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Von Aschaffenburg nach Jersey: Reise mit drei Kleinflugzeugen zum Ärmelkanal

Jersey hat eine ganz besondere Mischung aus viel französischer und wenig englischer Lebensart. Ein Trip auf die Kanalinsel ist nicht nur fliegerisch ein Leckerbissen

Von Redaktion

Es ist doch wirklich schön hier auf Korsika.“ – Einer unserer Mitflieger prägt dieses Motto unserer Reise. Wir sitzen im „Cock and Bottles“ in Saint Helier – auf der britischen Kanalinsel Jersey. Ursprünglich sollte unser Trip (zu sechst, mit drei Flugzeugen) nämlich nach Korsika gehen, aber die horrenden Hotelpreise dort machten den Plan schnell zunichte. Die „Notlösung“ Jersey erwies sich jedoch als Volltreffer. Warum Jersey? Dafür gibt es gleich mehrere gute Gründe: Erstens sieht die Flugplanung von unserem Startort Aschaffenburg aus bestechend einfach aus: Direktkurs West, 270 Grad, kaum eine Kontrollzone im Weg. Zweitens sprechen die Controller in der nördlichen Hälfte Frankreichs deutlich besser Englisch als ihre Kollegen aus dem Süden.

Drittens ist es ein optischer Hochgenuss, die französische Atlantik-Küste zu erfliegen. Viertens ist der Anflug auf Jersey mit perfekter Radarführung einfach große Klasse, und der Flughafen hat eine sehr gute Infrastruktur. Fünftens Jersey selbst: Die Mischung aus viel französischer und ein bisschen englischer Lebensart hat ihren ganz besonderen Reiz. Jersey war bis in die vierziger Jahre in französischer Hand, was man nicht nur an den teils französischen Straßennamen, sondern auch an der Lebenseinstellung der Jerseyaner und vor allem ihrer Gastronomie merkt. Mit anderen Worten: Auf Jersey kann man richtig gut leben und essen. Abflug an einem Donnerstag Anfang Juli, ab Aschaffenburg, mit einer älteren und einer alten Lady, die aber beide perfekt in Schuss sind: Piper Arrow II, Baujahr 1974, und Cessna 195, Baujahr 1947. Die dritte Maschine, eine Robin DR 400, startet am Freitag von Dortmund aus.

Abflug in Aschaffenburg mit Cessna 195 und Piper PA-28 Arrow II

Trotz des durchwachsenen Wetters sind wir optimistisch und geben den Flugplan für die Zweier-Formation bis Le Havre auf. Wir wollen in einem Rutsch quer durch Frankreich bis zur Küste fliegen, dort auftanken, die Maschinen nochmals checken und dann die kurze Strecke übers Wasser direkt nach Jersey angehen. Doch daraus wird zunächst nichts. Kurz hinter Trier hängen die Wolken so tief, dass wir vor den Ardennen umkehren und in Trier landen. Flugplan also nach einer knappen Stunde schon wieder schließen, mittagessen und warten, bis die dicken Regenschauer durch sind. Kurz vor 17 Uhr gehen wir nochmal zum Turm; zur Sicherheit haben wir schon die Telefonnummern von Pension und Taxi in der Tasche. Der Flugleiter macht uns aber mit einer exzellenten Erklärung der lokalen Wettersituation Hoffnung, dass wir weiterkommen. Also wieder Flugplan aufgeben und los! In 4000 Fuß fliegen wir südlich der Eifel, dann über Luxemburg, Charleville und Rouen in Richtung Küste. Wir haben es mit sieben verschiedenen Controllern zu tun, die uns stets neue Squawks geben, sich aber sehr kooperativ zeigen.

Nicht sie sind es, die den direkten Westkurs verhindern, sondern immer wieder lokale Schauer und Gewitter, die aber gut zu umfliegen sind. Unsere Höhen schwanken deshalb zwischen 1500 und 8500 Fuß; mal sind wir unter, mal über, mal neben den Wolken. Zirka 40 Minuten vor Le Havre lassen wir uns das aktuelle Platzwetter geben. Der Controller macht uns mit „local CBs, thunderstorms, heavy rain and gusty winds“ nicht viel Mut. Wir schließen also unseren Flugplan erneut und landen gegen 20.30 Uhr Ortszeit in Dieppe, etwa 30 Flugminuten nordöstlich von Le Havre. Der gottverlassene Platz ist nicht gerade dazu angetan, hier zu übernachten. Zum Glück reißt der Himmel nach einer halben Stunde und einem kurzen, heftigen Schauer brav wieder auf, und eine weitere halbe Stunde später landen wir bei noch immer starkem Wind, aber ansonsten bestem Wetter in Le Havre. Es ist 21.30 Uhr – zu spät für den Sprung übers Wasser nach Jersey. Der Controller schickt uns hörbar gelangweilt zu einem etwas abgelegenen Abstellplatz. Wir sind nämlich die letzten, die an diesem Abend bei ihm gelandet sind.

Über Frankreich: immer wieder lokale Schauer und Gewitter, die aber gut zu umfliegen sind

Zum Verzurren der Flieger müssen wir uns dicke Betonklötze mühsam von der anderen Ecke des Platzes herankarren, da der Lotse uns partout nicht umparken lässt. Am nächsten Morgen – welch angenehme Überraschung – ganz andere Töne im Funk. Nachdem wir für 1,70 Euro pro Liter getankt und den Flugplan aufgegeben haben, begleitet uns ein äußerst freundlicher Controller in den Abflug und übergibt uns an eine ebenso nette Kollegin in Caen, und das setzt sich über Nimes und Brest Info bis Jersey Approach fort. Von Le Havre aus empfiehlt sich zunächst ein südwestlicher Kurs an die Küste der Normandie. Von dort aus ist es nur ein kurzer Abstecher nach Süden zum Mont Saint Michel mit seinem Kloster und zum Küstenort Saint Malo. Das Gebiet um die Kanalinseln ist vom Boden bis in FL195 Luftraum A, in dem VFR-Flüge eigenlich verboten sind. Aber hier gibt es eine Ausnahmeregelung mit entsprechender Freigabe. Nun läuft es höchst professionell, aber alle bleiben angenehm locker. Als erstes wird unsere Zweier-Formation geschickt aufgelöst: verschiedene Squawks, verschiedene Flughöhen, aber ähnliches Heading.

So geht es 14 Meilen weit in westlicher Richtung am Flughafen vorbei, bevor wir endlich das ersehnte „turn heading 360“ und später „turn heading 090“ für die Piste 09 bekommen. Vor und hinter uns kommen ständig Airliner, doch es bleibt entspannt. Wer allerdings nicht richtig fliegt oder funkt, wird gnadenlos ins Holding geschickt. Wir hören noch eine Delta Kilo im Funk, die dem Lotsen nicht präzise genug ist. Promt erhält der Pilot die knappe Anweisung: „Hold position and altitude, turn 360 left, you are number eight, I call you.“ Der Motorsegler aus Deutschland landet schließlich, als wir unsere Flieger schon längst getankt, festgebunden und entladen haben. Der Wind auf der Bahn 09 ist heftig: Bis 26 Knoten aus 140 Grad. Für die Spornrad-Cessna eine echte Herausforderung, und für die Bugradmaschine auch nicht gerade ein Kinderspiel. Kurz vor der Bahn sind wenigstens die Turbulenzen weg, und wir landen angespannt, aber sicher auf Jersey.

Starker Wind: Für die Spornrad-Cessna eine echte Herausforderung, und für die Bugradmaschine auch nicht gerade ein Kinderspiel


Für die Allgemeine Luftfahrt gibt es im Osten des Platzes eine phantastische Einrichtung: Der Jersey Aero Club organisiert für seine Gäste alles, was sie zum Fliegen und für den Aufenthalt brauchen. Kurz nach der Landung steht bereits ein Tankwagen da und überrascht uns mit wahrhaft paradiesischen, weil steuerfreien Preisen: 1,10 Pfund, das sind rund 1,50 Euro. Die Landung kostet zwar 12 Pfund (zirka 17 Euro), enthält aber bis zu fünf Tage Abstellen. Wir schließen im Aero Club unseren Flugplan, erledigen die Einreiseformalitäten, bezahlen Sprit und Landegebühr, bestellen das Taxi – alles bei der gleichen Person – und sind wenig später unterwegs zu unserem Hotel in Saint Helier. „The Revere“ liegt mitten in der Insel-Metropole Saint Helier und entpuppt sich als liebevoll geführte, charmante und überaus gastliche Bleibe. Eine knappe Stunde später sitzen wir nach einem kurzen Spaziergang durch die rappelvolle Fußgängerzone mit ihren vielen Juwelierläden und Restaurants im „Cock and Bottles“ bei King Prawns mit Chili und riesigen, saftigen Hamburgern.

Am frühen Abend stoßen die Dortmunder zu unserer Vierer-Truppe. Sie sind mit der Robin bei ordentlichem Wetter mit einem Zwischenstopp in Lille direkt nach Jersey gekommen. Das Abendessen in einem der drei Hotel- Restaurants macht uns wieder deutlich, dass wir nicht wirklich in England sind. Jersey ist autonom und nimmt von der „Mutter“ Großbritannien nur das, was Insel und Bewohnern gut tut. Das gilt auch für die Köche der Insel: Die französische Vergangenheit und die Autonomie machen es möglich, dass der Jersey-Lobster oder das Rumpsteak nicht etwa mit undefinierbaren Saucen zugedeckt werden, sondern mit viel Feingefühl dekoriert auf den Tisch kommen. Minzsauce ist eben nicht jedermanns Geschmack. Jersey hat aber auch jenseits der Restaurant-Meile viel zu bieten. Einen guten Überblick gibt es unter www.jersey.com. Unsere Truppe entscheidet sich am Samstag für ein Programm mit wenig Bewegung. Doch selbst so bekommmen wir in Saint Helier noch genug zu sehen. Im alten Hafen ist der enorme Tidenhub von bis zu 14 Metern zu bestaunen.

Die Robin ist bei ordentlichem Wetter mit einem Zwischenstopp in Lille direkt nach Jersey gekommen

Bei Ebbe liegen hier Hunderte von Schiffen auf dem Trockenen; manche auf Stelzen, andere einfach auf dem Rumpf. Im neuen Yachthafen verhindert ein Schleusensystem das Trockenfallen, aber rein und raus kann man auch dort nur bei Hochwasser. Unser Rückflugtag beginnt mit einem äußerst entmutigenden Blick aus dem Fenster: Tiefer Stratus, Regenschauer und ein bestialisch heulender Wind – später erfahren wir, es sind bis zu 35 Knoten – lassen die Hoffnung auf einen Rückflug zunächst schwinden. Zumindest hat das Hotel noch Platz, falls wir da bleiben müssen. Einen letzten Rest Hoffnung gibt es, denn Richtung Osten sieht‘s besser aus. Wenn wir also von der Insel wegkommen sollten, kann doch noch alles gut werden. Am Flughafen erfahren wir im Aeroclub, dass ein Tief direkt über den Kanalinseln liegt. Richtung Frankreich und Deutschland ist das Wetter deutlich besser. Erneut nutzen wir die vortreffliche Ausstattung des Aero Clubs: exaktes Wetterbriefing europaweit per Internet und Telefon, aktuell ausgedruckte Charts des Umgebungswetters, Flugplanaufgabe direkt beim Tower per Haustelefon.

Irgendwann am Vormittag klettern die Wolken auf 1200 Fuß Untergrenze, der Regen lässt nach. Wir springen in die Maschinen, bis wir am Rollhalt stehen, sind zwar die nächsten Schauer schon wieder da, aber wir fliegen ja dem besseren Wetter entgegen. Per Sonder-VFR werden wir von der Insel entlassen. Kaum über dem Wasser, können wir von 800 auf 1200 Fuß MSL, später sogar 1800 Fuß steigen. Mit sattem Rückenwind von bis zu 35 Knoten sausen wir mit 160 Knoten Groundspeed Richtung Le Havre. Dort landen wir 35 Minuten später bei 26 Knoten Wind, der zum Glück fast auf der Bahn steht. Tanken, Wetterbriefing, und schon eine knappe Stunde später sind wir wieder in der Luft. Die Robin verabschiedet sich nach Nordosten, Piper und Cessna drehen nach Osten. Kurz hinter Le Havre umfliegen wir den letzten Regenschauer auf der Strecke, steigen bis 5000 Fuß und fliegen knapp unter den Wolken dank bombastischem Rückenwind mit 150 bis 160 Knoten Groundspeed in Richtung Deutschland. Einer der insgesamt elf Controller, mit denen wir auf der Strecke kommunizieren, besteht auf das Einhalten der Halbkreis-Flughöhen und zwingt uns auf 4500 Fuß runter.

Wir fliegen knapp unter den Wolken dank bombastischem Rückenwind mit 150 bis 160 Knoten Groundspeed in Richtung Deutschland

Er hat ja Recht, aber wenn man in 800 Fuß bei Dreckwetter und bockigem Wind übers Wasser geflogen ist, dann weiß man eben 5000 Fuß zu schätzen, zumal es dort deutlich ruhiger zugeht. Auf der vorgeschriebenen Höhe bockt es wieder gewaltig, erst über Luxemburg lassen die Turbulenzen nach. Kurz vor Trier meldet sich die Cessna mit leicht fallendem Öldruck, deshalb machen wir zur Sicherheit noch einen kurzen Stopp in Trier-Föhren; schon auf dem Hinweg hatten wir den Platz zwangsweise kennen gelernt. Der betagte Sternmotor hat in der Tat Öldurst, der gestillt werden möchte. Danach dauert es bei immer noch kräftigem Rückenwind nur noch knappe 45 Minuten, bis wir auf der Piste 26 in Aschaffenburg landen. Fazit: Den Trip „nach Korsika“ kann man auf jeden Fall weiterempfehlen und wiederholen. Aber nächstes Jahr fliegen wir erstmal nach Västerås in Schweden und nach Son Bonet auf Mallorca: Die Anschaffung der Schwimmwesten muss sich ja schließlich lohnen!

Mit dem Kleinflugzeug zum Kanal: Weitere Infos zu Jersey

Überaus gastfreundlich und hilfsbereit ist der Jersey Aero Club. Kontakt: Jersey Aero Club, Jersey Airport, L‘Avenue de la Reine Elizabeth II, St Peter, Jersey, JE3 7BP. Telefon: +44 (0)1534/ 743990, E-Mail: info@jerseyaeroclub.com, Website: www.jerseyaeroclub. com.

Einmal im Jahr organisiert der Aero Club die Jersey International Air Rallye, dieses Mal vom 26. bis zum 28. Juni; weitere Infos dazu auf der Website des Clubs.

Sehr informativ und auch in deutscher Sprache ist die offizielle Website der Insel: www.jersey.com. Kontakt zum Touristen- und Besucherzentrum: Jersey Tourism, Liberation Place, Saint Helier, Jersey, JE1 1BB. Telefon: +44 (0) 1534/44 88 00, E-Mail: info@ jersey.com.

Text: Otmar Kamp, Fotos: Wolfgang Lamminger, Bruno Peschi, Bernd Brand, fliegermagazin 3/2009

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