Praxis

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Intensiv-Training

Wenn im Winter die Zeit nur für einen kurzen Flug reicht, dann machen Sie das Beste 
daraus: mit einem gut vorbereiteten Übungsprogramm

Von Redaktion
Steilkreis über Bamberg: 
Mit der Nase etwas über 
dem Horizont bleibt die Höhe
auch in der Kurve konstant Foto: Helmuth Lage

Die Wintertage sind kurz, das Wetter ist oft grenzwertig oder schnell verschlechternd – wer kommt da schon noch zu langen Streckenflügen? Um fliegerisch in Form zu bleiben, lohnt es sich, die wenigen kurzen Flüge in der dunklen Jahreszeit optimal zu nutzen: mit einem kleinen, aber feinen Intensiv-Training.

Mit oder ohne Copilot

Am besten nehmen Sie einen Fluglehrer oder einen befreundeten PPL-Inhaber als Copiloten mit, es geht zur Not aber auch allein. Länger als eine Stunde wird unser Schulflug für Fortgeschrittene kaum dauern. Beginnen Sie mit einer Weight & Balance-Berechnung, die – seien wir ehrlich – leider nicht bei allen Piloten zur Standardvorbereitung für einen Freizeitflug gehört.

Metergenau: Mit Hilfe der Halbbahn-Markierung lässt sich gut abschätzen, ob die berechnete Startstrecke mit 
der tatsächlichen übereinstimmt

Dann werden Start- und Landestrecken in Abhängigkeit von Temperatur, Wind und den anderen relevanten Gegebenheiten berechnet, und zwar sowohl die Rollstrecke am Boden als auch die Distanz über ein 50-Fuß-Hindernis. Auch hier gilt leider: Die meisten machen das viel zu selten. Beachten Sie etwaige Zuschläge für die Oberflächenbeschaffenheit der Piste. Wenn Sie von einem Grasplatz starten, dann gibt die Winterzeit bei Regen- oder Tauwetter nur allzu oft Anlass, erhebliche Zuschläge für aufgeweichten Boden einzukalkulieren. Lesen Sie noch einmal die Verfahren für Kurzstarts und -landungen sowie für soft fields nach. Besonders auf die Geschwindigkeiten kommt es an: Alle, die nicht am Fahrtmesser markiert sind, sollten Sie im Kopf haben.

Geschwindigkeiten zum auswendiglernen

Dazu gehören beim Start die Abhebegeschwindigkeit vr sowie die Geschwindigkeiten für den besten Steigwinkel vx und für die beste Steigrate vy. Auch die Geschwindigkeit für den besten Gleitwinkel vbg wird im Falle eines Triebwerkschadens benötigt. Alle Speeds hängen vom Gewicht des Flugzeugs ab.

Es ist so weit, Sie sind bereit zum Start. Wir empfehlen ein Departure-Briefing wie es Airline-Piloten machen: Sagen Sie laut an, was beim Start passieren soll und wie Sie im Notfall verfahren wollen. Auch die Checklisten arbeiten Sie natürlich genau ab (siehe fliegermagazin #2.2010).  Wenn es die Bahnbedingungen erlauben, machen Sie einen Kurzstart mit minimaler Strecke. Ist die Runway zu weich, starten Sie nach der Soft-Field-Prozedur. In beiden Fällen geht es um die Frage, ob Sie tatsächlich an der vorher berechneten Stelle abheben und 50 Fuß durchsteigen. Das lässt sich am Abstand der Bahnmarkierungen abmessen – Ihr Begleiter kann seitlich herausschauen und Bahnreiter zählen. Ist der Unterschied zur Berechnung gravierend, muss die Ursache erforscht werden.Nach dem Abheben fliegen Sie nach Handbuch-Vorgabe präzise erst mit vx mindestens bis 50 Fuß und dann mit vy oder mit der empfohlenen Steiggeschwindigkeit, die zur Verbesserung der Motorkühlung und der Sicht nach vorn höher sein kann. Die Platzrunde wird natürlich in exakter Höhe und mit genauer Navigation geflogen.

Der Tanz beginnt

Für das Airwork empfiehlt sich ein Gebiet, das weit genug vom Platzrundenbetrieb entfernt ist, um nicht ständig von an- und abfliegenden Kameraden gestört zu werden. 2000 Fuß Luft unter den Tragflächen sollte man mindestens haben, bevor der Tanz beginnen kann – und dennoch einen ausreichenden Wolkenabstand.

Gerade beim Airwork darf die Luftraumbeobachtung nicht zu kurz kommen, deshalb haben Sie einen zweiten Piloten mit an Bord. Die Landescheinwerfer sollten Sie zur besseren Sichtbarkeit einschalten. Für die Triebwerkseinstellungen gilt:

  • Gemisch reich, damit es auch für Vollgas passt.
  • Verstellprop, sofern vorhanden, auf 2500 rpm oder laut Handbuch einstellen.
  • Vergaservorwärmung, sofern vorhanden, bei Langsamflug und Stallübungen ziehen, weil dabei mit niedriger Leistung geflogen wird.
  • bei Tiefdeckern: Kraftstoffpumpe einschalten.

Überprüfung der Instrumente

Als letzte Maßnahme wird jetzt noch überprüft, ob alle losen Gegenstände gesichert sind. Als Aufwärmübung und zur Überprüfung, ob der Luftraum rund ums Flugzeug frei ist, geht es mit Steilkreisen bei 45 Grad Schräglage los. Reiseleistung oder ein bisschen weniger sollten Sie dazu setzen. Hochdecker-Piloten heben die innere Fläche vor dem Einkurven leicht an, um darunter nach anderen Maschinen zu suchen. Beim Passieren von 30 Grad Schräglage schieben Sie etwa 100 rpm oder 1 inch Leistung nach und ziehen leicht am Höhenruder, um den Auftriebsverlust im Kurvenflug auszugleichen – dann sollte die Höhenmessernadel wie festgenagelt stehen bleiben.

Ungewöhnliche Fluglagen I: Nase über dem Horizont, Steigrate sehr hoch, Fahrt abnehmend. Pitch, Power, Bank heißt die Abfolge beim Recovern

Viel genauer als die oft verwaschene oder ungleichmäßig geformte Horizontlinie im Fenster hilft der Künstliche Horizont, der je nach Muster bei etwa zwei bis vier Grad pitch up gehalten werden sollte. Leiten Sie so aus, dass Sie auf genau demselben Kurs wieder geradeaus fliegen, bei dem Sie angefangen haben. In ruhiger Luft sollte die Überziehwarnung schweigen, obwohl die Stallspeed bei 45 Grad Schräglage um immerhin 20 Prozent anwächst. Wechseln Sie die Kurvenrichtung, die erforderlichen Ruderausschläge variieren wegen der Propellereffekte deutlich.Nach dieser dynamischen Übung gönnen wir uns ein wenig Ruhe mit einem Langsamflug bei ungefähr 1,3-facher vs, der Abreißgeschwindigkeit für eingefahrene Landeklappen. Die lesen Sie – richtig – am unteren Ende des grünen Bogens auf dem Fahrtmesser ab. Slow Flight verfeinert das Gefühl für wachsweiches Ruderverhalten, vor allem, wenn man dabei sanfte Kurven fliegt. Nehmen Sie dazu mit vorsichtigen Ruderausschlägen höchstens zehn Grad Schräglage ein. Die Leistung setzen Sie so, dass Sie die Höhe halten.

Langsamer geht nicht mehr

Die Geschwindigkeit ist reduziert – beste Voraussetzungen für den Approach Stall in Landekonfiguration, dessen Ablauf zuvor gebrieft wird. Setzen Sie die Leistung wie beim Landeanflug, dazu fahren Sie die Landeklappen auf die erste Stufe und – sofern nicht fest angebaut – das Fahrwerk aus. Danach werden die Klappen in die Landestellung gebracht. Halten Sie bei all dem, anders als im Landeanflug, die Höhe. Dadurch werden Sie immer langsamer. Nachgetrimmt wird nur bis zur normalen Anfluggeschwindigkeit. Ziehen Sie weiter sanft am Steuer, bis das erste Warnsignal für den bevorstehenden Strömungsabriss eintritt. Das kann der Fahrtmesser am unteren Ende des weißen Bogens sein, der Ton der Überziehwarnung, das typische Schütteln des Flugzeugs und erst recht ein Ausbrechen der Maschine. Dann muss es schnell gehen:

  • Volle Leistung
  • Nase höchstens leicht absenken, dabei die Höhe halten
  • Klappen zurück auf die erste Stufe
  • Steigrate positiv: Fahrwerk einfahren
  • Klappen ganz einfahren

Der Höhenverlust sollte nicht mehr als 50 Fuß betragen, das Höhenruder muss sehr sanft bewegt werden, um den Secondary Stall zu vermeiden, das erneute Überziehen bei der Konfigurationsänderung. Wie bei allen hier beschriebenen Übungen gilt: Beschreibt das Handbuch ein anderes Vorgehen, ist dieses zu befolgen.

Departure Stall

Ist vy erreicht, kann die Übung des Departure Stalls, also des Überziehens im Abflug, gleich angeschlossen werden: Die Power bleibt stehen, bei manchen Mustern auch die erste Stufe der Klappen, wenn das für den Steigflug vorgesehen ist. Sanft wird jetzt immer weiter gezogen, bis auch hier die ersten Anzeichen für einen Strömungsabriss erkennbar werden. Dann sofort reagieren – mit Nachdrücken und Einnehmen der Normalfluglage, ohne Höhe zu verlieren. Je nach Motorleistung ist der Höhengewinn bei diesem Manöver erheblich, was bei Wolkenabstand und Luftraumstruktur beachtet werden muss.

Alternative ist der Clean Stall in der gleichen Konfiguration, aber ohne Leistung. Hierbei wird die Höhe bis zum ersten Anzeichen des Stalls gehalten. Um bei den Leistungsänderungen die Ablenkung durch Drehmoment und Propellerstrom auszugleichen, sollte behutsam, aber gezielt gegengesteuert werden. Vermeiden Sie abrupte Korrekturen mit Quer- oder Seitenruder, sie könnten in dieser labilen Fluglage zum Strömungsabriss führen.Jetzt fliegen Sie eine Weile mit Reiseleistung geradeaus und halten dabei durch sorgfältiges Austrimmen möglichst exakt die Höhe. Stellen Sie die Frequenz eines nahen VOR-Senders ein und suchen Sie sich ein nahe gelegenes Radial aus. Dann schneiden Sie dieses in einem Winkel von 30 bis 45 Grad an und folgen ihm – ob in- oder outbound gehört zu den Überlegungen, die Sie bei der Bedienung des VOR-Empfängers berücksichtigen müssen. Autopilot und GPS bleiben ausnahmsweise außen vor. Idealerweise hat Ihr Kurs eine Seitenwindkomponente, sodass Sie auch gleich einen Vorhaltewinkel erfliegen können.

Der rettende Dreiklang

Noch einmal konfigurieren Sie die Maschine für Airwork. Es geht um  ungewöhnliche Fluglagen, Unusual Attitudes, in die man geraten kann, wenn man sich zum Beispiel zu sehr auf die Programmierung des GPS konzentriert. Wie bringt man die Maschine sofort zurück in eine Normalfluglage, ohne einen Strömungsabriss oder eine Überbeanspruchung der Struktur zu riskieren?

Ungewöhnliche Fluglagen II: Nase tief, schnelles Sinken, Fahrt zunehmend. Jetzt ist Bank, Power, Pitch die richtige Reihenfolge

Zwei Grundvarianten sind zu unterscheiden. Der Stall droht unmittelbar, wenn die Nase zu hoch gezogen und dabei auch noch eine Steilkurve eingeleitet wurde. Wer jetzt die Querruder bewegt, um die Flügel gerade zu bekommen, wird wahrscheinlich auf der Seite des nach unten ausschlagenden Querruders die Strömung abreißen lassen. Daher muss erst einmal die Nase runter an die Horizontlinie und mit Vollgas Fahrt aufgeholt werden, danach erst richtet man die Fläche aus. Pitch, Power, Bank heißt also die Reihenfolge beim Recovern.

Umgekehrt verhält es sich im unbeabsichtigten Steilkreis mit der Nase tief unter dem Horizont. Jetzt würde Ziehen am Ruder die Lage nur verschlimmern. Zunächst muss die Flächenbelastung durch Ausleiten der Kurve reduziert werden. Gas raus hilft bei der Verringerung der Überfahrt, die dann mit horizontal ausgerichteten Flächen durch schonendes Anheben der Nase abgebaut wird. Der rettende Dreiklang lautet hier Bank, Power, Pitch. Diese Übungen machen Spaß, vor allem wenn neben Ihnen ein zweiter Pilot die Fluglagen einleitet, während Sie zum Cockpit-Boden blicken.Nun aber zurück zum Platz. Es muss nicht der eigene sein, wenn Sie einen mit Seitenwindkomponente in der Nähe finden. Denn mindestens eine Seitenwindlandung sollte zum Programm gehören. Die Technik dafür wurde schon öfter in unseren Praxis-Artikeln beschrieben (siehe fliegermagazin # 5.2010): Zwar kann im Final mit Vorhaltewinkel korrigiert werden, doch aufgesetzt wird im Schiebeflug mit hängender Fläche, das luvseitige Rad zuerst.

Der Schlüssel zum Erfolg

Zwei weitere Landungen sollten Sie üben – dabei verlängert sich auch gleich die 90-Tage-Frist für die Passagiermitnahme. Bei der ersten versuchen Sie, exakt an einem vorher bestimmten Punkt aufzusetzen und die Landestrecke zu minimieren. Der Schlüssel zum Erfolg ist die exakt richtige Geschwindigkeit: Grundlage ist Vref. Wenn im Handbuch nichts anderes angegeben ist, entspricht sie dem 1,3-fachen der VS0. Das ist die Geschwindigkeit für den kurzen Endteil in 50 Fuß Höhe, sozusagen „überm Zaun“. Für den Final davor wird Vref um die halbe Differenz zwischen dem stetigen Wind und den Böen erhöht. In der Verkehrsfliegerei wird noch der halbe Wind aufgeschlagen, insgesamt mindestens 5, höchstens aber 15 Knoten. Das Ergebnis heißt Vtgt, die Target Speed. Schneller sollten Sie nicht sein: Mit jedem Knoten Überfahrt verlängert sich die Landestrecke um zirka zwei Prozent. Sie müssten auch hier nahe an die berechneten Landestreckenwerte kommen – allerdings nur bei vollem und sofortigem Bremseinsatz. Wer sein Material schonen will, muss mehr Rollstrecke einplanen.

Und die letzte Landung führen Sie zur Übung ohne Klappen aus – auch hier sollte das Handbuch Geschwindigkeiten und Verfahren vorgeben. Maßstab ist jetzt VS, nicht VS0. Sie sind ins Schwitzen gekommen? So war’s gedacht. Und wenn nicht alles perfekt geklappt hat, haben Sie ja immer noch den nächsten winterlichen Trainingsflug.

Text & Fotos: Helmuth Lage

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