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Vom Bodensee durch Frankreich mit drei ULs

Flüsse und Schlösser, Wein- und Vulkanberge, Meer und Inseln – eine Tour vom Bodensee zur Atlantik-Insel Belle-Île und zurück übers Périgord ist an Vielfalt kaum zu überbieten

Von Redaktion

Delta Mike Foxtrott Kilo Kilo, Skylark-Formation, Ihr Flugplan ist aktiviert. Guten Flug!“ „Vielen Dank Konstanz Info, und tschüss, wir verlassen die Platzrunde und Ihre Frequenz, Kilo Kilo.“ In Ferienlaune, mit vollen Tanks und Cavok für die gesamte Route gehen wir auf Westkurs.

Schon mehrmals hat Ultraleichtflug Konstanz betreute Touren in andere Richtungen unternommen. In Frankreich waren wir mit Kunden an der Côte d’Azur und in der Provence. Jetzt sollte es mal eine andere Gegend sein: die Atlantikküste. Wir hatten von Belle-Île gehört, einer Insel westlich von St. Nazaire, die hierzulande in Pilotenkreisen recht unbekannt ist, aber äußerst reizvoll sein sollte. Zwei Freunde mit ihren Dova Skylarks fanden die Idee ebenfalls spannend; zusammen mit unserer Flugschul-Maschine gleichen Typs ergab sich so eine Dreiergruppe.

Vom See ans Meer: nach dem Start in Konstanz über dem Bodensee, jenseits von See und Rhein liegt die Schweiz. Jetzt geht’s erstmal 600 Kilometer nach Westen bis Blois (Foto: Berndt Stadelhofer)

Über der Bodenseeinsel Reichenau orientieren wir uns am Rhein und steigen zunächst auf 3000 Fuß. Drei Maschinen gleichen Typs und gleicher Performance – da ist es relativ einfach, dicht zusammenzubleiben. Bei Schaffhausen lassen wir uns den Blick auf den Rheinfall natürlich nicht entgehen. Selbst von hier oben wirkt der größte Wasserfall Europas noch imposant – deutlich ist die Gischt zu erkennen, dort wo das Wasser auf 150 Meter Breite in die Tiefe stürzt. Hinter dem VOR Trasadingen, wo der Luftraum C des Flughafens Zürich bereits in 4500 Fuß beginnt, kontaktieren wir Zürich Info. Der Controller meldet sich mit dem üblichen „Grüezi“, dann kommt der freundliche Hinweis, dass wir als Formation mit dem zugeteilten Squawk doch bitte nur einen Transponder schalten sollten. Wir erhalten die Erlaubnis, den Basler Luftraum bei Mulhouse-Habsheim in 6500 Fuß zu durchfliegen. Unser Tagesziel, rund 600 Kilometer vom Ausgangspunkt entfernt, heißt Blois le Breuil.

Bei Mulhouse wechseln wir auf Bâle Info. Wir haben das Elsass erreicht, anschließend überfliegen wir das Burgund – und denken dabei an die köstlichen Tropfen, die auf den endlos erscheinenden Weinbergen unter uns wachsen. Von den zahlreichen Gourmetrestaurants ganz zu schweigen. Westlich von Dijon wechseln wir auf Seine Info. Die Landebahn von Blois kommt in Sicht. Mit der Bitte, unseren Flugplan zu schließen, verabschieden wir uns von Seine Info. Drei Stunden bis Blois – das entspricht der Planung. Die Erfahrung bei solchen Reisen hat uns gelehrt, immer gleich nach der Landung den Flieger vollzutanken; wer weiß, ob am nächsten Morgen jemand da ist, der die Tankstelle bedient. Heute haben wir jedoch gar keine Wahl: Es ist niemand mehr da, der uns Sprit geben könnte. Ein anderer wichtiger Punkt sind Taxi-Telefonnummern; das weiß jeder, der schon mal auf einem menschenleeren Flugplatz gestanden ist und versucht hat, ein Taxi zu organisieren. Aber wir haben schon von zu Hause aus vorgesorgt und uns per Internet Telefonnummern beschafft. Mit einem herbeigerufenen Großraumtaxi fahren wir ins Hotel St. Michel, direkt gegenüber dem prächtigen Schloss Chambord.

»Wie kann man auf den Genuss eines Flugs entlang der Loire und anderer Flüsse verzichten!«

Berndt Stadelhofer

Der abendliche Spaziergang durch den Schlosspark und ein Aperitif mit Blick auf die exzentrische Architektur von Chambord bringt uns ins Schwärmen. Am nächsten Morgen geht’s nach einem üppigen Frühstück per Taxi zurück zum Flugplatz von  Blois.  Heute ist Belle-Île unser Tagesziel, Distanz zirka 360 Kilometer, Flugzeit rund zwei Stunden. Doch erst brauchen wir Sprit. Den bekommt man in Frankreich an vielen Flugplatztankstellen nur per Selbstbedienung mit einer „Carte Club TOTAL“. Besitzt man keine, sollte man immer genügend Bargeld dabeihaben, denn Kredit- oder EC-Karten werden oft nicht akzeptiert. Wir haben Glück und treffen den Chef des UL-Clubs von Blois; er kann die Tanke bedienen und gibt uns Benzin gegen Bares. Ein Wermutstropfen für den 912er Rotax und die Reisekasse: Hier, wie an vielen Orten in Frankreich, bekommt man nur teures Avgas. Nach dem Start nehmen wir nicht in direkter Linie Kurs auf Belle-Île, das wäre unverzeihlich: Wie kann man auf den Genuss eines Fluges entlang der Loire und anderer Flüsse der Region mit ihren imposanten Schlössern und Parks verzichten! Seine Info genehmigt uns die gewünschten Höhen, zunächst 1600 Fuß, später 3000. So gehen wir zunächst auf Südkurs und überfliegen beim Schloss Amboise die Loire.

Atlantik erreicht: nordwestlich von St. Nazaire in 7500 Fuß. Das Tagesziel liegt 65 Kilometer vor der Küste (Foto: Berndt Stadelhofer)

An der weiter südlich fließenden Cher liegt das Brückenschloss Chenonçeaux. Der geometrisch angelegte Park ist aus der Luft eine Augenweide. Um den Luftraum von Tour zu meiden, bleiben wir südlich der Stadt, wo wir den Indre erreichen. Diesem Fluss folgen wir nun nach Westen. Der Blick auf das zauberhafte Wasserschlösschen Azay-le-Rideau ist diesen Schlenker allemal wert. Kurz vor Saumur, wo der Indre in die Loire fließt, ändern wir unseren Kurs auf 280 Grad. Hier übernimmt uns Nantes Info. Die Landschaft wird jetzt immer flacher, in der Ferne erahnt man bereits das Meer. Die Fluglotsen erlauben uns, auf 7500 Fuß zu steigen – Höhe bedeutet Reichweite, die bei einem Flug über Wasser nie schaden kann. Etwas nördlich von St. Nazaire erreichen wir die Küste. Auf direktem Kurs steuern wir Belle-Île an. Zwar wären es aus Norden kommend nur 20 Kilometer über Wasser, aber der Umweg über Quiberon erscheint uns unangemessen. So stehen uns 65 Kilometer übers Meer bevor, also rund 20 Minuten. 7500 Fuß Reiseflughöhe und die vorsichthalber angelegten Schwimmwesten geben uns ein sicheres Gefühl. Außerdem: Woher sollte der Rotax wissen, dass unter uns Wasser ist?

7500 Fuß: Höhe bedeutet Reichweite, die bei einem Flug über Wasser nie schaden kann

Als nach zwei Dritteln der Strecke tief unten die kleine Île de Houat auftaucht, kann man im Dunst bereits den Leuchtturm an der Ostspitze von Belle-Île erkennen. Wir verabschieden uns bei Nantes Info und beginnen mit dem Sinkflug. Belle-Île – die Insel verdient ihren Namen zu Recht: ringsrum Sandstrände im Wechsel mit Steilküste und schroffen Felsen, im Innern helle Felder und satt-grüne Wiesen, das Ganze eingerahmt vom tiefblauen Meer. Zwar weht kräftiger Seitenwind über die Piste, aber 660 Meter Asphalt machen die Landung nicht allzu schwierig. Der Flugleiter freut sich. Es geschieht nicht jeden Tag, dass drei gleiche Maschinen so weit hierher kommen. Die mitgebrachten Bodenanker und Zurrgurte erweisen sich als äußerst nützlich. Der Wind legt kräftig zu – beruhigend zu wissen, dass die Flieger gut gesichert sind.

Wir rufen Pierre an, den Wirt des „La Desirade“. Er holt uns am Flugplatz ab. Sein zauberhaftes kleines Hotel hat einen Pool und ein exzellentes Restaurant, das für seine Meeresfrüchteküche berühmt ist. Außer Champagner und Häppchen zur Begrüßung stehen auch sechs Fahrräder bereit: Pierre meint, wer so weit hierher geflogen sei, solle die Insel unbedingt mit dem Rad erkunden. Und er hat recht – die hübschen kleinen Orte mit bretonischen Namen wie Locmaria oder Sauzon erschließt man sich so am besten. Wir kommen an pittoresken Häuschen vorbei, eingerahmt von riesigen Hortensienbüschen, sehen „Hinkelsteine“ aus grauer Vorzeit, Leuchttürme, Steilküsten mit wunderschönen Buchten und Fischerorte mit urigen Hafenkneipen. Hier könnte man es eine Weile aushalten. Zurück im Hotel lädt uns der beheizte Pool zum Planschen ein. Und dann das Abendessen: frische Austern, dazu ein Glas eisgekühlter Sancerre, köstlicher Fisch, Meeresfrüchte in allen Variationen, Crème Brûlée, hausgemachtes Gebäck zum Espresso – was für ein Leben, einfach wie Gott in Frankreich.

Entschleunigung an Land: Vom Flugzeug aufs Rad – so kann man Belle-Île am besten erkunden (Foto: Berndt Stadelhofer)

Am nächsten Morgen hat sich der Wind gelegt, der Himmel ist stahlblau. Ideales Wetter für die dritte Etappe unserer Tour. Gleich nach dem Start kontaktieren wir Nantes Info und requesten 7500 Fuß für den Flug zum Festland und dann entlang der Küste nach Süden. Das Tagesziel liegt im Périgord, rund 430 Kilometer entfernt: Bergerac. Nach den Loire-Schlössern sind heute die Atlantikinseln das Kontrastprogramm. Wir sinken auf 1000 Fuß und überfliegen die Île de Noirmoutier. Zur rechten im Dunst liegt die Île d’Yeu, zur Linken mündet die Vie ins Meer. Wenig später kommt die Île de Ré in Sicht, und dann erhebt sich zwischen Île d’Aix und Île d’Oléron mitten im Meer die imposante Festung Fort Boyard aus dem Wasser. 1966 wurde dort der gewaltige Showdown des Films „Die Abenteurer“ mit Alain Delon und Lino Ventura gedreht. Über der Île d’Oléron ändern wir den Kurs, um südlich an Cognac vorbei nach Bergerac zu fliegen. Der Aéroport Bergerac Dordogne Périgord ist kontrolliert und wird wegen seiner idealen Lage mitten im Périgord von vielen Charterlinien angeflogen. Der Lotse, freundlich wie immer, erteilt unserer Formation eine Landeerlaubnis zwischen einer 737 von Ryanair und einer ATR von Flybe. Vor dem Start auf Belle-Île hatte ich telefonisch bei einer Autovermietung am Flughafen einen Leihwagen mit Platz für sechs Personen bestellt.

Entschleunigung an Land: Vom Flugzeug aufs Rad

Während die anderen unsere Skylarks tanken, parken und verzurren, übernehme ich das Mietauto. Wir nützen den Nachmittag für einen Besuch der Stadt, die ihre Berühmtheit nicht nur dem Wein, sondern auch dem langnasigen Poeten Cyrano de Bergerac verdankt. Ihm begegnet man in der mittelalterlichen Stadt auf Schritt und Tritt, mal als Statue, dann wieder aus Schokolade oder auf dem Etikett der Foie gras, einer berühmten Gänseleberpastete.

Gegen Abend fahren wir zu einem winzigen Ort namens Naussannes, in dessen Nähe unsere Unterkunft „Le Cariol“ liegt. Der holländische Maler Martijn de Groot hat eine idyllisch gelegene Kartause aus dem 15. Jahrhundert zu einem traumhaft schönen Gästehaus umgebaut. Martijn, den wir bereits von einer früheren Reise kennen, kredenzt uns als Willkommens-Drink den berühmten Monbazillac, einen superben Dessertwein aus der Region, und zeigt uns dann im Atelier seine neuesten Arbeiten. Wir sind beeindruckt. Inzwischen hat Paul, der Koch des Hauses, aus den Köstlichkeiten des Périgord ein Abendessen gezaubert, das dem auf Belle-Île in nichts nachsteht. Der lange Flug, die vielen Eindrücke und das hervorragende Essen lassen nur noch den Wunsch nach einem Bett und langem Schlaf offen. Außer Vogelgezwitscher ist hier kein Laut zu hören.

Mitten im Meer erhebt sich Fort Boyard aus dem Wasser. Die Festung war Schauplatz des Showdowns in dem Film „Die Abenteurer“ (Foto: Berndt Stadelhofer)

Auch wenn es sehr schwer fällt, müssen wir am nächsten Morgen früh aufstehen, denn vor uns liegt die letzte Etappe unserer „Tour de France“: der Heimflug nach Konstanz, 760 Kilometer, etwa vier Stunden. Das Wetter meint es nicht mehr ganz so gut mit uns. Über dem Massiv Central stehen heftige Gewitter. Deshalb folgen wir der Dordogne nur bis Sarlat. Von dort fliegen wir einen Kurs, der uns nördlich an Clermont Ferrand vorbeiführen soll. Auf diese Weise wollen wir das schlechte Wetter umfliegen und darüber hinaus die grasbewachsenen Vulkantrichter der Auvergne sehen. Kurz vor Clermont gehen die Sichten zurück. Wir lassen uns das Flughafenwetter geben: Es ist fliegbar, jedoch nur in geringer Höhe. Der Controller gibt uns eine Freigabe für den Durchflug der Kontrollzone, aber wir sollen uns beeilen. Kaum sind wir durch, bessert sich das Wetter. Wir nehmen Kurs auf Villefranche, nordwestlich von Lyon im Beaujolais, wo wir zwecks Mittagessen und Sprit zwischenlanden; außerdem drückt die Blase.

»Nach den Loire-Schlössern sind heute die Atlantikinseln das Kontrastprogramm«

Berndt Stadelhofer

Während der Flugleiter uns an seinem Computer das Wetter checken lässt, bereitet Jaques, der Wirt der Flughafenkneipe, eine Platte mit den Köstlichkeiten der Region vor. Auf ein Glas Beaujolais müssen wir leider verzichten. Der Jura sieht wettertechnisch gut aus. Wir geben den Flugplan auf und starten. Bis kurz vor Bourg-en-Bresse dürfen wir wegen des Luftraums C von Lyon nicht höher als 4000 Fuß fliegen. Danach steigen wir auf 6500 Fuß und queren den Jura, vorbei am Genfer und am Neuchâteler See, um nördlich von Les Eplatures Kurs aufs VOR Trasadingen zu nehmen. Ab hier ist der Heimflug Routine. „Konstanz Info, Delta Mike Foxtrott Kilo Kilo, Skylark-Formation, fünf Meilen westlich zur Landung.“ „Kilo Kilo, Konstanz Info, wir haben die Piste eins zwei in Betrieb, Ihr Flugplan wird nach der Landung geschlossen.“ Hinter uns liegen rund 2250 Flugkilometer – und unvergessliche Eindrücke, die sich nicht zählen lassen.

Tipps und Infos

Planung: Die Website www.sia.aviation-civile.gouv.fr/ der französischen Luftfahrtbehörde stellt alle Anflugblätter, Notams und Infos über Fugbeschänkungsgebiete tagesaktuell kostenlos zur Verfügung. Das erleichtert die Vorbereitung einer Tour. Piloten sollten sich in Frankreich nicht von den vielen Tieffluggebieten und militärischen Lufträumen abschrecken lassen. Durch die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der FIS-Leute verliert die französische Luftraumstruktur ihre Schrecken. So war es bei der beschriebenen Tour möglich, auf dem gesamten Hinweg die gleiche Höhe zu fliegen – ebenso wie Höhenwechsel, wenn darum gebeten wurde.

Unterkunft: Hotel „St. Michel“ bei Blois: www.saintmichel-chambord.com; Taxi in Blois: Telefon 0033/2/54 78 07 65Hotel „La Desirade“ auf Belle-Île: www.hotel-la-desirade.com; Gästehaus „Le Cariol“ in Naussannes bei Bergerac: www.lecariol.com
Weitere Infos: Ultraleichtflug Konstanz (Organisator), Telefon 07531/924 40, Internet www. ultraleichtflug.de

Text und Fotos: Berndt Stadelhofer, fliegermagazin 11/2011

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