Passagierdrohnen im Überblick: Zukunft oder Utopie?
Viele Unternehmen investieren in die Entwicklung bemannter Drohnen. Welche Chancen und Herausforderungen bringt das für die Allgemeine Luftfahrt? Wir stellen aktuelle Projekte vor und werfen einen Blick auf die Planungen zum Luftraum »U-Space« für Drohnen.

Hier kommt der Stoff, aus dem die Streitgespräche sind. Schwebende Passagierdrohnen waren bisher Science-Fiction-Filmen vorbehalten. Doch heute existieren schätzungsweise über einhundert Entwicklungsprojekte weltweit, auf die man vor allem in den sozialen Medien trifft. Fakt ist: Fast alle großen Flugzeug- und Autohersteller sowie das Militär investieren große Summen in solche Projekte. Selbst Skeptiker können diese Tatsache nicht ernsthaft bestreiten.
Aus elektrischen Spielzeugdrohnen sind inzwischen professionelle Arbeitsgeräte geworden. Bereits heute ersetzen Drohnen vielfach teure Hubschrauberflüge – zum Beispiel bei Filmaufnahmen, der Pipelineüberwachung und in der Landwirtschaft. Ein Vergleich zeigt den Boom der Drohnen:
Drohen uns die Drohnen?
In Deutschland sind bereits heute über 90 000 unbemannte Drohnen registriert – gegenüber 30 000 zugelassenen Luftfahrzeugen. Unbemannte Drohnen haben sich in Wirtschaft und Militär etabliert. So scheint der nächste Schritt programmiert: der Einstieg in die zivile Passagierbeförderung.
Es soll hier um eine klar definierte Drohnenkategorie gehe: um eVTOLs. Das Akronym steht für Electric Vertical Take-off and Landing, also elektrisch betriebene, senkrecht startende und landende Geräte. Ihre Entwickler verweisen gerne darauf, wie leise, umweltfreundlich und kostengünstig die Technik sei.
Wie umweltfreundlich sind Passagierdrohnen wirklich?
Doch was die Umweltfreundlichkeit betrifft, sind grundsätzlich die gleichen Zweifel wie bei Elektroautos angebracht. Der ökologische Fußabdruck kann nämlich erst bewertet werden, wenn man den gesamten Lebenszyklus vom Entwurf bis zum Verschrotten betrachtet. Zwar sorgen elektrische Antriebe von Verkehrsmitteln in Metropolen für saubere Luft. Aber können die Drohnen im urbanen Umfeld tatsächlich eine Alternative zu Taxis werden – auch beim Preis?
Werfen wir einen Blick auf die unterschiedlichen technischen Konzepte. Der Multicopter ist der Klassiker unter den Drohnen. In der Ausführung mit vier Propellerarmen heißt er Quadrokopter. Hier gibt es, wie beim Hubschrauber, keine festen, Auftrieb erzeugenden Flächen. Steigen und Steuern erfolgt über Änderungen der Propellerdrehzahl. Nachteile sind der relativ hohe Energiebedarf und die dadurch geringe Reichweite.
Drehen, schwenken, blasen
Beim Vectored-Thrust-Konzept handelt es sich um ein Flächenflugzeug, das mit Schwenktriebwerken ausgerüstet ist. Das Militär nutzt diese Technik in Kombination mit Jetantrieben schon länger. Die größte Herausforderung ist die Computersteuerung für das Schwenken der Triebwerke beim Übergang vom Schwebeflug in den Reiseflug sowie zurück zur Landung. Um einen besseren Wirkungsgrad zu erreichen, werden die Propeller der Schwenkmotoren bei einigen Modellen ummantelt. Diese Variante heißt dann Tilt Duct.
Etwas weniger elegant schaut die Kategorie Lift & Cruise aus. Hier wird ein konventionelles Flugzeugdesign mit separaten Hubpropellern für Start, Landung sowie zusätzlichen Props für Reiseflug versehen. Technisch wesentlich anspruchsvoller ist dagegen die Transwing-Lösung, bei der die Motoren fest an den Tragflächen montiert sind. Für Start, Landung und Reiseflug schwenken diese komplett um.
Passagierdrohnen im Wandel: Vom Akku zum Wasserstoff
Seit Urzeiten hat es immer wieder Entwürfe und Prototypen für fliegende Autos gegeben. Dieses könnte sich durchsetzen: Beim chinesischen Module Flying Car wird die Kabine eines Pkw zum Multicopter und lässt den geparkten Wagen zurück (Expeng Aeroht). Wie beim E-Auto ist das Gewicht der Akkus im Verhältnis zu ihrer Kapazität ein stark limitierender Faktor. Deshalb suchen einige Unternehmen nach anderen umweltfreundlichen Antrieben, die mehr Reichweite bieten.
Das von Toyota dominierte US-Unternehmen Joby setzt auf Wasserstoff-Brennstoffzellen als Stromlieferant – übrigens mit einer in Deutschland entwickelten Technologie. Beeindruckende 840 Kilometer Reichweite hat ein unbemannter Prototyp bereits geschafft. Triebwerksspezialist Rolls-Royce plant derweil die Entwicklung einer umweltfreundlichen Gasturbine zur Stromerzeugung direkt an Bord.
Deutschland: Zwischen Erfolg und Scheitern
Aus deutscher Perspektive ist neben der Wasserstofftechnologie die Firma Volocopter ein Vorzeigeprojekt. Deren VoloCity stieg während der Olympischen Spiele in Paris zu Demoflügen auf, wenn auch längst nicht im zuvor angekündigten Ausmaß. Die deutsche Firma Lilium dagegen hat mit ihrem Lufttaxiprojekt nun Insolvenz angemeldet.
Klar, dass es für die neuen Teilnehmer am Luftverkehr ein eigenes Regelwerk braucht, das dann auch die Allgemeine Luftfahrt tangiert. In Europa und den USA wird seit Jahren an einem Gesetz für die Advanced Air Mobility (FAA), beziehungsweise Innovative Air Mobility (EASA) gearbeitet (siehe auch EU {VO} 2024/1111).
Wo dürfen Passagierdrohnen fliegen?
Fakt ist aber auch: Bislang gibt es auf beiden Kontinenten noch keine verabschiedeten Gesetze oder gar eine Verkehrszulassung. Nur in China hat der Hersteller EHang für seine zweisitzigen Multicopterdrohne für autonome Sightseeing-Flüge bereits eine Zulassung erhalten.
Was feststeht: Es wird zukünftig einen neuen Luftraum namens U-Space als Overlay zu bestehenden Strukturen geben. Dieser wird von autonomen Drohnen, bemannten Drohnen und der konventionellen Luftfahrt gemeinsam genutzt. Das U steht dabei sowohl für »urban« (städtisch) als auch für »uncrewed« (unbemannt).
Pflicht zur elektronischen Erkennbarkeit
In Europa wird für den U-Space das Konzept verfolgt, dass jedes Luftfahrzeug, das sich darin bewegen will, elektronisch erkennbar sein muss. So können ferngesteuerte oder sogar autonom fliegende Drohnen auch Teilnehmer der Allgemeinen Luftfahrt im U-Space erkennen und ihnen ausweichen. Mit welchem technischen Standard diese elektronische Erkennbarkeit garantiert werden soll, ist noch in der Diskussion. Aber klar ist: Auch ein Segelflieger, der durch einen U-Space hindurch zur Außenlandung sinkt, muss dann entsprechend ausgerüstet sein.
Die NASA spricht bereits von einer neuen Kategorie von Flugregeln für den Betrieb in solchen Lufträumen: den Digital Flight Rules (DFR). VFR- und IFR-Regeln gelten damit nur noch außerhalb des U-Space.
Autonome Passagierdrohnen und Sicherheitskonzepte
Vollkommen autonome Flüge ohne Pilot an Bord sind ein Ziel der Branche. Bleibt abzuwarten, ob Passagiere in Fluggeräte ohne Pilot einsteigen. Auch vom Boden ferngelenkte Flüge sind denkbar. Hier kann der Pilot vom Boden mit den Passagieren kommunizieren. Einige Hersteller planen den sicher sinnvollen Einbau von Gesamtrettungssystemen mit Fallschirm.
Bleibt die Frage der Infrastruktur. Sogenannte Vertiports lassen sich, so die These der Hersteller, im urbanen Raum an vielen Stellen errichten – auf hohen Dächern ebenso wie zwischen Häuserschluchten. Die wendigen Fluggeräte unterliegen nicht den Restriktionen lauter und schwerer Helikopter.
PPL für Spaßvögel?
Dürfen dann auch Privatpiloten Drohnen als »Spaßgeräte« nutzen? Dazu muss die Frage der Lizenzen und Berechtigungen geregelt werden. Außerdem hätten selbststeuernde Piloten im U-Space womöglich keine Freude, weil ihre Freiheiten dort gering wären. Denkbar wäre die Nutzung spezieller bodennaher Lufträume – ähnlich wie heute die Kunstflugboxen. Das würde auch Events wie Drohnenrennen möglich machen. Aufgrund der beschränkten Reichweite eignen sich die Fluggeräte jedenfalls vorläufig nicht fürs Reisen.
Spätestens 2030 soll der Regelbetrieb für bemannte Drohnen Realität werden, so ein Mantra der Branche. Bis dahin wird sich zeigen, welche Player den üblichen »Shake-out« neuer Märkte überleben. Länder wie Singapur, Dubai oder Saudi-Arabien investieren viel Geld und werden die Zulassungshürden möglicherweise niedrig halten.
Passagierdrohnen als Alternative zum Helikopter
In Deutschland und Europa dagegen scheint das regulatorische Umfeld deutlich schwieriger. Das vielbeschworene Flugtaxi scheint Utopie – zu hoch sind Kosten und Aufwand, um die in der kommerziellen Luftfahrt üblichen Sicherheitsstandards zu gewährleisten.
Eher wird sich die Drohne als luxuriöses Transportangebot und vergleichsweise günstige Alternative zum Helikopter etablieren – etwa für den Weg vom Bahnhof München zum Flughafen oder von Hamburg nach Sylt. Je länger die Reise werden soll, desto wahrscheinlicher wird dabei der Einsatz alternativer Stromquellen wie etwa Brennstoffzellen.
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