Unfallakte

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Gefangen im Bodeneffekt: Cessna 182 verunglückt beim Start zu einem Absetzflug

Vier Fallschirmspringer starten zu einem Absetzflug mit einer Cessna 182. Doch das Flugzeug macht keine Höhe, zum Absprungpunkt kommt die Maschine erst gar nicht

Von Redaktion

In bestimmten Flugzuständen haben Luftfahrzeuge eine besondere Neigung zur Trägheit. Eine Extremform ist der Sackflug. Bei Kurzlandemanövern mit speziellen Flugzeugmustern ist er unter Umständen ein Segen, weil dadurch steil und mit niedriger Geschwindigkeit Höhe abgebaut werden kann. In anderen Situationen ist der Sackflug dagegen ein Fluch, weil die Maschine nur noch eingeschränkt und verzögert reagiert.

Ein Unfall auf dem baden-württembergischen Sonderlandeplatz Unterschüpf im Main-Tauber-Kreis zeigt, dass der Sackflug sogar beides zugleich sein kann, Fluch und Segen. Der 30. August im Jahr 2014 ist ein ruhiger Spätsommertag mit Sichtweiten über zehn Kilometern und einem lauen Wind von drei Knoten aus nordwestlicher Richtung. Bei 15 Grad Tageshöchsttemperatur ist trotz Sonne zwischen den Wolken nicht mit verminderter Triebwerksleistung zu rechnen, zumal der Flugplatz Unterschüpf mit 1154 Fuß über Normalnull auf moderatem Höhenniveau liegt.

Cessna 182 L beim Absetzflug: Enorme Startschwierigkeiten

Eine Absetzmaschine vom Typ Cessna 182 L mit zwei Tandemsprung-Paaren an Bord startet um 20.10 Uhr auf der Piste 26. Der Pilot hat erst ein Jahr zuvor seine Lizenz mit Klassenberechtigung für einmotorige Kolbenflugzeuge erworben. In seinem Flugbuch stehen 35 Stunden nach Scheinerhalt, auf der Cessna 182 sind 13 Stunden eingetragen. Trotz der geringen Stundenzahl ist sein aktueller Trainingsstand auf dem Muster gut, mit insgesamt 36 Landungen in den letzten 90 Tagen.

Rasches Ende: Nur 20 Sekunden nach dem Abheben endet der Flug auf einem Acker (Foto: BFU)

Doch an diesem Tag geht etwas schief: Schon beim Abheben reagiert die Maschine nicht mehr wie gewohnt auf die Steuerimpulse des Piloten. Kaum in der Luft, bäumt sich der Hochdecker auf. Der 46-Jährige drückt das Steuerhorn zwar direkt nach dem Take-off nach vorn, um Fahrt aufzunehmen, doch das hilft nicht. Zeugen beobachten, dass die Maschine einen hohen Anstellwinkel einnimmt. Dann dreht sie um etwa 15 Grad nach links ab. Der Versuch, in den Steigflug überzugehen, scheitert; die Cessna macht keinen Meter Höhe mehr. In der Kabine sind jetzt wellenartige Bewegungen über die Quer- und Längsachse zu spüren, sagen zwei der Fallschirmspringer hinterher aus. Der Pilot verliert unterdessen mehr und mehr die Kontrolle über seine Maschine.

Die Cessna gewinnt im Sackflug kaum an Höhe

Kaum 20 Sekunden nach dem Abheben findet der missglückte Startlauf sein Ende: Der Rumpf der 182 touchiert ein Maisfeld und zieht über zehn Meter eine Schneise in die Pflanzen. Dann fällt der Hochdecker auf einen ans Feld anschließenden Stoppelacker. Pilot und Passagiere haben großes Glück: Das Flugzeug überschlägt sich nicht, der Aufprall selbst verläuft vergleichsweise glimpflich, die Kabine bleibt weitgehend intakt. Alle Insassen können die Cessna unverletzt verlassen. Der rechte Randbogen und der Rumpfunterboden sind beschädigt, das Fahrwerk ist eingeknickt, und die Blätter des Dreiblatt-Propellers sind im letzten Drittel verbogen. Die Flächentanks bleiben unbeschädigt, die insgesamt 140 Liter Flugbenzin darin entzünden sich glücklicherweise nicht.

Grund für den glimpflichen Ausgang der Bruchlandung ist mit großer Wahrscheinlichkeit der langsame Sackflug, in den die Maschine kurz nach dem Abheben geraten war. Dadurch hatte sie offenbar nur eine geringe Geschwindigkeit, die Zelle musste also beim Aufprall nur verhältnismäßig wenig Energie aufnehmen. Durch die Kollision mit den Maispflanzen ist wahrscheinlich zusätzlich Fahrt abgebaut und somit die Aufschlagenergie ebenfalls verringert worden. Zugleich war der Sackflug aber auch die Ursache für den Absturz.

Glück im Unglück: Die Maispflanzen absorbierten einen Teil der Aufprallenergie

Die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) können den Flugverlauf anhand der Zeugenaussagen rekonstruieren. Ihr Fazit: Vermutlich hatte der Pilot die Cessna zu früh von der Piste genommen. Das Flugzeug konnte daher nicht ausreichend Fahrt für den Steigflug aufnehmen und geriet anschließend in einen Sackflug, der die Steuerbarkeit stark einschränkte. Zu Ungunsten wirkte sich dabei auch die in westlicher Startrichtung ansteigende, 670 Meter lange Piste von Unterschüpf aus: Der Höhenunterschied beträgt immerhin 13 Meter.

Glimpfliches Ende: Die Cessna 182 wird beim Crash schwer beschädigt, doch die Insassen und der Pilot bleiben unverletzt (Foto: BFU)

Die Ermittler stellen fest, dass die Höhensteuertrimmklappe in einer Position für hecklastig steht, die Anzeige im Cockpit zeigt jedoch Kopflastigkeit an. Der Grund dafür ist nicht feststellbar. Hinweise auf technische Mängel an Triebwerk und Steuerung der Unfallmaschine lassen sich nicht finden. Da alle Sitze außer dem Pilotensitz samt Anschnallgurten aus der Absetzmaschine entfernt worden waren, können die genauen Positionen der Springer in der Kabine und deren Einfluss auf die Lastigkeit nicht ermittelt werden, eine exakte Berechnung des Schwerpunkts ist somit nicht möglich. Die Abflugmasse des 230 PS starken Viersitzers lässt sich dagegen von den Ermittlern recht genau rekonstruieren, und sie zeigt eine deutliche Überladung um 110 Kilogramm.

Cessna 182 beim Start: Ungünstige Schwerpunktlage und Bodeneffekt

Auf Basis der angenommenden Beladungsverteilung geht die BFU von einer hinteren Schwerpunktlage aus. Vermutlich war die Cessna durch zu frühes Abheben und die ungünstige Schwerpunktlage sowie einen zu hohen Anstellwinkel zunächst im Bodeneffekt gefangen geblieben und dann in einen langsamen Sackflug geraten, in dem sie kaum noch steuerbar war. Trotz einer gewissen Routine des Piloten im Umgang mit dem Muster war er mit diesem Flugzustand offenbar überfordert und nicht in der Lage, die Situation richtig einzuschätzen und den Start rechtzeitig abzubrechen.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 6/2016

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