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Wohnen auf dem Flugplatz: Airparks in Europa

Wohnen auf dem Flugplatz, zumindest in den Ferien: Das ist für viele Piloten ein Traum. Jetzt entstehen in Europa gleich mehrere Fliegerdörfer, erstmals auch eins in Deutschland

Von Thomas Borchert

Es gibt wohl nur wenige Piloten, die nicht zumindest ein wenig neidisch werden, wenn Reiner Ressel anfängt, von seinem Ferienhaus zu erzählen. Der Vorgarten endet direkt am Rollweg. Und gleich hinter dem aus dicken Bohlen gebauten Holzhaus beginnt ein Birkenwald. Gut zweieinhalb Stunden fliegt der 54-Jährige mit seiner Lebensgefährtin Sinje Zeidler vom norddeutschen Rendsburg – dann rollt ihre Lancair 360 vor dem eigenen, beheizten Hangar am Siljansee in Mittelschweden aus. Im Haus nebendran wartet ein riesiger Kamin, eine große Fensterfront im Wohnzimmer öffnet sich zur Landebahn. In dieser Gegend zeigt Schweden die volle Pippi-Langstrumpf-Romantik. Ressel und Zeidler wohnen in einem Airpark.

Spruce Creek: erste Fly-in-Community in den USA

Die Idee vom Wohnen am Flugplatz ist nicht neu: Schon 1941 gab es das erste Projekt einer Fly-In Community in den Vereinigten Staaten. Dort gibt es inzwischen Hunderte von Airparks; im größten – Spruce Creek in Florida – gruppieren sich mehr als 1300 Häuser um die Landebahn. In Europa eröffnete der erste Flugplatz mit Rollwegen direkt vor die Häuser 1996 in Frankreich. Inzwischen sind dort die beiden wohl bekanntesten europäischen Airparks Vendée und Biscarrosse gut etabliert. Und doch hat es die Idee bei uns ein wenig schwer: In vielen Ländern gibt es relativ wenig Platz; die Bevölkerung ist Flugzeugen gegenüber eher negativ gestimmt; die Pilotenzahlen sind recht niedrig. Umso erfreulicher, dass derzeit gleich mehrere Projekte große Fortschritte machen. Fünf davon haben wir besucht– darunter den ersten Airpark in Deutschland.

Zweieinhalb Stunden in die Ferien: So lange fliegen Sinje Zeidler und Reiner Ressel mit der Lancair 360 von Hamburg bis zu ihrem Haus am schwedischen Siljansee (Foto: Sandra Böthin)

Siljan Airpark, wo das Haus von Reiner Ressel und Sinje Zeidler eines der ersten war, ist einer der am weitesten fortgeschrittenen: Eigentlich waren alle 42 Grundstücke verkauft, etwa 20 Häuser sind fertig oder im Bau. Doch schon stehen wieder einige Parzellen zum Verkauf durch ihre jetzigen Besitzer – ein wenig Fluktuation ist typisch für Airparks. Ebenso die extrem lange Entstehungszeit: Die Erschließung begann schon 2007, doch das Ende der Bautätigkeiten ist noch nicht abzusehen.

Ressel stört das nur wenig: „Unser Traum ist voll in Erfüllung gegangen: Wir wohnen hier mit Gleichgesinnten, der Gemeinschaftsinn und die Hilfsbereitschaft ist enorm.“ Zehn Nationen sind am Siljansee vertreten. Manche Bewohner leben rund ums Jahr in ihren Häusern, andere sind nur ein paar Tage im Jahr vor Ort. „Im Winter fliegen wir oft mit der Linie bis Stockholm und fahren mit der Eisenbahn weiter“, sagt der Lufthansa-Cityline-Kapitän. In der Nähe gibt es auch einen Regionalflughafen mit ILS-Anflug.

Baubeginn eines neuen Airparks in Himmelslätta, Schweden

Etwa 30 Kilometer südlich des Siljansees steht der Himmelslätta Airpark noch ganz am Anfang: Gerade wurde das erste Haus gebaut. Eines von zwei geplanten Baugebieten ist schon mit Wegen, Strom, Wasser und Abwasser erschlossen, doch die Bahn hat noch keinen Asphaltbelag. Dennoch sind bereits die Hälfte der Grundstücke verkauft oder reserviert. Neben der atemberaubenden Landschaft sind die relativ niedrigen Grundstückspreise ein großer Anziehungspunkt der schwedischen Airparks.

„In Frankreich haben wir uns auch umgesehen“, sagt Rainer Ressel, „aber das konnten wir uns nicht leisten.“ Schweden und Frankreich sind Länder, in denen die Fliegerei deutlich mehr Platz hat als in Deutschland. Dennoch gibt es auch hierzulande den ersten Airpark: Der Flugplatz Rerik-Zweedorf (EDCR) an der mecklenburgischen Ostseeküste wird zum Ostsee-Airpark ausgebaut. Der Baugrund mit 24 Grundstücken ist bereits erschlossen, die ersten Häuser sollen im Frühjahr entstehen.

Im Airpark verschmelzen Wohnen und Freizeitinteresse der Bewohner

Außer dem Flugplatzbesitzer kümmert sich auch der Architekt Hans-Friedrich Bültmann von der Firma Alto Services um den Aufbau der Siedlung am Flugplatz. „Ich habe schon viele Wohnsiedlungen gebaut“, sagt der 62 Jahre alte Privatpilot. „Aber eine Fly-in-Community ist etwas ganz Besonderes: Hier geht es um Lust, Leidenschaft und Spaß!“ Schließlich verschmelzen im Airpark Wohnen und Freizeitinteresse der Bewohner. „Und das dann noch in dieser Traumlandschaft.“ Bei etwa 200 000 Euro beginnen die Preise für ein Haus samt Grundstück, schätzt er. Bei Jean-Louis Delahaye nahe der französischen Kanalküste ist’s etwas billiger: Dort sind die Grundstücke mit 400 bis 600 Quadratmetern deutlich kleiner. Das ist Absicht, Delahaye will eine etwas andere Kundschaft anlocken. „Dieses Gelände gehört zum Bauernhof meiner Familie“, erklärt er.

Direkt am Ostseehaff liegt der Flugplatz. Noch ist nur die Baustraße zu sehen (Foto: Archiv)

Seit 400 Jahren leben die Delahayes hier. Als Jean-Louis seine Ultraleicht-Lizenz erwarb, legte er 2002 auf einem Feld eine Piste an. „Doch alleine fliegen ist mir zu langweilig. Also dachte ich mir: Warum nicht eine Feriensiedlung am Flugplatz aufbauen.“ Inzwischen läuft der Bauernhof eher nebenbei. Der erste Bauabschnitt ist verkauft, einige Häuser stehen schon, jetzt wird erstmal ein Pool angelegt. „Die Wirtschaftskrise macht den Verkauf derzeit etwas schwierig“, klagt der Franzose.

Airpark neben einem Bauernhof

Der Brite Tony Corr, eigentlich Ryanair-Pilot und Besitzer einer Mooney M20, kam eher zufällig an seinen „Airpark France“: 2004 kaufte er einen kleinen Grasplatz neben dem Örtchen Rabastens de Bigorre, mitten in Südfrankreich, am Fuß der Pyrenäen nahe der Pilgerstadt Lourdes. „Dann wollte ich eigentlich nur für mich privat eine Baugenehmigung für zwei Häuser beantragen – aber irgendwie kam die Idee mit dem Airpark auf“, berichtet Corr.

Zweieinhalb Jahre dauerte der Gang durch die Instanzen der Bürokratie und die Einrichtung von Strom- und Wasserversorgung. 1,5 Millionen Euro waren für Planung und Erschließung fällig, bevor an Hausbau auch nur gedacht werden konnte. Jetzt stehen zehn Häuser – was auch damit zu tun hat, dass Corr einen Vertreter vor Ort hat: Der Brite Peter Suddards lebt in Rabastens und betreut die Bauarbeiten. „Das ist ein toller Job: Ich helfe Menschen, ihren Traum zu verwirklichen“, sagt der 42-Jährige. „Dies ist die ruhige Ecke Frankreichs“, erklärt Suddards. „Das Meer ist gerade noch erreichbar, die Ski- und Wandergebiete in den Pyrenäen sind in Sichtweite, aber die Preise sind ein bisschen erträglicher. Trotzdem sind der Wein und das Essen französisch perfekt.“

Runway in Rabastens: Groß genug für eine Piper Aztec

Nur 18 Grundstücke wird es hier geben – eben alles eine Nummer kleiner. Suddards kennt sich genau mit den Details aus, die alle Airpark-Projekte ein wenig komplizierter machen als normale Feriensiedlungen: Da ist etwa die Frage, wie man sicherstellt, dass neben den Häusern auch wirklich auf alle Zeiten ein Flugplatz existiert. Und ob deshalb jeder Bewohner auch ein Stück Landebahn kauft. Die Lösungen sind ganz unterschiedlich. „In Rabastens“, erklärt Suddards, „stehen die Häuser nicht auf dem Flugplatzgelände. Das hat etwa Vorteile bei der Versicherung. Die Bahn gehört Tony – aber es ist vertraglich garantiert, dass es ein Flugplatz bleibt.“

Bei gutem Wetter sind hinter der Bahn die Gipfel der Pyrenäen zu sehen (Foto: Thomas Borchert)

Roy Arrowsmith verbringt die Hälfte seiner Zeit in seinem Haus an der Runway von Rabastens. Noch ist das Gebäude in Bau, aber die klassischen Attribute eines Airpark-Hauses sind zu erkennen: Was wie eine übergroße Garage aussieht, ist der Hangar. „Groß genug für meine Piper Aztec“, sagt der Engländer. Viereinhalb Stunden fliegt er damit von England, meist mit einem zollfreien Tankstopp auf den Kanalinseln. Gleich neben dem noch torlosen Hangar steht bereits ein Whirlpool auf der Terrasse. Doch richtig stolz ist Arrowsmith auf sein Schlafzimmer. Es hat eine riesige Fensterfront. „Da kann ich vom Bett zugleich die Gipfel der Pyrenäen und den Endteil der Bahn sehen.“ Was will man mehr vom Leben?

fliegermagazin 2/2010

Über den Autor
Thomas Borchert

Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.

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