestet.«

Luftfahrtschweißer sind rare Experten

Doch damit nicht genug, direkt neben den Testflugzeugen schließt sich eine kleine Abteilung an, die sich »Kitmontage« nennt. Hier werden Bausätze für den Einbau eines Jet-A-Triebwerks zusammengestellt. Wir gehen weiter in die Schweißerei, wo wir auf René Engelhardt treffen. Konzentriert ist er bei der Arbeit, klappt sein Gesichtsschutzvisier herunter und schweißt einen kleinen Hebel an einen Turboladerabgaskrümmer, der zuvor in St. Egidien maschinell in einer Fräsmaschine bearbeitet wurde. Während wir zuschauen, erklärt Markus Becker, dass dieser Hebel eine Klappe steuert, mit der der Abgasstrom gelenkt wird. Da ist echte Millimeterarbeit gefragt! Für mich besonders interessant ist, dass es in Deutschland nur noch rund 20 Luftfahrtschweißer gibt. Er selbst habe die Lizenz für zwei Materialien: Aluminium und Edelstahl. Alle zwei Jahre müsse er zu einer Wiederholungsprüfung nach Berlin. Ich bin beeindruckt und sehe ihm an, wie gern er seinen Job macht – auch nach 20 Jahren.

Hoch konzentriert: René Engelhardt ist seit mehr als 20 Jahren bei Continental als Luftfahrtschweißer tätig.Hoch konzentriert: René Engelhardt ist seit mehr als 20 Jahren bei Continental als Luftfahrtschweißer tätig.
Hoch konzentriert:  René Engelhardt ist seit mehr als 20 Jahren bei Continental als Luftfahrtschweißer tätig. Foto: Lucas Böckler

Wir gehen an der elektronischen Teilefertigung vorbei, wo Mitarbeiter unter anderem die FADEC-Einheiten (Full Authority Digital Engine Control) bauen, programmieren und testen, die die Jet-A-Kolbentriebwerke steuern. »Die FADEC überwacht und reguliert etwa Drehzahl und Ladedruck, so dass der Antrieb optimal arbeitet und möglichst wenig Treibstoff verbraucht«, sagt Becker und hält vor einem kleinen Schrank mit Glasscheibe an.

Eine FADEC ist am Triebwerk installiert und muss auch bei extremen Temperaturen, Feuchtigkeit, Vibrationen oder in salzhaltiger Luft verlässlich funktionieren. »Deswegen führen wir Tests durch, wie hier, wo vier FADECs gleichzeitig Temperaturen von –35 bis 70 Grad Celsius aushalten müssen. Wir simulieren Bedingungen des Echtbetriebs und stellen somit sicher, dass die Bauelemente alle Anforderungen unserer Kunden erfüllen«, so der Ausbildungsleiter. Jede FADEC muss sich einem vierstündigen Test unterziehen.

In St. Egidien sind die meisten Cotinental-Mitarbeiter tätig

Ortswechsel: Etwa 20 Minuten mit dem Auto entfernt, liegt St. Egidien. Der Großteil der knapp 200 Mitarbeitenden arbeitet in diesem Werk auf einer Fläche von rund 5900 Quadratmetern. Dieser Standort beherbergt alle Bereiche von der Produktion (Motorenentwicklung, -montage und -prüfung) über die Qualitätssicherung, den Vertrieb, Service und Vertrieb, technische Schulung, Buchhaltung, Personalabteilung, Einkauf und Lagerung. »Continental kann hier sogar Motorkomponenten für Avgas-Motoren herstellen, beispielsweise Kurbelwellen und Nockenwellen«, sagt Markus Becker, als wir in die Produktionshalle eintreten, in der verschiedenste Maschinen für einen ordentlichen Geräuschpegel sorgen. 

Ganz schön viel zu sehen! Online-Chefredakteurin und Flugschülerin Isabella Sauer hat sich von Markus Becker, Head of Training, die beiden Continental-Werke zeigen lassen. Ganz schön viel zu sehen! Online-Chefredakteurin und Flugschülerin Isabella Sauer hat sich von Markus Becker, Head of Training, die beiden Continental-Werke zeigen lassen.
Ganz schön viel zu sehen! Online-Chefredakteurin und Flugschülerin Isabella Sauer hat sich von Markus Becker, Head of Training, die beiden Continental-Werke zeigen lassen. Foto: Lucas Böckler

Was in St. Egidien in einer einzigen, großen Halle vonstatten geht, beeindruckt mich sehr. In vielen einzelnen Arbeitsschritten entsteht am Ende ein Diesel-Flugmotor – echte Handarbeit und hochmoderne Technologien treffen aufeinander. Die einzelnen Prozesse müssen genau geplant und abgestimmt sein, Qualität und somit Sicherheit stehen dabei immer im Vordergrund. Für die Produktion  der Triebwerke hat Continental die japanische Kanban-Methode übernommen. Die dürfte den meisten aus der Autoindustrie bekannt sein. 

Welchen Vorteil hat die japanische Kanban-Methode?

Ein Vorteil der Methode: Sie ermöglicht eine vollständige Rückverfolgung aller in jedem Motor verwendeten Komponenten und erfasst und prüft alle Montagemaßnahme und -parameter, um die Einhaltung der Konstruktionsspezifikationen zu gewährleisten, getreu dem Motto: ein Mechaniker, ein Motor. So ist auf dem Weg eines Triebwerks von einer Fertigungsstation zur anderen immer nur eine Person für den Bau des Triebwerks verantwortlich und begleitet es bis zum Abschluss. 

Wir stehen vor einem Kanban-Arbeitstisch, Mitarbeiter Max Reinhold ist gerade an Workstation zehn angekommen. Hier werden die Zylinderköpfe mit dem Block verschraubt, eine Art riesiger Akkuschrauber kommt dabei zum Einsatz. Der junge Mann erzählt, dass er erst seit acht Wochen bei Continental arbeitet, es ihm aber schon jetzt viel Spaß mache. Zuvor habe er im Autohaus als Kfz-Meister gearbeitet. Das passt, wenn man die Geschichte der Dieselsparte von Continental kennt, ganz gut. Denn einst hieß das Unternehmen Thielert Aircraft Engines, war auf Automobilmotoren spezialisiert und fertigte Hochleistungsmotoren für den Motorrennsport. Seit 2004 liegt die Zertifizierung als Instandhaltungsbetrieb für Kolbenflugmotoren, Triebwerksintegration und Propellersteuerungen vor. 

Riesige Fräs- und Drehwerkzeuge ermöglichen eigene Teilefertigung

Als nächstes kommen wir am CNC-Dreh-Fräs-Zentrum vorbei, riesige Fräs- und Drehwerkzeuge kommen zum Einsatz, die eine eigene Teilefertigung ermöglichen. Insgesamt sind 3500 Teile bei Continental in der eigenen Fertigung, etwa 3000 werden eingekauft. Gerade wird ein geschmiedeter Kurbelwellen-Rohling in einer »M60« gleichzeitig gedreht und gefräst. Ein solcher Vorgang dauert 90 Minuten. Anschließend wandert die Kurbelwelle in die Härtung, dann in die Schleiferei. Beim Blick durch das kleine Fenster der rießigen Maschine lässt sich die eingespannte Kurbelwelle erahnen. Während des Vorgangs spritzt eine weiße Flüssigkeit an die Scheibe. 

Blick auf den Motorprüfstand Der Operator bedient einen Leistungshebel und testet den Flugmotor auf verschiedene Werte, wie zum Beispiel den Kraftstoffverbrauch.Blick auf den Motorprüfstand Der Operator bedient einen Leistungshebel und testet den Flugmotor auf verschiedene Werte, wie zum Beispiel den Kraftstoffverbrauch.
Blick auf den Motorprüfstand  Der Operator bedient  einen Leistungshebel und testet den Flugmotor auf verschiedene Werte, wie zum Beispiel den Kraftstoffverbrauch. Foto: Lucas Böckler

Als nächstes passieren wir eine Tür, hinter der sich die »heiligen« Motorenprüfstände befinden. In dem Raum gibt es Arbeitsplätze mit Computer. Wer dort Platz nimmt, hat Blick durch ein Fenster auf einen Motor und kann die Leistung mittels Hebel bedienen. Hier werden Messwerte etwa zu Kraftstoffverbrauch, Abgas, Geräusch oder Temperaturverhalten erfasst. So wird die Einhaltung etlicher Sollwerte geprüft oder die Optimierung von Eigenschaften, wie dem Energieverbrauch, in einem Entwicklungsprozess . Jeder Motor ist für cirka eine Stunde auf dem Prüfstand, danach ist er betriebsfertig.

Was passiert bei der Qualitätskontrolle?

Zum Schluss unseres Rundgangs werfen wir einen Blick in die Qualitätskontrolle. In diesem klimatisierten Raum ist es ruhig, er erinnert optisch an ein Labor. Nur das Hin- und Hersausen von CNC-Koordinaten- und Orbitalmessmaschinen ist zu hören. Während ich fasziniert zuschaue, sagt Markus Becker: »Diese 3D-Messmaschine prüft die Zylinderköpfe aus der Fertigung. War die Fertigung korrekt, passen die Maße?«

Nach mehreren Stunden ist mir klar, dass ich am heutigen Tag einmalige Einblicke in die Flugmotoren-Produktion erhalten habe. Bis zum fertigen Triebwerk müssen unzählige Arbeitsschritte präzise und in einer genauen Reihenfolge vollzogen werden. Fehler sind da nicht erlaubt. Also, Hut ab! 

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Über den Autor
Isabella Sauer

Isabella Sauer ist Jahrgang 1991, studierte in Bamberg Kommunikationswissenschaft und absolvierte anschließend ein Volontariat bei Auto Bild. Seit ihrer Jugend ist sie journalistisch tätig und arbeitete für große Verlagshäuser, darunter Axel Springer und die Funke Mediengruppe. Print, Digital, Social Media - für Isabella hat jeder Inhalt das Potenzial, vielfältig aufbereitet zu werden. Und wie kam sie zum fliegermagazin? Das Thema Mobilität interessierte sie immer schon sehr. Ob Auto, Bahn, Camper, Airliner oder Fahrrad: Die Welt lässt sich aus vielen Perspektiven entdecken. Nun geht es für Isabella Sauer in die Luft. Seit März 2023 ist sie PPL-Flugschülerin und freut sich schon darauf, sich in ein neues Fachgebiet einzuarbeiten.

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