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Mit dem Ultraleicht auf 6000 Fuß: Reise über die Alpen bis an die Adria

Über die Alpen in den Süden, das ist der Plan von UL-Pilotin Silvia Buhr. 
Doch geht er auch auf? Das Wetter sieht nicht gut aus

Von Redaktion

Graue, steile Felswände ragen schroff in die Höhe und verschwinden in tiefen Wolken. Hier steht das Fundament des 10 000 Fuß aufragenden Dachsteins. Scheinbar wachsen alle Berge rings um den großen, langgezogenen Hallstätter See steil und senkrecht in die Wolken, und genauso steil verschwinden sie nach unten im fast schwarzen Wasser. Ich drehe einen Kreis überm See, blicke dabei abwechselnd in das Tal zurück, aus dem ich vor wenigen Minuten eingeflogen bin, und weiter in das westliche Tal in Richtung des ersten kleinen Passes, der jetzt zirka 200 Fuß unter den Wolken liegt. Es gibt noch einen anderen Weg, östlich aus dem See-Tal hinaus, doch diesen kenne ich nicht, und er ist eng und sehr dunkel. Ich genieße noch einen Moment die Stimmung hier, während die Entscheidung schon längst feststeht: Ich kehre um. Mich hetzt schließlich nichts.


Am Morgen war ich bei fast wolkenlosem Himmel in Strausberg bei Berlin gestartet, die Remos GX mit allem bepackt, was ich für eine Woche Urlaub brauche. Wie jedes Jahr sollte es nach Slowenien gehen, an die Küste bei Portorož. Die Wettervorhersagen für die Alpen klangen nicht sonderlich gut – aber gut genug jedenfalls, um sich auf den Weg zu machen und vor Ort zu schauen, ob die Alpenquerung klappt. Westlich des Erzgebirges erwischen mich die ersten Schauer; in FL55 über Bayern zeigt sich der Himmel schon fast völlig bedeckt, mit vielleicht 20 Kilometern Sicht. Vor dem Donautal scheint es schon, als sei hier bald Schluss, denn in Flugrichtung türmt sich eine graue Wolkenwand auf. Ich wäre gewappnet, habe die möglichen Alternates vorbereitet und die Frequenzen der nächstliegenden Flugplätze parat. Doch beim Sinken sehe ich, dass es bei 1000 Fuß über Grund weitergeht, zudem fällt das Terrain weiter ab. Ich erreiche den ersten Zwischenstopp, Fürstenzell. EDMF ist ein gemütlicher Platz mit Mogas-Tankstelle, Kneipe und toller Aussicht auf einer Anhöhe.

Vielfliegerin: Mit der Remos GX ist Autorin Silvia Buhr oft und gern unterwegs. Vor allem die Alpen haben es ihr angetan (Foto: Silvia Buhr)

Der Platzleiter ist extra wegen meiner Ankündigung rausgekommen und erwartet mich schon. „Oalso, hait in die Berg brauchst goarnet zu versuchn“, sagt er zu mir. Ich schaue gen Süden: Scho recht. Die Alpen schlage ich mir heute aus dem Kopf, doch bis Österreich werde ich es noch schaffen. Es sind nur rund 30 Kilometer weiter nach Süden. Ein Anruf in Ried (LOLK), und ich weiß, dass das Wetter mitspielen wird. Dort möchte ich übernachten, aber nicht ohne einen vorherigen Rundflug, um die Alpen wenigstens schon mal begrüßen zu können.Wieder in der Luft lasse ich LOLK zunächst an mir vorbeiziehen, ich überfliege den Hausruck und komme dabei auf 4000 Fuß über Grund, die Wolken steigen mit dem Gelände. Weiter bis zum Attersee, dann das Tal bis Bad Ischl. Leichter Sprühregen setzt ein, die Sicht geht auf etwa acht Kilometer zurück. Das ist nicht viel im Gebirge, doch ich kenne diese Strecke, sie führt nur über Seen und deren breite Täler, sodass das Gelände mit Sicherheit nicht weiter ansteigt. Ich gelange ins Tal des Hallstätter Sees, mit seiner heute so schön-schaurigen Stimmung. Es wird gleich dämmern: Zeit, umzukehren.Auf dem Rückflug nach Ried entscheide ich mich um: Gmunden am Traunsee wird mein Ziel für heute. Die 500 Meter lange Piste hat nach Westen hin ein Gefälle.

Bis sieben Knoten Westwind wird in LOLU mit Rückenwind auf der „08“ gelandet, ab acht Knoten Westwind kann man die „26“ benutzen – so wie ich nun. Abfangen bei Gefälle ist interessant, das Aufsetzen kann sich scheinbar unendlich verzögern.Der Platz ist herrlich, der Empfang freundlich und die Umgebung wunderschön. Leider ist der Traunstein (5548 Fuß) nicht zu sehen. Der Ort Gmunden liegt direkt am Traunsee und ist vom Flugplatz mit dem Taxi (zirka 15 Euro) gut zu erreichen. Ich übernachte im empfehlenswerten Gasthaus „Zum Steinmauerer“ mit preiswerten Zimmern und einer sehr guten heimischen Küche. Als ich aufwache, höre ich das Geräusch von fallendem Regen. Ich stelle den Wecker aus und drehe mich gleich wieder um. Das wird dann wohl nichts heute. Ich dämmere noch einmal weg, doch als ich schließlich aufstehe, merke ich, dass das Plätschern draußen nicht der Regen, sondern nur ein Brunnen im Hof des Hotels ist! Gardine auf, es ist hell, fast sonnig! Plötzliche Aufbruchsstimmung. Beim Frühstück studiere ich das Flugwetter. Das erste Ziel ist Nötsch im Gailtal (LOKN), an der slowenischen Grenze – mein nächster Zwischenstopp für Flugplanaufgabe und Tanken. Die Sicht hier in Gmunden liegt bei über 20 Kilometern, die Wolkenuntergrenze bei 5000 Fuß, kaum Wind. Auf dem GAFOR-Niederschlagsradar sehe ich, dass ein Regengebiet Salzburg erreicht hat. Ich sollte rasch los: eine Woche hier oder woanders!

Nach dem Start folge ich der gestrigen Ausflugsroute, nur diesmal alpeneinwärts. Den Hallstätter See erreiche ich schnell, jetzt geht es weiter über den Gschütt-Pass in Richtung Alpenhauptkamm – immer mit Blick auf den nächsten Flugplatz, hier Niederöblarn (LOGO). Frequenz gerastet, in den Funk reingehört, doch ich fliege weiter ins Tal bei Radstadt zum Tauernpass, den ich schon die letzten Male überflogen habe. Hier braucht man wegen Hochspannungsleitungen noch ein paar Fuß mehr als die empfohlene Mindesthöhe von 1000 Fuß über Grund bei der Passquerung. Doch die Wolken machen schon vorher bei 5500 Fuß zu – das reicht nicht. Also umkehren nach Norden und wieder hinein in das Haupttal, weiter entlang der Enns in Richtung LOGO, zur Alternativroute, zum Sölkpass. Der liegt auf 5867 Fuß MSL und ist zudem weiter entfernt von der aus Westen kommenden Regenfront.

Einmotorig in 6000 Fuß über Grund

Mit dem sicheren Flugplatz im Rücken fliege ich ins ansteigende Tal ein. Ich bilde mir ein, einen Hauch Sonne am Ende zu sehen. Doch in 6000 Fuß und damit leicht über Passhöhe sehe ich, dass auch dieser Weg versperrt ist. Nur direkt am Pass kommt ein Sonnenstrahl, ja ein Lichtblick hindurch. Man spürt direkt, wie das schönere Wetter dahinter wartet, doch wirklich hinübersehen kann man nicht. Ich fliege näher heran, sehe die Serpentinenstraße, die sich bis an den von der anderen Seite mit Sonnenlicht beschienen Nebel hinaufschraubt. Es hilft nichts. Umkehrkurve, ab nach Osten. Neuer Kurs, jetzt zum Flugplatz Trieben (LOGI). Noch bevor ich die lokale Frequenz raste, sehe ich, dass im nächsten Tal Richtung Süden alles frei ist, die Sicht verbessert sich auf 40 Kilometer. Ich habe so viel Höhe, dass ich die nächsten Plätze Mayerhofen (LOKM) und Friesach (LOKH) schon jetzt im Gleitflug erreichen könnte. Es ist im Hochgebirge nicht zu unterschätzen, immer einen möglichen Landeplatz in der Nähe zu wissen oder sogar im Blick zu haben: So hat man ein Ziel, ein „Heim“, wenn es mal nicht weitergeht.

Ungemütlich: Man muss schon wissen, wie es vorne weitergeht, um sich hier weiter ins Tal zu wagen (Foto: Silvia Buhr)

Ich nehme mit Klagenfurt Tower Kontakt auf, da es in unmittelbarer Nähe viele Wolken gibt, die ich um jeden Preis unterfliegen möchte. Dafür muss ich in die CTR Klagenfurt, was aber problemlos klappt. Nach Verlassen der CTR komme ich gut voran zu meinem Ziel. Der Wörthersee liegt zu meiner Rechten, ich fliege über Villach und bin schließlich im langen Endanflug auf die Graspiste 27 von Nötsch. LOKN ist ein perfektes Ausflugsziel, der Platz liegt auf „nur“ 1800 Fuß MSL, es gibt Mogas sowie Unterkünfte in der Nähe. Kärnten – was für eine schöne Region! Am Flugplatz-Computer sehe ich erneut nach dem Wetter. Hier im weiten Tal scheint die Sonne, doch aus Westen kommen Wolken und schieben sich an die Gipfel, an denen ich vorbei möchte. Die letzte Etappe nach Süden wird mich durch die Jülicher Alpen führen, westlich an den Karawanken vorbei. Die Berge, die im Süden zu sehen sind, stehen schon in Slowenien.

Die Wetterlage: insgesamt ruhig und schwach windig, jedoch kein besonders hoher Luftdruck (1015 hPa). Ein Regengebiet, ein paar schwach ausgeprägte Schauerzellen, die von West nach Ost über eben diese Berge wollen. Leichte Föhnwirkung. Die Bergketten sind an der Ostseite freier, während sich an der Westseite Wolken stauen könnten. Am Zielort Portorož (LJPZ) ist es sonnig. Die einzige Hürde dorthin ist jetzt noch der Werschetz-Pass mit 5300 Fuß Höhe. Mit dem Gailtal habe ich gutes Wetter im Rücken – und einen Flugleiter, der nach meinem Start noch 30 Minuten auf meine eventuelle Rückkehr warten wird, sollte am Pass nichts gehen. Als ich am späten Nachmittag starte, ist es fast windstill. Ich aktiviere den Flugplan bei Wien Information und nähere mich dem Pass. Er ist frei von Wolken, doch dahinter steht eine graue Wand, es kommen anscheinend kräftige Regenschauer herüber. Umkehren? Hinter mir alles frei, der Blick reicht bis zum Tal des sonnenbeschienen Startflugplatzes. Die Luft ist ruhig, ohne Turbulenzen, die Sicht okay. Da ich hier schon etliche Male den Pass überquert habe, traue ich mich weiter heran. Überall Geröll und schroffe Felswände, alles sehr dicht, auch mit 1000 Fuß Abstand. Die Schauerwand ist zum Greifen nah, erste Tröpfchen fallen auf die Fenster der Remos. Als ich bereits in der Umkehrkurve bin, zeigt mir der Blick über den Pass, dass die Regenwand offenbar sehr schmal ist: Ich sehe dahinter die Horizontlinie und Gipfel im Sonnenlicht. Hinter dem Pass fällt das Gelände stark ab, ich kann auf 3000 Fuß MSL sinken und auf dieser Höhe ohne weitere Hindernisse bis zur Adria fliegen. Im Soča-Tal gibt es sogar mit Bovec auf 1400 Fuß noch einen Flugplatz – für alle Fälle. Die Entscheidung fällt, ich fliege weiter.

Mit der Remos GX im Schlechtwetter

Den Pass hinter mir blicke ich nochmal zurück ins sonnige Tal. Voraus wird es jetzt grau und dunkel, es regnet nun doch stärker, während ich auf 4000 Fuß sinke. Bovec liegt jetzt ein paar Meilen voraus. Wird das Wetter doch noch schlimmer, werde ich dort landen. Gleich zwei GPS-Geräte habe ich im Cockpit, doch wäre ich noch nie hier gewesen, würde mir die Technik keine große Freude machen – zumal in einem Tal zwischen den Felswänden gern der Empfang verloren geht. So aber weiß ich, wie ich fliegen muss. 
Das Tal öffnet sich jetzt und wird bis zu zwei Kilometer breit. Als hätte jemand einen Schalter betätigt, hört der Regen auf. Bovec kommt in Sicht, doch nun gibt es keinen Grund mehr für eine Wetterpause. Ich lasse die Frequenz trotzdem gerastet. Das gesamte Soča-Tal ist im Lee. Über die Bergkämme drängen die tiefen Wolken hinüber nach Westen. Es scheint fast, als wollten sie hinüberklettern: Sie greifen förmlich über den Kamm, schaffen aber den letzten Schwung hinüber nicht. 



Von der anderen Seite halten Wolken wie weiße Hände den Bergrücken fest. Jetzt weichen die Berge langsam zurück, die Sicht verbessert sich auf 50 Kilometer, nur rechts von mir sind noch ein paar vereinzelte Schlechtwetter-Spots, die man besser umfliegt. Ich bekomme Funkkontakt mit Ljubljana Information. Schön, wieder jemanden im Funk zu hören. Ich fühlte mich zwischendurch inmitten der Berge und bei diesem Wetter unglaublich allein – doch andererseits war genau das wiederum auf eine Art und Weise wunderschön.


Exportschlager: Das in Portorož gewonnene Salz ist sehr begehrt (Foto: Silvia Buhr)

Die Spannung fällt ab; frohen Mutes über das Geschaffte genieße ich die letzten 30 Minuten bis an die Adria. Im Westen ist es immer noch sehr dunkel, sogar ein paar Blitze sind Richtung Trieste in Italien zu sehen – zum Glück in sicherer Entfernung. Voraus ist alles gut, unter mir Ein-Achtel-Wolken, von der Abendsonne beschienen. Ich melde mich bei Portorož Approach und fliege direkt in die untergehende Sonne hinein. „Next report airfield in sight“, dann „Right base runway 33, clear to land.“ Im Endanflug versinkt die Sonne in der Adria. Herrlich, was für Eindrücke! Es ist fast zu viel, um ruhig zu bleiben, doch ich muss mich auf die Landung konzentrieren. Wie gewohnt holt mich das „Follow-me“-Moped ab, die Begrüßung ist freundlich und herzlich.

Ich verzurre die Remos, lade das Gepäck aus und schau noch einmal in den Himmel. Es ist fast wolkenlos, windstill und warm. Eine weitere Gewohnheit ist das heimische Begrüßungsgetränk am Platz, der Slivovic. Ich erzähle von meinem Flug und dem Wetter und bekomme gleich noch einen zweiten. Heute muss ich nicht mehr fliegen und fahren, und hey: Ich hab schließlich auch was geleistet! Für rund 20 Euro bringt mich das Taxi zum Hotel, es liegt zwischen Portorož und Piran unmittelbar am Wasser. Ich fühle mich wohl und freue mich, wieder hier zu sein.Wenig später sitze ich in Piran in einem der vielen guten Lokale direkt an der Adria und genieße den ausgezeichneten, frisch gebratenen Fisch bei hervorragendem Wein. Die Gäste sind fröhlich, es ist immer noch warm, und es riecht nach Meer. Ich denke über meinen Flug nach. Hab ich wirklich alles richtig gemacht? Es hätte auch Gründe dafür gegeben, zuhause, in Bayern oder Österreich zu bleiben. Doch ich habe mich an den entscheidenden Stellen sicher gefühlt; unsicher fühle ich mich eher auf der Berliner Stadtautobahn.

Text und Fotos: Silvia Buhr, fliegermagazin 3/2013

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