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Gebirgsfliegertreffen in Spanien: Mit der UL-Savage in die Pyrenäen

Dramatische Gebirgsformationen, mächtige Gipfelgrate 
und eine ungezähmte Natur – das sind die Pyrenäen, eine 
der ursprünglichsten Landschaften Europas

Von Redaktion

Ein rotes Lämpchen leuchtet warnend im Instrumentenpanel auf. Die Spritanzeige! Wir haben nur noch für maximal 25 Minuten Treibstoff. Bis zum Ziel bräuchten wir laut Satellitennavigation aber noch 28 Minuten. Meine Kehle fühlt sich an wie 
trockenes Stroh. Wir müssen deutlich mehr Sprit verbraucht haben als bei der Flugvorbereitung geplant. Sollte unser Pfingstausflug in die spanischen Pyrenäen etwa mit einer Außenlandung enden? 


Verlässliche Begleiter: Copilotin Petra Nöckel auf dem hinteren Sitz der Savage im französischen St. Roch Mayère (Foto: Martin Kienzer)

Seit meinem ersten Italien-Rundflug (fliegermagazin 12/2004) zieht es mich jedes Jahr mindestens einmal auf eine größere Tour durch Südeuropa. Als Mitglied der Deutschen Gebirgspilotenvereinigung (DGPV), des österreichischen Gebirgspiloten-Vereins (ÖGPV) und der Association Française des Pilotes de Montagne (AFPM) ziehen mich die Gebirge Europas magisch an. Diesmal sind die Pyrenäen mein Ziel. Marlies Campi, die Präsidentin der European Mountain Pilots (EMP), hat uns zu sich nach Castejón de Sos eingeladen. Gleichzeitig findet dort das jährliche Pfingsttreffen der EMP statt.

Drehzahl zurück auf 4500 Umdrehungen – jetzt sinkt die Savage mit etwa einem Meter pro Sekunde.

Meine Copilotin Petra Nöckel will die Schönheit der Pyrenäen auch in bewegten Bildern festhalten. Neben unserem bescheidenen Handgepäck haben wir mehrere Kameras sowie Akkus, Ladekabel, diverse Speichermedien und auch ein großes Stativ dabei, das mit Kabelbindern zwischen unseren Köpfen und der oberen Cockpitverglasung festgemacht ist. Wir sind unterwegs auf dem letzten Streckenabschnitt von unserem Heimatflugplatz Eggenfelden nach Castejón de Sos nahe der französisch-spanischen Grenze im Hochgebirge. Der letzte Rest Benzin, der noch in unseren Tanks schwappt, reicht nie und nimmer zu unserem Zielflugplatz – den kenne ich noch dazu nur von Google Earth. Unser Taildragger, eine Savage, die ich erst im letzten Jahr gebaut habe, ist voll beladen, und wir fliegen hoch über den Zweitausendern der französischen Pyrenäen.

Der Bordcomputer zeigt 20.45 Uhr an. Die Sonne steht zwar noch dreifingerbreit über dem Horizont, aber die Berge lassen kaum noch Licht in die Gebirgstäler. Wir müssen einen anderen Flugplatz finden, denn unter uns wird es schon dunkel. Ich suche im GPS hastig den Flugplatz Bagnères-de-Luchon, den ich vor zwei Jahren bei einem Gebirgsfliegertreffen besucht habe. Es sind noch 20 Minuten oder 44 Kilometer bis dorthin. Das könnte knapp zu schaffen sein. Wir haben zwar kaum noch Sprit in den Tanks, aber mehr als 9000 Fuß unter den Flügeln – die sind auch notwendig, um die Gipfelgrate zu überqueren. Ich nehme die Drehzahl zurück auf 4500 Umdrehungen. Jetzt sinkt die Savage mit etwa einem Meter pro Sekunde. Zwischen unserem gelben Hochdecker und Luchon liegen noch zwei Bergrücken mit über 6000 Fuß hohen Gipfeln, schneller können wir daher also noch nicht sinken.

Auf der Suche nach dem Flugplatz: Außenlandung zwischen den Bergen?

Die Ebenen bei Toulouse sind schon zu weit weg. Ich fliege ganz behutsam mit wenig Energieeinsatz und schaue ständig nach Landemöglichkeiten in den Tälern. Im Moment habe ich keinerlei Gespür dafür, wie viel Sprit wir brauchen, und rechne jederzeit mit rauem Motorlauf – das wäre das finale Zeichen, dass die Latte innerhalb kurzer Zeit steht. Ich muss mich zwingen, Ruhe zu bewahren. Meine Knie werden weich, alle Sinne sind aufs Äußerste angespannt: Die Ohren lauschen dem monotonen Surren des Rotax, mit den Augen scanne ich die Gebirgslandschaft und „sauge“ mich an den wenigen dunklen Grünflächen in den schattigen Tälern fest. In meinem Gehirn spiele ich schon den Ablauf einer Außenlandung durch, der mir durch langjähriges Segelfliegen sehr vertraut ist. Aber ich verdränge den Gedanken wieder.

Gebirgsfliegerparadies: Cessna 182 mit spanischem Kennzeichen auf dem Flugplatz Bagnères- de-Luchon, im Hintergrund die über 9000 Fuß hohen Gipfel der französischen Midi-Pyrénées (Foto: Martin Kienzer)

Im Cockpit ist nur der Motor zu hören. Meine Copilotin Petra auf dem hinteren Sitz der Savage schweigt. Noch ein Bergrücken trennt uns von der Ausweichpiste, es sind die Hausberge von Luchon. Von uns bis zu den Hängen sind es gerade noch geschätzte 100 Meter. Wenn jetzt der Motor streikte, würde ich versuchen, die Berge zu umfliegen. Plötzlich liegt fast senkrecht unter uns der Aérogare Luchon, der Luftbahnhof von Luchon – ein sehr bildhafter Name für diesen Ort. Er kommt wie ein Geschenk des Himmels. Wir haben jetzt noch 5000 Fuß unter den Flügeln, die ich wegen der zunehmenden Dunkelheit rasch, aber genüsslich in einem Slip abbaue. Was für eine Verschwendung von wertvollen Höhenmetern. Dabei fällt eine tonnenschwere Last von mir ab. Wir haben es geschafft. Im Reservebehälter sind noch etwa 1,5 Liter Benzin. Das hätte bestenfalls noch für fünf bis sieben Minuten gereicht.

Hoher Spritverbrauch der Savage – das Ventil war nicht dicht!

Bei der Suche nach der Ursache des hohen Spritverbrauchs bemerke ich, dass das Ventil für die Tankdrainage tropft. Ich hatte es nach dem letzten Tankstopp in Montélimar geöffnet, um etwas Sprit abzulassen, da die Tanks randvoll waren: Ich hatte Angst, dass beim Start das Benzin überlaufen und die Scheiben beschädigen könnte. Jetzt wird mir auch klar, warum es nach dem Tankstopp in Montélimar immer wieder leicht nach Benzin roch: Das Ventil war nicht dicht!

Rückblick. Begonnen hatte unserer Reise in Eggenfelden im südlichen Niederbayern. Von dort ging es zunächst in die Schweiz zu unserem ersten Etappenziel, dem kleinen Flugplatz Beromünster. Die Piste liegt 20 Kilometer nordwestlich des Vierwaldstätter Sees. Nach einem kurzen Tankstopp dann weiter nach Frankreich zum Flugplatz Sallanches. Unser Freund Oliver Flahaut betreibt dort eine UL-Flugschule und hat mich vor Jahren in die Anflugverfahren der französischen Altiports und Altisurfaces in den Hochsavoyen eingewiesen. Unser nächstes Ziel war anschließend die Piste von St. Roch Mayère, die gleich oberhalb von Sallanches in einer Höhe von rund 5100 Fuß liegt und unter Gebirgspiloten als eine der schönsten Altisurfaces in Frankreich gilt. Wie die meisten Gebirgsplätze ist dieser Platz eine One-way-Piste, also ohne die Möglichkeit, unterhalb einer bestimmten Entscheidungshöhe im Final durchzustarten.

One-way-Piste: ohne Möglichkeit, unterhalb einer bestimmten Entscheidungshöhe im Final durchzustarten

Dann sind wir weiter nach Montélimar geflogen, wo wir die zwei Flächentanks der Savage wieder randvoll mit Mogas gefüllt haben. Mit den 21-Zoll-Bushwheels beträgt die Reisegeschwindigkeit nur 130 km/h, und so erschien uns die Strecke über das Massif Central fast unendlich. Unser eigentliches Tagesziel war jenes Castejón de Sos, das wir aber wegen des Spritproblems nicht wie geplant erreichen sollten – fast hätte uns der Zwischenfall das vorzeitige Ende dieser Reise beschert. Nach unserer unplanmäßigen Landung in Luchon müssen wir am nächsten Morgen früh los, denn wir wollen ja die spanischen Pyrenäen überqueren, die mit über 3000 Metern Höhe unmittelbar vor uns liegen und auf der Route nach Süden wie eine Wand in den Himmel ragen.

Verlässliche Begleiter: Copilotin Petra Nöckel auf dem hinteren Sitz der Savage im französischen St. Roch Mayère (Foto: Martin Kienzer)

Ein Taxi bringt uns um 8 Uhr zum Flugplatz von Luchon, aber um diese Uhrzeit ist weit und breit noch niemand zu sehen. Die Erfahrung mit dem Spritmangel am Vorabend sitzt mir noch in den Knochen – deshalb checke ich die Maschine besonders gründlich. Erst gegen 9 Uhr kommt jemand, der die Hallentore aufschiebt. Er hat glücklicherweise auch den Schlüssel zur Tankstelle. Erst um 10 Uhr können wir starten. In Luchon zeigt das Thermometer schon jetzt 27 Grad an. Bei der hohen Beladung unsereres ULs kommen wir nur langsam voran, denn während des Steigflugs müssen wir immer wieder das Gas zurücknehmen, um die Öltemperatur niedrig zu halten. Jetzt zahlt sich wieder meine Segelflugerfahrung aus: Ran an die Berge und an die Hänge, die am günstigsten zur Sonne stehen!

Segelflugerfahrung: Auf der Suche nach Thermik an den Berghängen

Unser Ziel liegt nur etwa 30 Kilometer Luftlinie entfernt. Da ich aber ständig auf der Suche nach Thermikschläuchen bin, dauert der Flug auf die spanische Seite der Pyrenäen mehr als eine Stunde. Endlich erreichen wir doch noch Castejón de Sos. Dort warten bereits Marlies Campi und Angel Ibanez, der Präsident der spanischen Gebirgspiloten, auf uns. Der Flug durch die hohen Berge und teils nahe an den Felsen hatte es in sich; jetzt gönnen wir uns erstmal ein kühles Bier, während eine deftige Paella noch in der Pfanne vor sich hin brutzelt.

Am nächsten Tag fliegen wir dann gemeinsam zum Treffen der Europäischen Gebirgspiloten am neu eröffneten Flugplatz La Seu d’Urgell. Das Gelände liegt auf einem Plateau in 2600 Fuß und hat eine 1300 Meter lange Asphaltpiste. Rund 140 Teilnehmer mit über 60 Maschinen sind in diesem Jahr der Einladung der Spanier gefolgt. Auf keinen Fall darf man sich hier den Coup Geiger entgehen lassen – benannt nach der Schweizer Pilotenlegende Hermann Geiger. Bei dem Wettbewerb wird die beste Ziellandung mit einem Wanderpokal belohnt. Die Piloten steuern dazu mit ihren Maschinen den wohl schönsten Platz in den Pyrenäen an: Coscojuela liegt auf einer Halbinsel inmitten eines Stausees. Nachmittags fliegen wir weiter nach Benabarre, von wo die Teilnehmer mit einem Bus zum wohlverdienten Abendessen abgeholt werden.

Rückflug mit ausreichend Spritreserven

Am Pfingstmontag wollen wir die Rückreise antreten. Diesmal starten wir frühzeitig: Um 8 Uhr heben wir in Benabarre ab und lassen einige Nebelschwaden unter uns zurück. Wir haben einen Marathon von zehn Flugstunden vor uns. Als Gebirgsflieger wählen wir eine Route, die über die schönsten Gipfel führt, um noch einmal diese dramatische Landschaft unter uns vorbei ziehen zu sehen. Als wir abends um 20.28 Uhr, zwei Minuten bevor der Platz schließt, in Eggenfelden auf der Schwelle 09 aufsetzen, haben wir an einem Tag 1320 Kilometer zurückgelegt – inklusive drei Hochalpen-Querungen und zwei Zwischenlandungen zum Auftanken!

Seltene Begegnung: Diese Pou-du-ciel, zu Deutsch Himmelslaus, ist auf einem Altiport in den französischen Hochsavoyen gelandet (Foto: Martin Kienzer)

Das alles konnte nur funktionieren, weil wir gutes Wetter mit leichtem Rückenwind hatten, nur 30 Minuten beim Tanken in Gap-Tallard brauchten und mit zwei vollen Zehn-Liter-Kanistern im Gepäckfach ausgerüstet waren. Beim zweiten Tankstopp in Speziana südöstlich von Mailand haben wir dann nur 15 Minuten gebraucht. Andererseits sind uns aber 20 Minuten verloren gegangen, weil wir zwei Mal ins falsche Alpental eingeflogen sind und wegen aufliegender Bewölkung wieder umdrehen mussten. Aber solche Schwierigkeiten meistern wir nach dieser Tour routiniert und ohne zitternde Knie.

Info: Gebirgsfliegen in Europa

Unter www.europeanmountainpilots.org 
sind zahlreiche Informationen und Links zum Gebirgsfliegen in ganz Europa abrufbar. Weitere Infos gibt es bei der Deutschen 
Gebirgspiloten Vereinigung (DGVP) unter www.dgvp.de.

Text und Fotos: Martin Kienzer, fliegermagazin 7/2010

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