Unfallakte

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Kollision in Bodennähe: Zusammenstoß von C42 und Yak-3

Hohe Geschwindigkeit, Formationsflug und tiefe Überflüge bei Verkehr in der Platzrunde – da bleibt nicht viel Spielraum. Und dann versagt auch noch die Kommunikation

Von Redaktion

Am 24. August startet ein UL-Hochdecker des Typs C42 vom ehemaligen Militärflugplatz Bremgarten am Fuße des Südschwarzwalds zu einem Übungsflug. An Bord sind der 61-jährige Pilot und sein 36 Jahre alter Fluglehrer. Sie haben an diesem Tag bereits mehrere Flüge unternommen; es geht um die Lizenzverlängerung des Piloten. Um 12.20 Uhr hat die C42 erneut abgehoben, um das Übungsprogramm fortzusetzen. Wenige Minuten zuvor ist bereits eine andere Maschine von dem Sonderlandeplatz gestartet. Es ist die modernisierte Version einer sowjetischen Yak-3UA, ein ehemaliges Jagdflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg. Leistung: 1240 PS, Geschwindigkeit: bis zu 700 km/h. Mit seinem 80-PS-Rotax wirkt das UL dagegen wie eine Singdrossel neben einem Habicht.

Der schnelle Tiefdecker ist auf dem Weg zum Kaiserstuhl, wo er sich mit einem zweiten Jäger vom Typ Yak-9 treffen will. Diese Maschine ist 20 Minuten nach dem UL gestartet. Die Piloten haben vor, über dem Kaiserstuhl mit dem Formationstraining für eine Flugshow zu beginnen. Beim Formationsflug sind die Aufgaben klar verteilt: Der Leader ist für Funk und Navigation verantwortlich, der Wingman konzentriert sich voll auf seinen Vordermann, hält exakt den Abstand zu dessen Maschine und folgt seinem Kurs. Dazu gehört zwangsläufig blindes Vertrauen in den Formationsführer; auch die Luftraumbeobachtung ist Sache des Leaders.

Start in Bremgarten: Yak-3 auf dem Weg zum Formationsflug

Die Yak-9 übernimmt die Führung. „Yak formation heading for a run in and break“, funkt ihr Pilot wenige Minuten später an den Flugleiter in Bremgarten. Die Piloten wollen über der Asphaltpiste von EDTG ein Manöver aus der Militärluftfahrt fliegen, einen so genannten break: Einem schnellen, tiefen Anflug folgt abruptes Abdrehen in einer engen Kurve. Der Flugleiter des Sonderlandeplatzes informiert die Yaks über den Platzrundenverkehr mit zwei Luftfahrzeugen. Die Formation bleibt vorerst in größerer Höhe und wartet, bis der Flugleiter sie um 12.45 Uhr anfunkt und nur noch ein Flugzeug in der Platzrunde meldet. Dass es sich um ein langsames Ultraleichtflugzug handelt, erfährt der Yak-9-Pilot nicht. Er antwortet kurz: „… coming in for a run in and break to the right“ und leitet damit das Manöver ein. Von der Infostelle kommt die Bestätigung: „Yak formation, that’s copied, continue.“

Unglücksprotokoll: Das Schaubild der BFU zeigt den Flug- weg der Yaks und deren Funkverkehr (Foto: BFU)

Jetzt meldet sich auch der UL-Pilot im Funk – auf Deutsch: „Queranflug Piste 23 Gras, aufsetzen und durchstarten.“ Eigentlich müsste diese Meldung für die Yak-Piloten nur eines bedeuten: abbrechen! Doch weder der italienische Formationsführer noch sein argentinischer Wingman sprechen Deutsch. Sekunden danach meldet der Yak-9-Pilot: „… final for the run in and break.“ Der Flugleiter bestätigt erneut: „Yak formation continue.“ Offenbar bemerkt er erst nach seiner Ansage, dass die Formation dem UL nun gefährlich nahe kommt und ergänzt: „There is one aircraft on short final for grass strip.“
Die Yaks schießen jetzt mit etwa 460 km/h auf die Schwelle der Asphaltpiste zu. Aus ihrem Cockpit ist die Sicht nach vorn durch Streben und Motorcowling eingeschränkt. Die Formation fliegt in Bezug zum UL, das jetzt im Endanflug ist, von hinten links, etwas erhöht heran: Sie liegt damit außerhalb des Sichtbereichs des UL-Piloten; die Annäherungsrate beträgt 97 bis 101 Meter pro Sekunde.

Kollision von C42 und Yak-3: Situation falsch eingeschätzt

Die UL-Besatzung ahnt nicht, in welcher Gefahr sie sich befindet. Zehn Sekunden nach der letzten Meldung des Flugleiters kollidiert die Yak-3 des Flügelmanns, der sich allein auf seinen Leader konzentriert, mit dem UL. Der Tiefdecker reißt mit seiner rechten Tragfläche das linke Flügelende der C42 auf Höhe der Querruderanlenkung ab, das UL verliert dabei einen 1,45 Meter langen Teil des Außenflügels und stürzt fast senkrecht in die Tiefe. Der Fluglehrer löst zwar geistesgegenwärtig unmittelbar nach der Kollision das Rettungssystem aus, doch es kann den Sturz nicht mehr ausreichend abbremsen. Beim Aufschlag werden beide Insassen schwer verletzt, der Schweizer Pilot stirbt wenig später im Krankenhaus an den Folgen seiner Verletzungen. Auch die Yak-3 hat bei der Kollision einen Teil ihres Außenflügels eingebüßt, kann aber sicher landen. Der Formationsführer gibt später an, er sei dem UL nach unten ausgewichen. Auch er landet sicher in Bremgarten.

Alter Krieger: Die Yak-3, hier als Baureihe U mit Sternmotor, erreicht bis zu 700 km/h (Foto: Martin Naß)

Bei den Ermittlungen durch die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) spielt die unzureichende Kommunikation zwischen Flugleitung und Piloten eine zentrale Rolle. Aus dem Funkspruch „Yak formation continue“ schließen die BFU-Experten, dass der Flugleiter die Situation nicht als gefährlich einschätzte: Allgemein wird die Redewendung „continue“ als Anweisung für die Landefolge ausschließlich an kontrollierten Plätzen gebraucht, so steht es unter anderem in den Nachrichten für Luftfahrer (NfL-I-229/09). Offenbar sei der Flugleiter fast bis zuletzt davon ausgegangen, dass keine Kollisionsgefahr zwischen Yaks und dem die Grasbahn anfliegenden UL bestünde, da die Formation ihr Manöver ja im Bereich der Asphaltpiste durchführen würde. Das war eine Fehleinschätzung, denn für ein gleichzeitiges Anfliegen, so der Abschlussbericht der BFU, sei der Geschwindigkeitsunterschied zwischen den Yaks und dem UL zu groß, der Abstand zwischen beiden Pisten mit fast 180 Metern zu gering gewesen – zumal für einen tiefen Überflug in Formation.

Kollision in Bodennähe: Verkettung von Faktoren

Paralleler Betrieb sei unter diesen Bedingungen inakzeptabel, so die BFU. Eine gründliche Absprache aller Beteiligten über das beabsichtigte Manöver – am besten schon vorab und nicht erst in der Luft – hätte das Verständigungsproblem verhindert. Zur unglücklichen und schließlich tödlichen Verkettung von Missinterpretationen, Sprachschwierigkeiten und fehlender Sicht auf die jeweils anderen wäre es dann erst gar nicht gekommen. Im Dezember 2011 wurden gegen die beiden Yak-Piloten Strafbefehle wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in Höhe von 84 000 Euro und 120 000 Euro erlassen (je 240 Tagessätze). Beide nahmen den Strafbefehl an. Das Ermittlungsverfahren gegen den Flugleiter wurde gegen Zahlung einer Geldstrafe von 7500 Euro eingestellt.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 3/2012

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