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Ist Fliegen gefährlich? So sicher ist die private Luftfahrt

Wer mag schon gern darüber nachdenken, wie gefährlich die größte Leidenschaft ist, die man hat. Aber ein Bewusstsein für die Risiken des Fliegens kann durchaus zu mehr Sicherheit führen.

Von Martin Schenkemeyer
Ist Fliegen gefährlich?
Viele Piloten machen sich über die Risiken der Privatfliegerei nur wenig Gedanken – oder sie unterschätzen sie deutlich. Dabei kann eine realistische Herangehensweise dabei helfen, die Gefahren zu minimieren. Bild: BFU Ist Fliegen gefährlich?

Den Spruch kennt wohl jeder Pilot: »Das Gefährlichste am Fliegen ist die Fahrt zum Flugplatz.« Aber stimmt das? Der Segelflieger Clemens S. Ceipek ist dieser Frage auf den Grund gegangen und hat dabei einen bemerkenswerten Ansatz gewählt. In seinem Blog www.chessintheair.com hat er schon vor einigen Jahren analysiert, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, bei verschiedenen Aktivitäten zu sterben.

In seinem Artikel mit dem Titel »The Risk of Dying Doing What We Love« (etwa: »Das Risiko, bei unserer Lieblingsbeschäftigung zu sterben«) kommt er zu spannenden Erkenntnissen. Ceipek hat gestört, dass bei vielen Analysen bezüglich der Gefährlichkeit von Aktivitäten die Vergleichsbasis nicht einheitlich ist. Die Ergebnisse sind dann meist irreführend oder schlichtweg falsch.

Vergleich: Ist Fliegen gefährlich?

Weil es ihm um Aktivitäten ging, die man gerne tut, hat er die Wahrscheinlichkeit errechnet, bei deren Ausübung innerhalb der nächsten 1000 Stunden zu sterben. Also: Wenn ich 1000 Stunden lang fliege, autofahre, mit dem Mountainbike unterwegs bin oder wandere – wie wahrscheinlich ist es, in dieser Zeit ums Leben zu kommen? So gelang es Ceipek, eine gemeinsame, vergleichbare Basis zu finden.

Das Ergebnis dieser Analyse zeigt eine Grafik. Weil Ceipek in den USA lebt, basieren viele Berechnungen auf Zahlen aus diesem Land. Die Risikobewertung dürfte sich für Europa und Deutschland aber in ähnlicher Größenordnung bewegen. Genaue Quellenangaben finden sich auf der genannten Website.

Infografik: Wie gefährlich ist Fliegen im Vergleich zu anderen FreizeitaktivitätenInfografik: Wie gefährlich ist Fliegen im Vergleich zu anderen Freizeitaktivitäten
Das ist die spannende Grafik mit den Ergebnissen der Risikobewertung für verschiedene Freizeitaktivitäten.

Verkehrsluftfahrt als Maßstab

Als Benchmark hat Ceipek die Verkehrsluftfahrt gewählt. Wer 1000 Stunden lang in einem Airliner unterwegs ist, stirbt dabei mit einer Wahrscheinlichkeit von extrem geringen 0,01 Prozent an einem Flugunfall. Das entspricht einem Todesfall in zehn Millionen Stunden.

Betrachtet man Aktivitäten wie Schwimmen in offenen Gewässern (31-mal so gefährlich wie die Verkehrsluftfahrt) oder den Reitsport (50-mal gefährlicher), so ist man noch immer weit entfernt vom Risikopotenzial der nichtkommerziellen Luftfahrt. Motorflug mit kleinen Flugzeugen ist 156-mal gefährlicher als Airline-Fliegen. Die Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten 1000 Flugstunden zu sterben, liegt bei 1,6 Prozent!

Wie Motorradfahren: Ist Fliegen gefährlich?

Autofahren ist dagegen weitaus ungefährlicher: Tatsächlich lebt man auf den Straßen nur vier Mal gefährlicher als an Bord eines Verkehrsflugzeugs. 0,04 Prozent beträgt die Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten 1000 Stunden in einem Auto tödlich zu verunfallen. Damit ist die eingangs gestellte Frage beantwortet:

Die Fahrt zum Flugplatz ist deutlich ungefährlicher als das Fliegen – außer, man fährt mit dem Motorrad zum Flugplatz. Das ist vielleicht der Vergleich, mit dem Piloten nachfragenden Passagieren einen nachvollziehbaren Eindruck vom Risiko vermitteln können. Der Flug im kleinen Flugzeug ist in etwa so gefährlich wie Motorradfahren (100-mal gefährlicher als Airline-Fliegen).

Extrem hohe Todeswahrscheinlichkeit

Beim Base Jumping, also dem Fallschirmspringen von Gebäuden oder Klippen, ist das Risiko eines tödlichen Unfalls extrem hoch. Bild: KONTIZAS DIMITRIOS/CC

Natürlich geht es noch waghalsiger. Fallschirmspringen ist 556-mal gefährlicher als mit der Airline zu fliegen, den Mount Everest zu besteigen gar 4000-mal. Schwindelerregend hoch ist die Todeswahrscheinlichkeit beim Base Jumping. Das Risiko, innerhalb der nächsten 1000 Stunden Base Jumping zu versterben, liegt über 99 Prozent.

Doch Ceipek hat noch einen anderen spannenden Vergleich gezogen. Er hat sich das Risiko eines durchschnittlichen Amerikaners angesehen, in den nächsten 1000 Stunden seines ganz normalen Lebens zu sterben. Und zwar in Abhängigkeit vom Lebensalter.

Risiken ausblenden: Ist Fliegen gefährlich?

So hat ein 18-jähriger US-Amerikaner ohne Ausübung einer riskanten Tätigkeit dieselbe Sterbewahrscheinlichkeit in den nächsten 1000 Stunden seines Lebens wie jemand, der 1000 Stunden lang mit einem Verkehrsflugzeug unterwegs ist. Für einen 90-Jährigen dagegen ist die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten 1000 Stunden seines Lebens zu sterben, ebenso hoch wie die eines Motorflugpiloten, in den nächsten 1000 Stunden seiner Fliegerei ums Leben zu kommen.

Doch warum sollte man sich überhaupt mit solchen Zahlen beschäftigen? Auch hierauf liefert Ceipek eine Antwort. Er stellt fest, dass Menschen dazu neigen, die Risiken ihres liebgewonnenen Hobbys auszublenden. Das ist ein nachvollziehbarer Reflex, denn niemand möchte sich gedanklich damit auseinandersetzen, dass er in der Freizeit sein Leben verlieren könnte. Und das sogar mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit.

Flugsicherheit als Daueraufgabe

Die Verbreitung von Gesamtrettungssystemen ermöglicht eine neuen Umgang mit manchen Risiken – wenn sie richtig genutzt werden. Bild: ARCHIV

Andererseits bietet dieses sich Bewusstmachen der Risiken die Chance, sich Strategien zu überlegen, wie man mit ihnen umgehen und sie minimieren kann. Je nach Flugprofil kann die Antwort vielfältig sein. Sie reicht von gutem und regelmäßigem Training mit Fluglehrer bis hin zur Nutzung von strukturierten Checklisten und einer gründlichen, auch mentalen Flugvorbereitung.

Der Autor verweist in diesem Zusammenhang abermals auf die Airlines. Während Fliegen in den Anfangsjahren noch eines der gefährlichsten Dinge war, die man überhaupt unternehmen konnte, ist der Flug in den Urlaub heute unter anderem durch technische Weiterentwicklungen, aber auch durch entsprechende Verfahren im Cockpit das sicherste Fortbewegungsmittel von allen.

Mehr Sicherheit: Ist Fliegen gefährlich?

Auch in der nichtkommerziellen Luftfahrt wurden Fortschritte erzielt. Trotzdem können die Unfallzahlen nicht mit denen der kommerziellen Fliegerei mithalten. Auf der einen Seite ist das nachvollziehbar, denn die aufgewendeten Ressourcen sind im nichtprofessionellen Bereich deutlich geringer. Auch ist die Auswahl der Piloten viel weniger streng.

Dennoch ist die Erhöhung der Flugsicherheit eine Daueraufgabe in allen Teilen der Fliegerei, die nie enden sollte. Sich als Pilot ganz persönlich bewusst zu machen, welche Gefahren mit dem Fliegen einhergehen und was man individuell, aber auch im Verbund mit anderen tun kann, um diesen Gefahren zu begegnen, ist ein wertvoller Beitrag dazu, den wir alle leisten sollten.

Mit Risiken auseinandersetzen

Ein Motorradfahrer fährt auf einer Landstraße in der Nähe des Nürburgrings. Tausende Motorradfahrer nahmen beim sogenannten „Anlassen“ auf der Nordschleife des Nürburgrings teil. (Aufnahme mit längerer Belichtungszeit). Bild: PICTURE ALLIANCE/DPA/SILAS STEIN

Ceipek liefert mit seinen Ausführungen jedenfalls einen unkonventionellen Gedankenanstoß, um sich mit den Risiken unseres Sports auf ungewöhnliche Art und Weise auseinanderzusetzen. Denn seien wir mal ehrlich. Dass wir beim Einsteigen in ein Flugzeug statistisch gesehen dem Tod so nahe sind wie ein 90-Jähriger – das hatten wahrscheinlich die wenigsten von uns auf dem Schirm. Und den Spruch mit der Fahrt zum Flugplatz vergessen wir am besten.

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Über den Autor
Martin Schenkemeyer

Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.

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