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Duxford Flying Legends 2012 – Historische Airshow in England

„Du siehst aus wie ein Kind im Süßigkeitenladen!“ Stimmt genau – der freundliche Mitarbeiter der Duxford Airshow hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Bei dieser Fülle an historischen Flugzeugen kommen Besucher aus dem Staunen nicht mehr heraus

Von Redaktion

Schon lange wurde mir von anderen Piloten von der alljährlichen Flugschau in England mit ihren „fliegenden Legenden“ vorgeschwärmt. Nach zwölfjährigem Pilotendasein bin ich jetzt endlich auch einmal dabei und stehe mittendrin. Einige Piloten, Fluglehrer und -schüler sowie Mitflieger vom Flugplatz Borkenberge hatten diesen Ausflug mit zwei Cessna 172 schon seit geraumer Zeit geplant. Eine Besatzung benötigte allerdings noch Unterstützung mit dem englischen Funkverkehr – so kam ich ins Spiel. Nach sechs Jahren Fliegen im englischsprachigen Ausland würde das eine leichte Übung für mich sein, und der lang ersehnte Traum vom Besuch der Flying Legends in Duxford wurde endlich wahr.

Duxford ist der am besten erhaltene Flugplatz aus den Zeiten des Zweiten Weltkrieges im Vereinigten Königreich. Unbedingt sollte man sich die Conservation Hall ansehen, in der die aktuellen Restaurierungsprojekte des Imperial War Museums (IWM) stehen. Einer der jüngeren Neuzugänge ist der Senkrechtstarter Harrier, der bei der britischen Luftwaffe und Marine mittlerweile ausgemustert worden ist.

Sportlich: Wingwalking als Formation zeigt derzeit nur das Team von Breitling (Foto: Heike Schweigert)

Die Flying Legends sind nur ein Teil des Jahresprogramms des IWM – wenn auch ein wichtiger. Zum nächsten Frühjahr ist eine weitere permamente Ausstellung zum Thema „historisches Duxford“ geplant. Rekonstruiert wird unter anderem das „Watch Office“, in der zu Kriegszeiten die An- und Abflüge dokumentiert wurden. Ein Trip hierhin lohnt sich durchaus auch außerhalb der großen Airshows.Bene, der Fluglehrer in der anderen C172, besorgte die VFR+GPS-Karten für die Strecke über Holland, Belgien und den Ärmelkanal nach England. Für seine Schüler war es eine gute Übung, den für diese Strecke umfangreichen Flugdurchführungsplan auszuarbeiten. Auch ich hatte mich mit dem Kartenmaterial vertraut gemacht und die vielen Frequenzen herausgeschrieben.

Die Vorhersage verhieß gut fliegbares Wetter, und so machten wir uns am Freitagvormittag auf den Weg von Borkenberge gen Fowlmere. Fowlmere ist ein Grasplatz acht Meilen von Duxford entfernt: Dort darf man auch zelten, was in Duxford während der Flugtage nicht möglich ist – ein guter Grund, hier die Basis zu errichten. Die Leute am Flugplatz in Fowlmere sind bestens auf die „Invasion“ vorbereitet: Jedes Jahr fliegen zwischen 30 und 50 Maschinen überwiegend aus Deutschland, aber auch anderen europäischen Ländern hierher, um über das Wochenende die Flying Legends zu sehen. Die Camper werden in Fowlmere mit Frühstück versorgt und können den eigens für dieses Wochenende organisierten Shuttle zwischen den Plätzen nutzen. Die Atmosphäre vor Ort ist toll, man ist hier überaus entspannt und hilfsbereit.

Beim Hinflug über Holland haben wir etwas Regen und nicht so gute Sicht. Die Wolkenuntergrenze drückt uns auf 2000 Fuß, aber ab dem Kanal reißt der Himmel wie bestellt auf. Mit angelegten Schwimmwesten steigen wir auf 4000 Fuß. An der Küste Englands angekommen, sinken wir wieder auf 1500 Fuß, um unter den Kontrollzonen der verkehrsreichen Plätze Stansted und Heathrow zu bleiben. Einen Blick auf die Skyline von London erhaschen wir leider nicht, dort prasselt ein Regenschauer herunter, als wir vorbeifliegen.

Nur an wenigen Orten gibt es flugbereite Warbirds in dieser Fülle

Nach der Landung in Fowlmere bauen die Jungs gleich ihre Zelte neben den Flugzeugen auf. Ich mache mich auf den Weg nach Cambridge, um dort mein Bed & Breakfast zu beziehen – so viel Luxus muss sein. Ein Plane-Spotter nimmt mich im Auto mit bis zum nächsten Park & Ride-Platz, von dort komme ich weiter mit dem Bus in die Stadt. Schlüssel abgeholt, Tasche abgestellt – auf ins pulsierende Leben des kleinen Städtchens! Ein wunderschöner Ort überrascht mich hier mit Gondeln wie in Venedig, Kirchen und Fahrradfahrern wie in Münster und vielen „graduation parties“, den Abschlussfeiern der Studenten, die zufälligerweise am selben Wochenende stattfinden. An erster Stelle auf meinem Plan steht der legendäre Eagle Pub in der 8 Benet Street. Dort sollen sich Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg an der Decke verewigt haben. Das will ich sehen und hoffe, im Pub noch mehr Flieger anzutreffen.

Die Kneipe ist brechend voll, die diversen Räume scheinen so nach und nach angebaut worden zu sein. Ich frage einen Kellner nach den Signaturen der Piloten. Er grinst mich an und verweist auf den hintersten Raum. Tatsächlich: viel Gekritzel an der Decke, Fliegerbilder, Propeller und sonstige Utensilien entlarven die Fliegerkneipe. Mittlerweile hab ich Hunger, quetsche mich auf einen freien Stuhl, und schon bin ich für den Rest des Abends in interessante Gespräche rund ums Fliegen verwickelt, mit Briten, Iren und sogar Norwegern: Alle sind aus dem gleichen Grund hierher gekommen, sie alle wollen an den nächsten beiden Tagen zu den Flying Legends. Auch ich kann es kaum erwarten und fiebere dem nächsten Morgen entgegen.

Auf dem Trockenen: Replikat des Sikorsky-Flugboots S-38 (Foto: Heike Schweigert)

Dann ist es soweit. Wer noch nie ein solches Fly-in besucht hat, ist von der Fülle an historischen Maschinen einfach nur überwältigt. Buchstäblich fliegende Legenden. Neben der Lockheed P-38 Lightning der Flying Bulls sowie zehn Spitfire und vier P-51 Mustang entdecke ich eine bullige Chance Vought F4U-4 Corsair. Dann diverse Yak, drei Sea Fury, zwei Staggerwing, eine Grumman Bearcat, die mächtige Boeing B-17 Flying Fortress – fast schon zu viel, um alles gleich zu erfassen. Ihr Flugschau-Debut hat in diesem Jahr die P-47G Thunderbolt namens „Snafu“, ein einsitziger Jagdbomber aus der Fighter´s Collection. Er wurde sechs Jahre lang restauriert und ist die erste Thunderbolt am englischen Himmel seit Herbst 2006. Zum ersten Mal dabei ist auch die Sikorsky S-38, ein zweimotoriges, achtsitziges Amphibienflugzeug aus den USA, das dem Deutschen Tom Schrade gehört. Ein echter Hingucker, besonders durch die auffällige Lackierung im Zebrastreifendesign.

Die historischen Maschinen am Boden zu bewundern ist eine Sache – sie in der Luft zu sehen, zu hören und zu erleben eine ganz andere. Genau das macht den Reiz der Flying Legends aus, denn in dieser Fülle sind flugbereite Warbirds nur an wenigen Stellen der Welt zu finden. Beeindruckt bin ich von den Breiling Wingwalkers. Es ist das weltweit einzige Team, das seine akrobatischen Einlagen auf und zwischen den Tragflächen im Formationsflug zeigt. Die beiden Boeing Stearman mit jeweils einer jungen Frau auf der Fläche fliegen Steilkurven, Rollen und Loops, während die Wingwalkerinnen Handstände und andere Kunststücke machen und dem Publikum dabei immer wieder zuwinken. Fasziniert schaue ich den knallorange-farbenen Flugzeugen nach. Laut Kommentator gibt es eine lange Warteliste für Frauen, die die jetzigen Wingwalkerinnen gerne ablösen möchten. Stationiert sind sie in Rendcomb, England.

Die Flying Legends sorgen für ein historisches Ambiente – eine Zeitreise

Etwas für mich komplett Neues sehe ich am Vormittag in einem abgegrenzten Bereich im Freien. Verschiedene Motoren mit Propeller sind auf Rollgestellen montiert und werden von den Besuchern, die ganz nah herangehen können, bestaunt. Etwas später höre ich lautes Motorengeräusch aus dieser Richtung und eile wieder dorthin: Die Zuschauer und Zuhörer haben sich nun außerhalb der Absperrung versammelt, während die Mitarbeiter des Museums einen Motor nach dem nächsten anwerfen und laufen lassen. Der Andrang ringsherum ist riesig: Alle wollen den dröhnenden Sound von Stern- und Reihenmotoren hören! Ein schöner Kontrapunkt zum für meinen Geschmack etwas zu ruhigen Kommentar der beiden Moderatoren, die während der Airshow von ihrer Bühne die Zuschauer mit Hintergrundinformationen zu Flugzeugen und ihren Piloten versorgen. Eine musikalische Untermalung mit Songs aus der damaligen Zeit wäre vielleicht auch noch eine Idee für zukunftige Shows – andererseits gibt es auch Puristen, die sich am liebsten ganz ohne Kommentar oder Musik am Klang der Triebwerke berauschen. Gar nicht so leicht, es allen recht zu machen.


Stimmungskanone: Laiendarsteller sorgen in Duxford für das passende Ambiente
(Foto: Heike Schweigert)

Am zweiten Tag wiederholt sich das Programm, was eine gute Gelegenheit ist, sich das gewaltige Museum anzusehen: Duxford ist eine Außenstelle des Imperial War Museum in London, und neben historischen Kriegsflugzeugen gehören auch Land- und Seefahrzeuge sowie andere militärische Exponate zu den Sehenswürdigkeiten. Nicht zuletzt sind es die alten Hangars selbst, die perfekt zur Atmosphäre der dreißiger und vierziger Jahre beitragen, und dennoch eine stimmige Verbindung eingehen zu den futuristisch anmutenden neuen Ausstellungshallen mit ihren großen Glasfronten, in denen mehr als 200 Luftfahrzeuge gezeigt werden.

Unser Rückflug ging flott mit durchschnittlich zehn Knoten Rückenwind. Die Kanalüberquerung war unspektakulär, und nach zweieinhalb Stunden waren wir alle schon wieder in Borkenberge, wo uns zwei Polizisten erwarteten. Sie kontrollierten die Personalausweise, wir packten aus, vertäuten die Flugzeuge und ließen den Nachmittag feierlich ausklingen: Bene hatte Geburtstag, und Freunde von ihm erwarteten unsere Ankunft mit Kaffee und Kuchen. Ein perfektes Wochenende, nur ging alles viel zu schnell vorbei. Beim nächsten Mal bringe ich mehr Zeit mit – für Flugschau, das Museum und die hübsche Stadt Cambridge.

Text und Fotos: Heike Schweigert, fliegermagazin 9/2012

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