Unfallakte

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Gefahr durch nasse Grasbahn: Startabbruch einer Cessna 152 mit Überschlag

Viele Unfälle passieren so rasend schnell, dass die Beteiligten hinterher oft gar nicht sagen können, wie das eigentlich vor sich ging. Manchmal aber ist es umgekehrt: Dann kommt das Übel im Zeitlupentempo daher

Von Redaktion

In Europa fliegen zu lernen hat mindestens einen großen Vorteil: Kurze Pisten und holprige Grasstreifen gehören von der ersten Flugstunde an zur alltäglichen Herausforderung. Wer dagegen mit US-Lizenz nach Europa kommt, muss sich an solche Verhältnisse erst gewöhnen. Ähnlich erging es einem österreichischen Flugschüler, der seine US-Lizenz im Schweizer Kanton Luzern in einen PPL-A nach JAR-FCL umschreiben lassen wollte. Im Januar 2005 startet der 37-Jährige mit einer Cessna 152 vom Flugplatz Beromünster. Nach zwei Fullstop-Landungen mit Fluglehrer soll er unweit des 17 Kilometer nordwestlich von Luzern gelegenen Platzes in einem Übungsraum noch einige Manöver allein fliegen.

Die 400 Meter lange Grasbahn von Beromünster ist an diesem Tag aufgeweicht und auf einer Länge von 110 Metern unbenutzbar. Nach AIP müsste dieser Bereich eigentlich mit einem Kreuz markiert werden – ist er aber nicht. Trotz des schlechten Pistenzustands und der anspruchsvollen Verhältnisse am Platz hat der Lehrer einen Flugauftrag erteilt. Später wird er dazu aussagen: „Obwohl der Pistenboden nicht hart war, sind wir zusammen beide Male gut vom Boden weggekommen. Andernfalls hätte ich den Flugschüler nicht allein starten lassen.“ Nachdem der Flugschüler sein Übungsprogramm beendet hat, kehrt er wieder zum Flugfeld zurück, um dort noch einige Durchstartmanöver zu trainieren. Beim ersten Versuch geht zunächst alles glatt. Nach einer perfekten Landung kurz hinter dem vorgesehenen Aufsetzpunkt beschleunigt er erneut.

Cessna 152: Überhastetes Bremsen beim Startabbruch

Sekunden später bemerkt er aber, dass der Hochdecker nicht ausreichend Fahrt aufnimmt; er bricht den Startversuch ab und bremst die Maschine stark ab. Dabei senkt die Cessna ihre Nase und kippt schließlich ganz langsam kopfüber auf den Rücken. Der Flugschüler klettert unverletzt aus dem Wrack. „Auf dem Rücken habe ich mich losgeschnallt und das Flugzeug sofort verlassen“, gibt er später zu Protokoll. Er konnte vor dem Überschlag aber weder einen Leistungsabfall noch einen anderen technischen Defekt bemerken, sagte er den Unfallermittlern. Die Bilanz des Crashs: wirtschaftlicher Totalschaden an der Cessna. Schnell ist klar, was der Schüler falsch gemacht hat. Schon beim Beschleunigen hatte er das Bugrad nicht ausreichend entlastet. Die Cessna konnte in der Folge wegen des wachsenden Widerstands auf dem nassen Untergrund nicht ihre Startgeschwindigkeit erreichen.

Nach dem Abbruch – in diesem Moment die einzig richtige Entscheidung – bremste der Flugschüler so schnell ab, dass sich das Bugrad in den Boden bohrte und das Flugzeug nach vorne purzelte. Das Kuriose dabei: Der Crash passierte derart langsam, dass noch nicht einmal der Notsender im Rumpf ausgelöst wurde. Abgesehen von der „unzweckmäßigen Starttechnik“ und dem überhasteten Bremsen des Flugschülers stellten die Experten aber als Unfallursache fest, dass der Instruktor seinen Schützling schlicht überfordert hatte. Der konnte zwar schon rund 95 Stunden Flugerfahrung nachweisen und besaß eine gültige FAA-Lizenz. In den USA war er es aber gewohnt, auf kilometerlangen Hartbelagpisten zu landen. Sein letzter Touch and go lag zudem mehr als vier Monate zurück.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 5/2007

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