Unfallakte

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Motorausfall in niedriger Höhe: Notlandung einer Do 27 bei einem Fotoflug

Bei einem Fotoflug fällt der Motor aus. Das einmotorige Flugzeug hat mit 1600 Fuß MSL nicht viel Höhenreserve, und die Landschaft bietet nur wenig Spielraum für eine Notlandung. Der Pilot muss rasch eine Entscheidung treffen

Von Redaktion

Piloten sind auch nur Menschen, und das bedeutet: Sie machen zwangsläufig Fehler. Nun zieht nicht jeder Fehler gleich eine dramatische Situation nach sich. Doch Hand aufs Herz: Wie steht’s bei Ihnen? Wie sind Sie als Pilot darauf vorbereitet, dass auch Sie Fehler machen werden? Das Beispiel einer Notlandung zeigt, welche Auswirkungen kleine Unachtsamkeiten haben können. Zum Glück gibt es in diesem Fall ein glimpfliches Ende.

Der 27. August 2016 ist ein heißer Hochsommertag. Im rheinland-pfälzischen Speyer macht der Pilot einer Dornier Do 27 A-4 am frühen Nachmittag seine Maschine startklar. Die Hitze im Cockpit ist zu dieser Tageszeit kaum noch zu ertragen. Außer dem 44-Jährigen sitzen vier schwitzende Passagiere in der Kabine des Hochdeckers. Sie sind allesamt Fotografen und warten geduldig auf den Take-off. Gleich hinter ihnen soll eine zweite Maschine abheben, ein seltener Oldtimer vom Typ de Havilland Dove, den sie über dem nahe gelegenen Hambacher Schloss fotografieren wollen. Ein derartiges Foto-Shooting, unter Profis auch „Air-to-air“ genannt, ist für alle Beteiligten zwar spannend, aber auch sehr anstrengend und erfordert höchste Konzentration von den Beteiligten.

Air-to-Air: Aus einer Dornier Do 27 soll eine de Havilland Dove fotografiert werden

Gegen 16 Uhr lässt der Dornier-Pilot das Triebwerk an. Die Dove ist jedoch noch nicht abflugbereit, der Start verzögert sich um fünf bis zehn Minuten. Pilot und Passagiere harren derweil weiter in ihrer aufgeheizten Maschine aus. Dann startet der Hochdecker um 16.12 Uhr endlich von der Piste 34 des Verkehrslandeplatzes Speyer, kurz darauf hebt auch die zweimotorige Maschine ab. Die Do 27 dreht kurz nach dem Start nach Westen in Richtung Neustadt an der Weinstraße und Hambacher Schloss, dem Zielpunkt für die Air-to-air-Aufnahmen.

Keine große Wahl: Auf der Suche nach einer geeigneten Notlandefläche trifft der Pilot die richtige Entscheidung – sie rettet vermutlich Leben (Foto: BFU)

Kurz vor dem vereinbarten Rendezvous mit dem Oldtimer, um 16.25 Uhr, zieht der Motor durch knatternde Geräusche die Aufmerksamkeit von Pilot und Passagieren auf sich. Nur wenige Augenblicke später steht das Triebwerk still, der Propeller dreht sich nur noch im Fahrtwind. Der Blick des Piloten geht sofort zum Höhenmesser: Mit 1600 Fuß MSL, knapp 1200 Fuß über Grund, gibt es nur wenig Spielraum für eine Lösung. Er versucht zunächst, den Motor wieder zu starten, doch der Versuch misslingt. Für einen zweiten Versuch bleibt bereits keine Zeit mehr, die Höhenreserve ist aufgebraucht und der Pilot konzentriert sich auf eine bevorstehende Notlandung.

Motorausfall der Dornier Do 27 in geringer Höhe: Nicht viele Optionen übrig

Einer der Passagiere macht ihn darauf aufmerksam, dass die Maschine kurz zuvor den Flugplatz Lachen-Speyerdorf überflogen habe. Mit einer 1000 Meter langen Graspiste wäre der Platz ein ideales Notlandefeld. Doch der Pilot erkennt, dass die Dornier den Platz im Gleitflug nicht mehr erreichen würde.

Ins Grün gesteuert: Bei der Notlandung lenkt der Pilot sein Flugzeug bewusst in den Graben, um nicht auf eine vielbefahrene Landstraße zu kommen (Foto: BFU)

Der dichte Anbau von Weinreben erschwert die Suche nach einem passenden Gelände für eine Notlandung. Die vielbefahrene Landstraße L516 verwirft der Pilot, die Kollisionsgefahr mit Autos wäre dort zu hoch. Doch dann sieht er einen asphaltierten Wirtschaftsweg: Der Anflug auf den schmalen Streifen zwischen eng gepflanzten Weinreben ist anspruchsvoll, und ein seitliches Ausbrechen der Maschine wäre fatal. Doch mit viel Gefühl gelingt das heikle Manöver. Allerdings mündet der Weg in die erwähnte L516. Um eine Kollision mit vorbeifahrenden Autos zu vermeiden, zieht der Pilot die Dornier kurz davor nach rechts auf den Grünstreifen zwischen mehreren Bäumen, mit denen das Flugzeug kollidiert, bevor es zum Stillstand kommt. Alle Passagiere und der Pilot können das Wrack aus eigener Kraft verlassen, sie tragen bei der Bruchlandung nur leichte Blessuren davon.

Der Tankwahlschalter des Einmots stand auf „rechts“: Der rechte Tank war leer

An der zerstörten Dornier stellen die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) fest, dass der rechte Flächentank zum Zeitpunkt des Unglücks nahezu leer war, der Tankwahlschalter stand auf der Position „rechts“, der Schalter für die elektrische Zusatzpumpe auf „aus“. Die Feuerwehr birgt zirka 69 Liter Treibstoff, überwiegend aus dem linken Tank. Beim späteren Triebwerkstest gibt es keine Hinweise auf einen Defekt, auch die Tankanzeige arbeitet korrekt. In den Bordunterlagen fehlten dagegen unter anderem Checklisten, die bei einem Notfall wie diesem eine Hilfe hätten sein können.

Problem im Anmarsch: das Cockpit der Unfallmaschine Minuten vor dem Triebwerksausfall. Der ausgewählte rechte Tank ist schon fast leer (Foto: BFU)

In ihrer Beurteilung kommen die Ermittler der BFU zu dem Schluss, dass die Startverzögerung und die Hitze im Cockpit den Piloten mental beeinträchtigt haben könnten. Dadurch könnte er übersehen haben, welche Pegelstände die Tankanzeige hatte, und dass der Tankwahlschalter auf den rechten, nahezu leeren Tank gestellt war.

Do 27-Pilot: Möglicherweise durch die Sommerhitze beeinträchtigt

Im Handbuch der Do 27 heißt es, dass zum Start immer der vollste Tank zu nutzen ist und dass der Dreiwegeschalter mit den Stellungen „links“, „beide“, „rechts“ bei Sprit in beiden Tanks auf den linken geschaltet sein sollte. Folgerichtig war für sie aber, dass der Pilot nach dem ersten erfolglosen Startversuch des Triebwerks keinen weiteren unternahm, sondern die Notlandung einleitete. Auch die Wahl des Wirtschaftswegs und das Steuern der Do 27 auf die Grünfläche sei die augenscheinlich richtige Entscheidung gewesen. Womöglich hat der Pilot sich und seinen Passagieren damit am Ende sogar das Leben gerettet.

Text: Samuel Pichlmair, fliegermagazin 4/2017

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