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Von Mengen nach Braga: Ultraleicht nach Portugal

Vom Süden Deutschlands in den Norden Portugals – klar, da fliegt man mit der Airline. Aber ist das wirklich die schnellste Variante, mit allem drum und dran? Zwei UL-Piloten wollten es mit ihrem Kunststoff-Flitzer wissen

Von Redaktion

Nehmt doch die VL-3!“ Witzbold, dachte ich, als mein Freund Andreas Schifflechner am Telefon vorschlug, mit dem UL anzureisen. Andreas lebt schon lange in Portugal, vor vier Jahren habe ich gemeinsam mit ihm seine damals neue Savage nach Braga überführt (siehe fliegermagazin 01/2007). Jetzt fragte er, ob wir von Kondor-Aviatik ein neues Fahrwerk mit extra großen Buschreifen an seinen Taildragger montieren könnten. „Klar, das machen wir!“ – nur: Wie kommen wir am einfachsten und komfortabelsten nach Portugal?

Mein erster Gedanke war natürlich der Linienflieger – von Zürich nach Porto in nur drei Stunden und 40 Minuten. Das ist wirklich schnell! Aber erstmal müssten wir zum Flughafen fahren, dort das Auto teuer parken, Wartezeiten mit einrechnen, und nach der Landung in Porto bräuchten wir einen Leihwagen, um nach Braga zu kommen: Ganz schön aufwändig, und alles zusammengerechnet wären wir insgesamt bei über neun Stunden Reisezeit. Vielleicht ist Andreas’ Idee gar nicht so schlecht … Gut, wir hatten bis dahin noch keine besonders langen Strecken mit der VL-3 zurückgelegt, andererseits erschien es natürlich überaus reizvoll, mit einem UL schneller und müheloser ans Ziel zu kommen als mit dem Airliner. Eigentlich mussten wir gar nicht besonders lang darüber nachdenken: Wir würden den Wartungsauftrag im Rahmen eines Langstreckentests für unseren kleinen Reiseflieger erledigen.

Atlantik in Sicht: Bei Itxassou im Südwesten Frankreichs ist es für die VL-3-Crew nur noch ein Katzen- sprung auf die Iberische Halbinsel

Nachdem Detlef Eisfeldt, der mich als „Chefnavigator“ begleiten wollte, an unserer Homebase in Mengen eingetroffen war, machten wir uns mit Hilfe eines Meterstabs erstmal an die Flugplanung. Die Route musste so gewählt werden, dass wir es auf jeden Fall sicher an einem Tag nach Portugal schaffen würden. Das GAFOR-Wetter war Anfang September für die gesamte Flugstrecke mit Charlie vorhergesagt – perfekt! In der strahlenden Morgensonne tanken wir unser UL auf, erledigen den Check und verstauen das Gepäck. Bei einer Flugstrecke von knapp 1700 Kilometern darf natürlich auch die Verpflegung nicht fehlen. Kurz nach elf Uhr heben wir in Mengen ab.

Reizvoll: Mit einem UL schneller und müheloser ans Ziel zu kommen als mit dem Airliner

Auf Kurs Südwest lacht uns die Sonne ins Gesicht; hinter der Grenze bei Mühlhausen erstreckt sich die sommergrüne Landschaft Frankreichs. Einige kleine, aber dichte Wolkenfelder führen zu der Entscheidung, eine Weile on top zu fliegen. Was für ein Genuss! Die Luft ist absolut ruhig, und wir haben Zeit, uns an der Freiheit über den Wolken zu erfreuen. Als sich mitten über Frankreich der Hunger meldet, kramt Detlef das Vesper hervor – mit Broten in der Hand rauschen wir gemütlich dahin. 220 km/h erscheinen uns mit der Festfahrwerkversion der VL-3 genau richtig: Einerseits haben wir noch einen großen Sicherheitspuffer zur Vne, verbrauchen moderate 14 Liter pro Stunde und fliegen noch unterhalb der Böengeschwindigkeit von 225 km/h, sodass bei plötzlich aufkommenden Turbulenzen nichts zu befürchten wäre – das macht die Reise komfortabel und wirtschaftlich. Andererseits sind wir doch so schnell, dass wir unser Ziel zügig errreichen.

Nach dem kleinen Imbiss erstreckt sich beeindruckend breit vor uns das Zentralmassiv. Die tief eingeschnittenen und weiten Täler laden zum Durchflug ein. Unterhalb der höchsten Gipfel folgen wir den Felsformationen, tauchen in Täler hinab, um gleich wieder über die nächste Erhebung zu steigen – so macht das Fliegen richtig Spaß! Mit dem Zentralmassiv im Rücken wird es auch schon Zeit, an den geplanten Tankstopp zu denken. Obwohl wir eine Endurance von sechs Stunden haben, ist die ganze Strecke doch etwas zu weit für einen Nonstop-Flug.

Zwischenstopp auf dem Flugplatz in Marmande, Frankreich

Als Zwischenstation haben wir uns Marmande ausgesucht, einen Flugplatz zwischen Bordeaux und Toulouse, den wir bereits kennen. Für Piloten auf der Durchreise ist der kleine ruhige Platz ideal, denn hier gibt es alles, was das Fliegerherz begehrt: ein Bistro, Benzin und vor allem flugbegeisterte Menschen. Leider können wir nicht so lange verweilen, wie wir gerne würden, denn bei der Landung ist es bereits 14.41 Uhr, und wir haben noch fast 800 Kilometer vor uns. So füllen wir bloß schnell die Tanks und genehmigen uns noch eine kühle Limo, die bei fast 30 Grad eine Wohltat ist. Weiter nach Spanien!

Atlantik in Sicht: Bei Itxassou im Südwesten Frankreichs ist es für die VL-3-Crew nur noch ein Katzensprung auf die Iberische Halbinsel (Foto: Detlef Eisfeldt)

Noch bevor wir die portugiesische Grenze erreichen, werden wir Zeugen eines beeindruckenden Szenarios: In weiter Ferne steigen dichte Wolkenschwaden vom Boden bis in etwa 5000 Fuß auf. Als wir näher kommen, erkennen wir, was da passiert: ein Waldbrand! Die Dimensionen, über die sich der Rauch ausdehnt, sind beeindruckend und erschreckend zugleich. Bei meinem letzten Flug nach Portugal war es genau diese Art von „Bewölkung“, die mich zu einer Sicherheitslandung auf höchst unwegsamen Gelände zwang. Als gebranntes Kind will ich jetzt nicht ein zweiten Mal mit dem Feuer spielen, sodass wir beschließen, das Gebiet weiträumig zu umfliegen.

Da der französische Luftraum in dieser Region aber dicht mit Flugbeschränkungsgebieten übersät ist, beginnt ein wahrer Spießroutenlauf: hier nicht höher als 1200 Fuß, dort mindestens 2500 Fuß, und dann kommt man teilweise gar nicht durch, sodass nur Umfliegen weiterführt. Dann eben im Slalom bis Spanien. Die ganze Kurverei verursacht zwar einige Kilometer Umweg, dafür kommen wir aber sicher weiter und werden sogleich mit einem Highlight belohnt, auf das wir uns schon bei der Vorbereitung gefreut haben: die Pyrenäen. Im Vergleich zum Zentralmassiv ist diese Gebirgslandschaft noch viel mächtiger, wilder und reizvoller.

Obwohl die Vb unseres ULs bei 225 km/h liegt, reduzieren wir die Geschwindigkeit auf 180 km/h

Allerdings hält die Freude über die zerklüfteten Berge nicht lange an: Aus der eben noch ruhigen Luft sind wir in eine Achterbahn der Winde geraten und taumeln jetzt durch die Pyrenäen. Obwohl die Vb unseres ULs bei 225 km/h liegt, reduzieren wir die Geschwindigkeit auf 180 km/h. Die Böen sind so heftig, dass es unser Flugzeug immer wieder von einer Seite auf die andere wirft. Manchmal sind volle Ruderausschläge notwendig, um von gefühlten 90 Grad Querneigung wieder in die Horizontale zu kommen. Im Lee der Bergkämme zieht es uns mit brachialer Gewalt nach unten, wenige Sekunden später schießen wir wie eine Rakete nach oben.

Von Vario-Anschlag oben bis Vario-Anschlag unten und umgekehrt – so etwas habe ich noch nie erlebt. Detlef bleibt völlig gelassen: „Das machst du gut, und außerdem wird es sicher gleich aufhören.“ Das beruhigt mich, und tatsächlich sind die Turbulenzen schon bald genau so schlagartig vorbei, wie sie begonnen haben. Gott sei Dank! Ein kurzer Blick aufs GPS: nur noch 400 Kilometer bis Braga. Obwohl wir durch die Achterbahnfliegerei erneut Zeit verloren haben, bestehen noch gute Chancen, schneller als mit der Airline am Ziel zu sein. Jetzt aber nicht trödeln!

Im Tiefflug über die Costa Verde: Sogar Landungen sind an einigen Küstenabschnitten mit dem UL erlaubt (Foto: Karsten Hampapa)

Über der spanischen Hochebene geben wir Gas, was auch naheliegt, wenn man die recht eintönige Landschaft rasch hinter sich lassen möchte. Wo man hinschaut: nichts als braune, ausgetrocknete Felder. Bei 240 km/h dauert es allerdings nicht sehr lange, bis die abwechslungsreiche Landschaft im Norden Portugals erreicht ist. Von der Grenze bis Braga sind es nur noch wenige Kilometer – wir versuchen schon mal, den Platz anzufunken. Niemand meldet sich. Das ist in diesem Land aber keine Seltenheit. Wenn am Funk niemand antwortet, setzt man einfach Blindmeldungen ab, schaut auf den Windsack und nach Verkehr und teilt sich die Landung selbst ein.

Andreas hat uns schon gespannt erwartet. Er freut sich auf ein Wiedersehen mit Fliegerfreunden aus Deutschland und natürlich auf darauf, dass wir sein Buschfahrwerk montieren. Nach einem herzlichen Empfang lädt er uns zu einem typischen portugiesischen Abendessen mit gegrilltem Fisch, Gemüse und leichtem Weißwein ein. Während wir speisen, will er ganz genau wissen, wie der Flug war. Als wir ihm erzählen, dass wir die 1700 Kilometer in sieben Stunden und 33 Minuten geflogen sind, kann er das kaum glauben. Die gesamte Reisezeit einschließlich Tankstopp in Frankreich beträgt 8 Stunden und 48 Minuten. Aber noch wichtiger ist, dass wir unser sportliches Ziel erreicht haben: Wir waren schneller am Ziel als mit dem Airliner!

Wir waren mit der ultraleichten VL-3 schneller am Ziel als mit dem Airliner!

Da wir nun schon mal im reizvollen Norden Portugals sind, wollten wir das Fliegen in der Region noch ein wenig auskosten. Traumhafte Gebirgsseen, Flüsse, Berge und der Atlantik laden hier ein. Gemeinsam mit Andreas in der Savage, die mittlerweile große Räder hat, schauen wir uns das alles an. Auch ohne Buschfahrwerk kommt man in Portugal zurecht: Außer den zahlreichen Schotterpisten gibt es asphaltierte Landebahnen, auf denen wir mit unserem Flitzer problemlos landen können – auch unmittelbar neben dem Strand, wobei es Andreas mit den Bushwheels wohl bevorzugt hätte, direkt auf dem Sand zu landen. Leider wird es ein kurzer Aufenthalt – zu Hause warten Termine. Die Wettervorhersagen für den Rückflug sind nicht besonders rosig, denn immer mehr Regengebiete schleichen sich nach Europa ein.

Auftrag erledigt: An der Savage von Andreas Schifflechner ist das Buschrad-Fahrwerk montiert (Foto: Karsten Hampapa)

Am nächsten Tag geht’s auf bekannter Route Richtung Heimat. Obwohl wir uns in Frankreich durch einige Regengebiete kämpfen müssen, kommen wir gut voran. Irgendwann wird mir klar, dass etwas mit unserer Geschwindigkeit nicht stimmen kann: Auf dem Hinweg lag die GPS-Speed immer zwischen 10 und 20 km/h über der Fahrtmesseranzeige; das konnte Rückenwind sein. Nun beträgt die Abweichung aber 30 bis 40 km/h.

Deshalb beschließen wir, schon mal abends einen kleinen Abschnitt bis Braganca im Nordosten Portugals zu fliegen, um von dort aus am nächsten Tag dem schlechten Wetter zu entfliehen. Das erweist sich als richtige Entscheidung, denn die Luftdruckgegensätze sind bereits so groß, dass uns der Wind mit zeitweise über 300 km/h Groundspeed in Richtung Tagesziel schiebt. Dort ist volle Konzentration angesagt: Die hochgelegene Piste von Braganca ist bei starkem Seitenwind anspruchsvoll – bei der Landung muss ich das Seitenruder fast voll treten, um die Richtung halten zu können. Ein wunderbarer Sonnenuntergang und die bezaubernde Abendstimmung entschädigen jedoch für den etwas anstrengenden letzten Teil des Flugs.

Der Rückflug ist noch schneller – in unter 7 Stunden von Braga zurück nach Mengen!

Hat sich der Wind gedreht, oder ist mit dem Fahrtmesser etwas nicht in Ordnung? Bei einer Reisedrehzahl von 5000 U/min zeigt das GPS zeitweise über 280 km/h an – das kann eigentlich nicht sein. Detlef schlägt vor, mal nach Osten und dann nach Westen zu fliegen, dann würden wir schon sehen, was los ist. Tatsächlich: Unser Fahrtmesser zeigt 25 km/h zu wenig an, allerdings nur im oberen Geschwindigkeitsbereich. Resultat der Rückenwindunterstützung ist eine Reisezeit von unglaublichen 6 Stunden und 51 Minuten. Das ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 248 Stundenkilometer. Damit hätten wir den Airliner noch deutlicher ausgestochen.

Text: Karsten Hampapa, Fotos: Detlef Eisfeldt, Karsten Hampapa, fliegermagazin, 2/2011

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