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Socata TB 10 Tobago: Besuch auf der dänischen Privatinsel Vejrø


Diese Ruhe! Himmlisch! Seit wir den Motor unserer Tobago abgeschaltet haben, ist nichts mehr zu hören außer dem Plätschern der Wellen am Strand von Vejrø, gleich hinter dem Ende der Piste. Ab und zu kreischt […]

Von Thomas Borchert

Diese Ruhe! Himmlisch! Seit wir den Motor unserer Tobago abgeschaltet haben, ist nichts mehr zu hören außer dem Plätschern der Wellen am Strand von Vejrø, gleich hinter dem Ende der Piste. Ab und zu kreischt ein Raubvogel. Auf der Ostsee setzt ein Schwanenpaar zur Landung an; im Teich neben der Bahn quaken die Frösche. Vom blauen Himmel strahlt die Sonne zwischen ein paar Wolkentupfern herunter. Wir könnten gleich zum Strand, sind ja nur zwanzig Meter. Oder an den Grillplatz zwischen den Sträuchern gegenüber.

Aber da kommt schon Thomas Gellert Larsen auf einem geländetauglichen Quad angeknattert, einer Art Motorrad mit vier Rädern. Der Däne ist Chef der Insel – also lassen wir uns von ihm samt Gepäck in den Anhänger seines Gefährts verfrachten. Wenn Piloten vor ihrem Besuch anrufen, holt er sie gerne ab, versichert Thomas.

Hindernisfrei: 600 Meter lang ist die Grasbahn der Insel. Am Rand steht nur eine Holzhütte
(Foto: Christina Scheunemann)

Vor gut einer Stunde sind wir in Uetersen gestartet, an Lübeck vorbei Richtung Fehmarn. Der Hüpfer über den Fehmarnbelt war schnell gemacht, dann über Lolland hinweg – und da liegen sie: eine Handvoll Inseln wie aus dem Ostsee-Bilderbuch. Das Meer ist hier so flach, dass es in allen denkbaren Schattierungen von Blau und Türkis schimmert. Wenn die sattgrünen Weiden nicht wären, könnte man sich in der Karibik wähnen.

Das Beste: Zwei der Inseln in dieser Gegend haben Flugplätze! Femø mit seinem Wirtshaus am Ende der Bahn (siehe fliegermagazin 07/2010) und das winzige Eiland Vejrø, gerade mal 2,6 Kilometer lang und 700 Meter breit – an der breitesten Stelle. Ein Inselrundflug ist also schnell gemacht: Am südwestlichen Rand liegen beide Enden der 600 Meter langen Graspiste direkt an der Ostsee. Die Westseite erscheint unberührt, sogar so etwas wie Urwald ist zu erkennen. Nach Osten hin grenzen einige Felder und Weiden, dann kommen vielleicht fünf Häuser, der Yachthafen, ein Leuchtturm – und das war’s auch schon. Prächtig liegt ein weißes Gebäude an einer großen Wiese, der Ausblick auf die Ostsee muss fantastisch sein. Bald lernen wir, dass das Haus Skipperly heißt, Restaurant und Hofladen beherbergt, und so etwas wie die Inselzentrale ist.

Schon vor Jahren war Vejrø ein Geheimtipp unter Seglern und Piloten – als eine Art Abenteuerspielplatz mit morbidem Charme und einzigartiger Atmosphäre. Die Insel war unbewohnt bis auf einen Hafenmeister im Sommer; die Häuser der wenigen Bauern, die bis in die siebziger Jahre durchgehalten hatten, lagen verlassen und verfallen da. Vejrø bot unberührte Natur und traumhafte Strände – doch zeigten sich auch die dunklen Seiten der menschlichen Natur: Es gab Vandalismus an den Bauten auf der Insel, Möbel, Türen und Ausrüstung wurde gestohlen, Schutt abgeladen. Jahrelang stand die Insel zum Verkauf und dämmerte in einem Dornröschenschlaf.

Typisch Ostsee: Die Segler nutzen den Badestrand am Hafen (Foto: Christina Scheunemann)

Aus dem ist sie nun erwacht: 2005 erfüllte sich der Däne Kim Fournais einen Traum und kaufte Vejrø. Fournais ist nicht irgendwer: Der Mittvierziger ist Multimillionär und einer der reichsten Männer Dänemarks. Mit einem Geschäftspartner ist er Inhaber der von beiden gegründeten Saxo Bank.


Wir parken unsere Tobago neben einer Pilatus PC-12 im hohen Gras

Im Insel-Restaurant treffen wir Fournais, neben dessen Pilatus PC-12 wir unsere kleine Tobago im hohe Gras geparkt hatten. So oft er kann, fliegt er von Kopenhagen herüber, was kaum eine Viertelstunde dauert. Fournais hat eine klare Vision: „Hier lebte früher eine kleine Gemeinschaft, die jagte, fischte und das Land bestellt – weitgehend unabhängig von der Außenwelt. Ich möchte die Insel zurückführen zu diesem Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur.“ Von der Energieerzeugung bis zu dem, was es hier zu essen gibt, soll alles unter ökologischen Aspekten erzeugt werden – ein Öko-Paradies mitten in Dänemark. Kim Fournais investiert Millionen in seinen Vejrø-Traum. Jetzt sitzt er, gar nicht wie ein Banker, in Shorts und T-Shirt am Tisch, doch der knallharte Geschäftsmann kommt zum Vorschein: „Ich bin überzeugt, dass sich unser Konzept von einer Insel, auf der Gäste Ferien verbringen oder Seminare und Business-Meetings in einzigartiger Umgebung erleben können, auf Dauer wirtschaftlich tragen kann. Und das wird es auch müssen!“

Diese klare Ansage hilft, die Preise auf der Insel nachzuvollziehen. Vejrø ist – man muss es so sagen – teuer. Das fängt mit der Landegebühr von 50 Euro an und geht mit der Speisekarte des Restaurants weiter, in dem es allerdings ausgesprochen leckere und ausgefallene Gerichte gibt, die fast ausschließlich mit Bio-Erzeugnissen der Insel gekocht werden. Auch die sehr stilvoll eingerichteten Ferienhäuser übersteigen das anderswo in Dänemark übliche Preisniveau deutlich, ebenso die Liegegebühren im Hafen, wie uns die Segler bestätigen. Dennoch sagt jeder von ihnen das Gleiche: Vejrø ist so einzigartig und besonders, dass es den Preis wert ist.

Einsam: Zum Flugplatz verirrt sich kaum jemand. Ein Strand liegt gleich daneben
(Foto: Christina Scheunemann)

Wir nehmen uns ein paar der Fahrräder, die vor dem Restaurant für Besucher zur Verfügung stehen, und machen einen Ausflug. Gleich am Anfang treffen wir Kinder, die mit einem Pony herumtoben – das Pippi-Langstrumpf-Klischee ist voll erfüllt. Auf Feldwegen passieren wir Rinder, Schafe und Schweine, Hühner und Fasane. Insel-Direktor Thomas Gellert Larsen und seine Frau Sissel managen die Landwirtschaft auf Vejrø nach ökologischen Maßstäben. An einem Kräutergarten, Erdbeerbeeten, Obstbäumen und Getreidefeldern radeln wir vorbei, dann wird es einsam und idyllisch. Traumhafte Strände verstecken sich hinter wilden Kiefernwäldchen, immer wieder zeugen verfallene Mauern von der Besiedlung der Insel, die schon im Mittelalter bewirtschaftet wurde. Auf dem winzigen Friedhof sind immer die gleichen Namen der wenigen Familien zu lesen, die hier ihr Auskommen fanden.


Abends sitzen wir mit Sissel und Thomas im Restaurant zusammen, das in bestem dänischen Design gestaltet ist. Tatsächlich ist der Blick durch die hohen Fenster auf die Ostsee wunderschön. Es gebe noch so viel zu tun auf ihrer Insel, erzählen die beiden. Ferien-Apartments sollen gebaut werden, damit auch Kurzzeit-Besucher eine Bleibe finden, die nicht gleich ein ganzes Haus brauchen. Der landwirtschaftliche Betrieb muss sich etablieren, die sanitären Anlagen am Hafen sind noch nicht fertig. Wird nun aus dem verfallenen Romantik-Eiland ein elitäres Luxus-Resort? Oder ist die Vision vom Öko-Paradies gerade in unserer Zeit genau die richtige? Es wird sich zeigen müssen, ob die Nachfrage für das Konzept von Kim Fournais die Insel trägt. Auf unserem Weg an Brombeerhecken entlang zurück zum Flugplatz sind wir uns jedenfalls einig, dass Vejrø tatsächlich eine ganz besondere Atmosphäre hat, die einen Besuch wert ist.

Fotos: Christina Scheunemann, fliegermagazin, 4/2012

Über den Autor
Thomas Borchert

Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.

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