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Gebirgsflug endet tödlich: PA-28 kollidiert in der Schweiz mit Gelände
Trotz ausreichender Sicht und Einhaltung der Masse- und
Schwerpunktgrenzen zerschellt eine Piper Warrior nach dem Start am Schweizer Flugplatz Sion (LSGS) in den Alpen. Der Pilot überschätzt die Steigleistung seiner Maschine.

Das Fliegen im Gebirge ist anspruchsvoll. Immer wieder kommt es zu Unfällen, weil Piloten die Leistungen ihres Fluggeräts überschätzen. Auch Einheimische und erfahrene Flieger sind hiervor nicht gefeit. Ein Unfall mit einer Piper PA-28 Warrior im August 2017 zeigt dies auf tragische Weise. Er endet für die drei Insassen tödlich. Der Pilot plant gemeinsam mit zwei Passagieren einen Flug vom schweizerischen Biel Kappelen (LSZP) nach Locarno (LSZL).
Nach dem Start um 10:15 Uhr fliegt der Tiefdecker unter anderem zum Greyerzersee und von dort in Richtung Rhônemündung zum Genfersee. Der weitere Flugweg führt ins Rhônetal Richtung Sion. Um 11:01 Uhr nimmt der Pilot der 160 PS starken Maschine Kontakt mit dem Flughafen Sion (LSGS) auf und fragt, ob „Sion Military“ aktiv sei. Der Flugverkehrsleiter (FVL) weist ihn darauf hin, dass er ohne Genehmigung in die Sioner Kontrollzone eingeflogen sei.
Pilot bestätigt linken Gegenanflug der Piste 25
Anders als ursprünglich geplant, entscheidet sich der Flugzeugführer daraufhin zur Landung in Sion und setzt um 11:38 Uhr auf der Piste 25 des Flughafens auf. Das Wetter an diesem Tag ist sommerlich schön. Entlang der Bergflanken zeigen sich vereinzelte Wolken in zirka 8.000 Fuß, die Sicht beträgt mehr als 30 Kilometer. Es herrscht leichter Nordföhn, der Wind ist allerdings nicht böig. Nach der Pause meldet die Besatzung ihren Rückflug nach Biel Kappelen an. Der Pilot beabsichtigt, zunächst in Richtung des Pflichtmeldepunktes NW westlich von Sion und dann in Richtung des Sanetschpasses zu fliegen.
Sein ursprünglicher Plan war es, weiter nach Westen zu fliegen und unter anderem die Ortschaft Martigny zu passieren. Da nach der Piper ein Flugzeug nach Instrumentenflugregeln starten will, fragt der Flugverkehrsleiter, ob die PA-28 auch entlang des linken Gegenanflugs der Piste 25 abfliegen könne. Der Pilot bestätigt dies.
Unzureichende Steigleistung
Um 12:48 Uhr hebt die Maschine schließlich ab. Drei Minuten später bittet der Flugverkehrsleiter den Piloten sich zu melden, wenn er bereit sei, nach links Richtung Sanetschpass zu drehen. Der Flugzeugführer antwortet, dass dies bereits möglich sei und dreht ab. Das nun vorausliegende Gelände steigt in Flugrichtung an. Verschiedene Personen beobachten, wie das Flugzeug in Richtung Pass fliegt. In einer Höhe von zirka 5.000 Fuß leitet der Pilot eine Steigflugkurve nach links ein. Nach einem Vollkreis entscheidet er sich zum Weiterflug.
Dabei nähert sich der Tiefdecker dem Terrain unter ihm immer weiter an. Es kommt, wie es kommen muss: Um 13:09 Uhr kollidiert die Piper in einer Höhe von rund 6.890 Fuß mit dem Gelände. Nachdem das Flugzeug zum Stillstand gekommen ist, bricht starkes Feuer aus. Den Ersthelfern gelingt es nicht mehr, die Insassen zu bergen – sie versterben noch an der Unfallstelle.
Bei der Untersuchung des Unglücks durch die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) steht die Flugtaktik des Piloten im Vordergrund. Gemäß der Schweizer ICAO-Karte beträgt die Mindesthöhe für den Überflug des Passes 8.400 Fuß. Diese erreichte die Maschine nie. Die anhand des Flugverlaufs durch die Ermittler errechnete durchschnittliche Steigleistung der Piper betrug am Unfalltag 340 Fuß pro Minute. Dies entspricht etwa den Angaben im Flughandbuch. Der Weg und damit die Flugzeit bis zum Überqueren des Passes waren zu kurz, um die erforderliche Höhe zu erreichen.
Fehlerhafte Flugtaktik
Wie bereits auf dem Flug nach Sion, als der Pilot spontan das Flugziel änderte, zeigte er sich auch vor dem Abflug sprunghaft. Anders als ursprünglich geplant, verkürzte er die Abflugroute, indem er angab, nur bis zum Punkt NW zu fliegen und dann in Richtung des Sanetschpasses abdrehen zu wollen. Als der Flugverkehrsleiter ihn nun bat, direkt in den linken Gegenanflug der Piste 25 zu fliegen, verkürzte er den Flugweg zusätzlich.
Bei einer errechneten Steigleistung von rund 300 Fuß pro Minute gegen Ende des Flugs hätte die Piper noch etwa 12 bis 15 Minuten Flugzeit benötigt, um die nötige Höhe für die Passüberquerung zu erreichen. Die Entscheidung, eine Steigflugkurve einzuleiten, war zwar richtig, doch ein einziger Vollkreis genügte nicht, um ausreichend Höhe zu gewinnen.
Pilot verletzt Grundsätze der Flugtaktik
Beim Weiterflug in Richtung Pass verletzte der Pilot die Grundsätze der Flugtaktik im Gebirge eklatant. Demnach sollten Pässe stets mit einer Sicherheitsüberhöhung von 1.000 Fuß überflogen werden. Die Möglichkeit, eine Umkehrkurve fliegen zu können, sollte immer gegeben sein. In der Tat hätte der Pilot bis kurz vor dem Unfall noch die Chance gehabt umzukehren. Hiervon machte er keinen Gebrauch. Die Beobachtungen von sieben Augenzeugen im Unfallgebiet bestätigen dies. Erschwerend kam hinzu, dass an der Unfallstelle bodennahe Abwinde vorherrschten, die die Steigleistung gemäß Abschlussbericht weiter reduziert haben.
In der Schweizer AIP wird darauf verwiesen, dass Piloten mit geringer Erfahrung im Gebirge von Alpenüberquerungen bei Föhnlagen abgeraten wird. Mit einer Gesamtflugerfahrung von zirka 200 Stunden in den letzten 14 Jahren ist die Flugerfahrung des Piloten als eher gering einzuschätzen. Technische Mängel am Luftfahrzeug konnten nicht festgestellt werden. Beladung und Schwerpunkt befanden sich im zulässigen Bereich. Auch gesundheitliche Beeinträchtigungen des Piloten wurden ausgeschlossen.
Anspruchsvolles Terrain
So ist dieser tragische Vorfall darauf zurückzuführen, dass die Piper schlichtweg zu tief flog, um den vor ihr liegenden Berg überqueren zu können. Eine mangelhafte Flugvorbereitung und vor allem die mehrmalige Verkürzung des Flugwegs haben zum Unfallgeschehen beigetragen. Ohne entsprechendes Training und eine gewisse Erfahrung bergen Flüge im Gebirge stets erhebliche Risiken. Im Zweifel sind Piloten gut beraten, einen Flug abzusagen oder sich einen erfahrenen Gebirgsflieger an die Seite zu holen.
Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.
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