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Reise mit einer Cessna 182 Skylane nach Norwegen: Welt der Kontraste

Schroffe Felsen, enge Täler, riesige Gletscher und gleich daneben das Meer: Aus der Luft bieten die Fjordlandschaften im Süden Norwegens spektakuläre Ausblicke.

Von Redaktion
Von der Küste aus führen die Fjorde tief ins Land. Dort steigt das Gelände schnell an und wird schroff und wild. Bild: Adrian Weiler

Schroffe Felsen, enge Täler, riesige Gletscher und gleich daneben das Meer: Aus der Luft bieten die Fjordlandschaften im Süden Norwegens spektakuläre Ausblicke.

Es sollte ein langer und eindrucksreicher Tag werden. Der erste von mehreren. Um 8 Uhr checke ich in Aachen die Cessna 182 Skylane und verlade das Gepäck. Zwei Tage stabiles Hochdruckwetter sind vorhergesagt. Steter Südwind schiebt mich auf Flugfläche 95 auf dem ersten Streckenabschnitt nach Roskilde (EKRK) bei Kopenhagen.

Drei Stunden dauert der Flug. Tanken, eine Kleinigkeit essen, und es geht weiter zum ersten Highlight dieser Reise: der Ellehammer VFR Route.Diese Sightseeing-Strecke führt durch die Kontrollzone des internationalen Flughafens von Kopenhagen über verschiedene Meldepunkte auf maximal 1500 Fuß entlang der Seeseite der dänischen Hauptstadt. Sogar eine eigene Towerfrequenz für VFR-Verkehr gibt es.

VFR-Route über die Stadt In Kopenhagen führt der Flugweg dicht an allen Sehenswürdigkeiten entlang. Im Bild das trendige Viertel Nyhavn, dazu direkt am Wasser das Schauspielhaus und die Oper. Bild: Adrian Weiler

Je weiter man nach Norden kommt, desto mehr Inseln tauchen auf: die Schären

Die Aussicht auf das Zentrum mit Christiansborg, der Börse, dem trendigen Viertel Nyhavn, dem Opernhaus, Amalienborg, dem Heizkraftwerk mit Sommerskipiste auf dem Dach, Kreuzfahrtschiffen und Hafenanlagen ist überwältigend. Nur die berühmte Meerjungfrau ist wirklich zu klein; sie lässt sich aus dieser Höhe bloß erahnen. Über Göteborg und Fjällbacka folge ich der schwedischen Westküste in den Oslofjord hinein.

Je weiter man nach Norden kommt, desto mehr Inseln tauchen auf: die Schären. Das sind Granitfelsen jeder Größe, und zwar Tausende davon. Dazwischen viele Boote, deren Kielwasser scharfe weiße Linien in die grauen Wellenmuster der See pflügen.

So entsteht mit jeder Meile Flugweg ein immer wieder neues Bild voller grafischer Ästhetik. Zum zweiten und keineswegs letzten Mal auf dieser Reise freue ich mich über die Kombination Hochdecker, Autopilot und hochauflösender Kamera.

Weit südlich von Oslo biege ich nach Westen Richtung Bergen (ENBR) ab und erreiche in wenigen Minuten das Fjell, eine wilde Hochebene mit Nadelwäldern, Heide und vielen Seen. Und vor allem mit von eiszeitlichen Gletschern rund geschliffenen Granitfelsen, die mit dem ansteigenden Gelände zunehmend die Landschaft prägen.

Die Wolkenschicht entpuppt sich als Gletschereis

Doch dann der Schreck: Am Horizont, mutmaßlich da, wo ich aus 8500 Fuß zur Landung an der Nordseeküste absteigen muss, taucht eine tiefer liegende, stratusförmige Wolkendecke auf. Wie soll ich nach VFR da durchkommen? 

Wenig später folgt die erlösende Erkenntnis: Das sind keine Wolken, sondern Gletscher! Niemals hätte ich solche Eismassen auf nur 1700 Metern Höhe für möglich gehalten, noch dazu mitten im Sommer.

Nur wenige Flugminuten sind es in Norwegen von kargen Hochebenen und Gletschern bis zu den Fjorden am Meer  Bild: Adrian Weiler

Von der Hochebene her führt ein recht steiler Sinkflug direkt in den Queranflug der »17«. Dreieinhalb Stunden sind – Entschuldigung – wie im Flug vergangen dank der vielen Impressionen ganz unterschiedlicher Landschaften in strahlender Juli-Sonne. Und der im hohen Norden lange Sommertag ist ja noch jung! 

Am Hafen von Bergen, gegenüber den der Hansezeit nachempfundenen und als Fotomotiv beliebten Holzhäusern, finde ich mit Mühe einen freien Tisch auf einer Restaurantterrasse direkt am Kai. Natürlich gibt es Fisch, dazu ein leckeres dunkles Landebier und mit Kohlensäure versetztes Gletscherwasser.

Hansestadt: Die Holzhäuser in Bergen erinnern an diese Zeit. Bild: Adrian Weiler

Besuch von der Feuerwehr

Der nächste Morgen beginnt mit einem Schreck: Neben der Cessna steht die Flughafenfeuerwehr mit zwei Fahrzeugen. Ich hatte am Vorabend vollgetankt und den Tankwahlschalter auf »both« stehen lassen. Auf der leicht schrägen Stellfläche war prompt Avgas über die Entlüftung des hängenden Tanks auf den Beton gelaufen, wo es nun aufgesaugt wird.

Zum Glück sind die freundlichen Feuerwehrleute entspannt und es entstehen auch keine Kosten für mich. Ich folge der Küste nach Norden, denn Wolken und Dunst verhindern einen Flug über die Fjorde im Inland. Wie in Schweden finden sich hier zahllose Inselchen aus Granit. Unerwartet zeigen sich sogar goldgelb leuchtende Strände zwischen steilen Felsformationen. Zum Zwischenstopp in Örsta-Volda (ENOV) drehe ich nach Osten ein wenig in die Fjorde hinein.

Die norwegischen Fjells sind Hochebenen oberhalb der Baumgrenzen, auf denen vor Jahrtausenden Gletscher ruhten.  Bild: Adrian Weiler

Es folgt ein für Mitteleuropäer spannender Anflug durch den Fjord tief über dem Wasser. Bergflanken begleiten mich beidseitig, die Bahn taucht erst beim Eindrehen in den Endanflug auf. Das Tanken hatte ich vorab mit dem örtlichen Luftsportverein vereinbart. Zwei freundliche Mitglieder bedienen die Anlage und laden mich dann auf den Tower ein. Es gibt hier nämlich regelmäßigen Linienverkehr.

Der ist für die Ortsansässigen ungemein wichtig, denn Autofahrten entwickeln sich aufgrund der zerklüfteten Geografie schnell zur Tagesreise, selbst nach Bergen, das nur 200 Kilometer Luftlinie entfernt liegt. Darum hat praktisch jeder größere Ort eine passable Flugplatz-Infrastruktur. 

40 Kilometern Endanflug in gerader Linie

In ENOV allerdings fehlt eine akzeptable Möglichkeit zum Mittagessen. Also rasch weiter, mit der Cessna nur 30 Minuten zum Verkehrsflughafen Kristiansund (ENKB). Der Flug führt wieder die Schärenküste entlang mit dort dunstfreien Sichten bis zum Horizont. So sehe ich die Landebahn schon in großer Entfernung direkt voraus. Auch der Tower gibt mir beim Erstkontakt gleich eine Landefreigabe – mit fast 40 Kilometern Endanflug in gerader Linie! 

Die Piste in Örsta-Volda liegt eingezwängt zwischen Hügeln und dem Fjord. Bild: Adrian Weiler

In der Cafeteria des Passagierterminals kann ich Hunger und Durst stillen, habe aber auch die Airport-übliche Sicherheitsprozedur: Abholung am Flugzeug, kleinste Strecken nur im Auto und mit Begleitung, Sicherheitsschleuse am Ausgang aufs Flugfeld. Dort steht inzwischen ein Airbus aus Oslo. 

Am Nachmittag hat sich das Wetter im Binnenland gebessert. Schon beim Start fiebere ich dem Höhepunkt des Tages entgegen: dem Flug über Fjordland und Gletscher. Dazu steige ich auf 9500 Fuß. Das Gelände ist hoch, und unterhalb der Felskante möchte ich nicht durch die Fjorde fliegen. Das ergibt zwar spektakuläre Aussichten, aber ist aber aus mehreren Gründen keine gute Idee.

Von Meer bis Eis vereint ein Blick Gegensätze der Natur. Bild: Adrian Weiler

Da wäre zum einen der Fluglärm, der tief fliegende Piloten in dieser ursprünglichen Naturumgebung nicht wirklich zu geschätzten Zeitgenossen macht. Auch gibt es Vogelschutzgebiete mit 1000 Fuß AGL Obergrenze, ebenso Seilbahnen und Stromleitungen. Im Fall einer Triebwerkstörung ist das eisige Wasser im Fjord ohne Überlebensanzug keine gute Notlandefläche.

Außerdem käme man wegen der steilen Felsufer vielerorts nicht ohne Weiteres an Land. Auch der Funkkontakt zur Flugsicherung ist in geringer Höhe nicht immer gewährleistet. Die Innenansicht der Fjorde lässt sich wesentlich besser vom Wasser aus genießen.

„Ich kann mich gar nicht sattsehen an der grandiosen, vielgestaltigen Landschaft“

Schiffstouren werden von mehreren Häfen an der Küste angeboten, die gut mit dem eigenen Flugzeug zu erreichen sind. Die Perspektive von oben, wenige 1000 Fuß über den Geländekanten, ist allerdings berauschend schön. Ich reduziere die Leistung auf 50 Prozent, um möglichst langsam unterwegs zu sein. So bleibt mehr Zeit für Sightseeing und Fotos.

Selbst bei gemütlichen 100 Knoten vergeht die Zeit immer noch viel zu schnell. Einen Zeppelin müsste man jetzt haben. Eis, blauer Himmel, grüne Talflecken tief unten, das dunkle Wasser der Fjorde, darin weiße Schiffe. Ich kann mich gar nicht sattsehen an der grandiosen, vielgestaltigen Landschaft.

Der größte Gletscher Kontinentaleuropas

Vor allem der Jostedalsbreen hat es mir angetan. Mit über 40 Kilometern Länge ist er der größte Gletscher Kontinentaleuropas. Eine riesige Ebene aus blendend weißem Schnee erstreckt sich bis zum Horizont. Im Westen ist der Gletscher scharf begrenzt durch jähe Abstürze des Geländes bis hinunter auf Meeresniveau. An den östlichen Rändern läuft das Eis in vielen Gletscherzungen aus. Und über allem leuchtet ein knallblauer, völlig wolkenloser Himmel.

Der Jostedalsbreen ist der größte Gletscher in Kontinentaleuropa. Seine Ausläufer füllen Täler mit Eis bis ans Meer. Bild: Adrian Weiler

Im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig, meinen Kurs nicht noch mehr in Zickzackform angelegt zu haben. Zwar weiche ich angesichts der tollen Landschaft in beide Richtungen mehrfach von der geplanten Route ab, aber eben bei weitem nicht genug, um diese Landschaft gebührend zu würdigen. Zumal bei solchem Traumwetter. Irgendwie ist man als Pilot doch zu sehr darauf geeicht, von A nach B zu kommen, wenn man sich das nicht ganz bewusst abtrainiert. 

Mit einer Cessna 182 Skylane Kurs auf Oslo

So gelange ich letztlich wieder in die niedrigeren Gefilde des norwegischen Fjells mit Kurs auf Oslo. Wie schon am Vortag überfliege ich eine Landschaft aus Granitbuckeln, vielen Seen jeder Größe, und immer mehr Nadelwäldern. Für eine Außenlandung ein denkbar ungeeignetes Terrain.

Darum markiere ich einen zufällig auftauchenden Straßenabschnitt ohne Kurven sofort als Wegpunkt in der Navigations-App – man weiß ja nie, ob man diese »Asphaltpiste« mal brauchen könnte.

Anstelle des internationalen Verkehrsflughafens Gardermoen (ENGM) habe ich den näher an Oslo gelegenen und auf die Allgemeine Luftfahrt sehr viel besser eingestellten Flugplatz Kjeller (ENKJ) als Ziel gewählt. Dort ist PPR vorgeschrieben, auch wenn der Turm bei meiner Ankunft bereits Feierabend hat.

Oslo fasziniert durch moderne Architektur und Städtebau direkt am Wasser

In allen Ländern außer Deutschland ist das bekanntlich kein Problem: Ich stimme mich einfach mit den in der Platzrunde fliegenden Maschinen ab. Im Nachbarort Lilleström bietet die S-Bahn regelmäßige Verbindungen in die Stadt.

Aber angesichts meines Gepäcks und nach einem doch recht anstrengenden Tag erspare ich mir die Mühe und erreiche mein Hotel im modernen Hafenviertel mit dem Taxi in nur 25 Minuten. Viele Städte bestechen durch ihr historisches Stadtbild. Oslo hingegen fasziniert durch moderne Architektur und Städtebau direkt am Wasser.

So ist beispielsweise das schneeweiße Opernhaus in seiner Form einem Gletscher nachempfunden. Mir gefällt auch das Viertel Tjuvholmen, eine clevere Weiterentwicklung des auch aus Hamburg bekannten Konzepts einer Hafencity.

Das Opernhaus in Oslo soll an einen Gletscher erinnern. Bild: Adrian Weiler

Der auf ehemaligen Hafenflächen in kurzer Zeit hochgezogene Stadtteil strahlt eine überraschend lebendige Atmosphäre aus. Die Gebäude sind enorm vielfältig gestaltet. Grundrisse und Fassaden unterscheiden sich sogar in einzelnen Etagen desselben Hauses. Alle oberirdischen Flächen sind Fußgängern vorbehalten; die Straßen verlaufen in einer gigantischen Tiefgarage.

Oslo ist das Vancouver Europas – jung, modern, naturverliebt

Am Wasser zieht sich eine Flaniermeile entlang, mit Terrassen-Cafés, Snack-Ständen und sogar einem Freibad mit Sandstrand und Holzpontons im Oslofjord. Als ich am Abend von meinem nahe gelegenen Hotel loslaufe, begegnen mir viele Norweger in Badehose und Bikini.

Auf einer Liegewiese treffe ich eine junge Kanadierin, die es so ausdrückt: »Oslo ist das Vancouver Europas – jung, modern, naturverliebt.« Dem kann ich aus vollem Herzen zustimmen. Am Tag darauf zieht es mich selbst aufs Wasser. Vor dem Wahrzeichen Oslos, dem Rathaus mit seinen Backsteintürmen, steige ich in ein historisches Segelschiff.

Vorbei an der mittelalterlichen Festung Akershus, den Fährterminals und avantgardistischer Wohnarchitektur geht es hinaus in den Oslofjord. Über weite Strecken säumen dort pittoreske Badehütten aus Holz und Glas das Ufer, von deren Sonnendecks Badeleitern ins Wasser führen. 

Etwas außerhalb des Zentrums von Oslo ist das Ufer gesäumt von Badehütten. Bild: Adrian Weiler

Insgesamt verbringe ich drei Tage in der Stadt, ohne mich auch nur eine Minute zu langweilen. Dann ziehen von Westen her Tiefdruckgebiete mit viel Regen auf, die einen baldigen Heimflug nahelegen. Eine Zwischenlandung in Halmstad (ESMT) an der schwedischen Westküste muss noch sein: zum Tanken und wegen der Zollpflicht bei Einreise aus Ländern außerhalb der EU. 

Zu Hause angekommen helfen mir dann mehr als 800 Fotos, die vielen Eindrücke noch einmal in Ruhe Revue passieren zu lassen und eigentlich erst zu diesem Zeitpunkt richtig zu verarbeiten. Wie schon gesagt: Cessna, Autopilot, Kamera – eine unschlagbare Kombination.

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Text und Bilder von Adrian Weiler

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