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Ausbildung aus Lehrersicht

Viele Anfänger stellen sich die bange Frage, was der Lehrer bei Schulungsbeginn von ihnen erwartet. Einfache Antwort: Begeisterung fürs Fliegen

Von Heike Schweigert
Am besten freundschaftlich: Autorin 
Heike Schweigert (links) mit Flugschülerin Foto: Heike Schweigert

Natürlich fällt mir eine lange Liste von Eigenschaften ein, die ein Flugschüler mitbringen sollte. Aber eigentlich ist nur die Begeisterung fürs Fliegen wichtig. Egal, warum jemand fliegen lernen möchte, ob zum reinen Vergnügen, um für die Arbeit von A nach B zu kommen oder als Berufsziel – entscheidend ist, dass es dem angehenden Piloten Spaß macht.

Schnupperflüge geben einen ersten Einblick in die Fliegerei

Schnupperflüge sind der richtige Weg, um herauszufinden, ob die Fliegerei das richtige für einen daran Interessierten ist. Jede Flugschule sollte sie anbieten. Bei diesem ersten Flug vorne links in einer einmotorigen Propellermaschine geht es nicht darum, gleich zu lernen wie alles funktioniert, sondern um das Erlebnis. „Wow“, sagt das Bauchgefühl, und die Augen leuchten. Dann weiß ich als Fluglehrer: Es hat gefunkt. Erst nach der zweiten oder dritten Stunde in der Luft, wenn die ersten Manöver geübt werden, der Schüler ein Gefühl für die Bewegung in der dritten Dimension bekommt und grundlegende Techniken zur Flugzeugsteuerung erlernt, beginnt die Arbeit. Und zwar für Schüler und Lehrer, in Theorie und Praxis. Was erwarte ich von meinen Flugschülern?

Die richtige Einstellung, Vorbereitung, Pünktlichkeit und Lernbereitschaft. Vor allem aber muss die Chemie zwischen uns stimmen. Flugunterricht ist eine so individuelle und persönliche Angelegenheit: Sie funktioniert meiner Meinung nach nicht ohne eine freundschaftliche Beziehung zwischen Schüler und Lehrer. Wenn die nicht entsteht, ist es besser, der Schüler wendet sich an einen anderen Ausbilder. Die Initiative dazu kann vom Schüler ebenso ausgehen wie vom Lehrer. Auch ich habe schon Leute zu anderen Ausbildern geschickt – und dann beobachtet, dass sie sich prima entwickelt haben, sicherlich besser, als es mit mir je geklappt hätte,. Das Selbstbewusstsein für einen Wechsel sollte jeder Flugschüler mitbringen. Je früher dies geklärt ist, desto besser.

Einstellungssache

Auch die passende Selbsteinschätzung des künftigen Piloten ist wichtig. Mein Motto ist, Flieger und Fliegerinnen auszubilden, nicht Piloten. Der englische Begriff „Aviator“ gefällt mir besser. Es geht nämlich um die Einstellung zum Fliegen. Wer seine Grenzen nicht respektiert oder nicht bereit ist, bei jedem Flug etwas zu lernen, der wird sich und andere gefährden. Jedem Piloten, egal ob schon mit oder noch ohne Schein, sollte klar sein, dass wir niemals perfekt fliegen können.

Auch Theorie zählt: Ohne Papierkram und Studium von Büchern verläuft keine Flugausbildung erfolgreich. Die Lehrerin kann beim Verständnis helfen

Zur richtigen Einstellung gehört für mich auch die Rücksichtnahme auf andere Piloten, mit denen wir uns den Luftraum teilen, sowie auf alle anderen Beteiligten, egal ob Anwohner oder Hallenplatznachbar. Schon wieder gibt es dafür keinen guten deutschen Begriff, im Englischen gefällt mir die Bezeichnung „airmanship“. Dazu zählt beispielsweise der Blick nach hinten vor dem Anlassen des Motors und vor dem Magnetcheck. Nur so kann ich verhindern, dass jemand an- oder gar weggeblasen wird. Das steht auf keiner Checkliste, gehört aber zu den guten Manieren, der „good airmanship“.Jede Frage, die der Schüler stellt, freut mich. Wenn etwas nicht ganz klar ist, muss nachgefragt werden. Der Lehrer kann nicht immer erraten, ob der Schüler wirklich verstanden hat, was er erklärt hat. Das gehört für mich zur aktiven Lernbereitschaft, ebenso wie das Zuhören und Umsetzen der Anweisungen im Cockpit. Insbesondere in den ersten 15 Flugstunden werden erfahrungsgemäß die Gewohnheiten des angehenden Piloten geprägt. Handgriffe und Checks werden gedrillt. Ja, gedrillt. Hier ist die falsche Zeit und der falsche Ort, etwa über den Sinn einer Checkliste zu diskutieren – sie wird abgearbeitet ohne Wenn und Aber. Das ist ein Teil der Disziplin, die der Schüler mitbringen oder spätestens an dieser Stelle lernen muss.

Einen guten Schüler macht Vorbereitung und Pünktlichkeit aus

Schön ist, wenn der angehende Pilot vorbereitet zum Flugunterricht kommt. Das heißt in den ersten Stunden, dass er sowohl die Checkliste als auch die relevanten Geschwindigkeiten verinnerlicht hat, und gegen Ende der Ausbildung, dass die Flugvorbereitung ausgearbeitet mitgebracht wird. Am liebsten natürlich komplett inklusive Weight & Balance-Berechnung, die viele Schüler oft vergessen. Jeder Fluglehrer freut sich übrigens auch über den körperlichen Teil der Vorbereitung: frisch geduscht und bitte ohne vorherigen Knoblauchverzehr. Es ist eng im Cockpit, und garantiert schwitzt der Schüler mehr als der Lehrer.

Tja, und dann ist da das Thema Pünktlichkeit. Sie gehört leider auch zur Disziplin und somit zur Fliegerei. Einerseits kostet das Flugzeug Geld, wenn es am Boden steht. Für Berufspiloten und Fluglehrer – Personen, die versuchen, mit der Fliegerei ihren Lebensunterhalt zu verdienen – bedeutet es zudem schlichtweg eine Verringerung des Einkommens. Das mag einem künftigen Privatpiloten nicht immer klar sein. Wobei wir beim nächsten Punkt sind: Klarheit. Die ist vor allem im praktischen Teil unerlässlich. Die klare Ansage, wer die Steuerung übernimmt, mit „your control, my control“, ist lebenswichtig.

Mitarbeit außerhalb des Cockpits

Außerhalb des Flugzeugs bestreiten wir gemeinsam die Theorie-Stunden. Und die bereiten auch mir nur Freude, wenn alle mitmachen. Ein Absitzen der Zeit seitens der Schüler bringt keinen weiter. Zugegeben, manche Themen sind sehr theoretisch – man denke etwa an den adiabatischen Hebungsprozess aus der Wetterkunde. Aber selbst hier wird es spannend, wenn der Schüler den Praxisbezug versteht, das Wetter besser interpretieren kann und dadurch ein sicherer Pilot wird. Ich liebe es, Fluglehrerin zu sein, denn ich freue mich immer wieder über das nicht abstellbare Grinsen in den Gesichtern der Schüler, die ihren ersten Soloflug gemeistert haben. Und ich bin stolz auf jeden, der nicht nur seine Prüfungen bestanden hat, sondern in seiner Ausbildung ein sicherer Pilot mit der richtigen Einstellung geworden ist. Ein Aviator eben.

Text & Fotos: Heike Schweigert fliegermagazin 05/2012

Über den Autor
Heike Schweigert

Mit CPL, Lehr- und Prüfberechtigung ausgestattet, zieht es Heike Schweigert seit fast 20 Jahren in die fliegerische weite Welt. Zunächst in die Buschfliegerei nach Botswana und später zum Wasserfliegen nach Norwegen. In den letzten fünf Jahren hat sie den südamerikanischen Kontinent von Uruguay aus erkundet. Ihre Spezialität ist neben der Flugschulung die Organisation und Durchführung internationaler Flugreisen. Für das fliegermagazin ist sie seit 2001 als freie Journalistin tätig.

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