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Heißluftballon fahren: Wie wird man Pilot?

Manche Piloten suchen ständig nach neuen Herausforderungen. Sie lernen Kunstflug oder machen den Schritt in die nächsthöhere Flugzeugklasse. Axel Müller hat einen besonderen Weg gewählt und lernte – Ballonfahren

Von Martin Naß
Wie wird man Ballonpilot?Schwerelos: Wer zum ersten Mal in einem Ballon mitfährt, ist verblüfft über die Stille im Korb – natürlich nur, so lange der Brenner nicht feuert. Foto: Axel Müller

Flugbegeistert, das war Axel Müller schon immer. Über die Anfänge kann er heute nur noch spekulieren, so weit reicht seine Schwäche für die Luftfahrt zurück. Da war es nur logisch, dass er so früh wie möglich damit begonnen hat, Fluglizenzen zu machen. Auf den Tag genau zum 16. Geburtstag meldete er sich bei der Drachenflugschule in Elpe im Sauerland an, bei Günther Ersepke. „1986 war das“, erinnert sich Axel, „und es dauerte nicht mehr lange, bis die ersten Gleitschirme auftauchten. Da war ich natürlich auch gleich mit großem Eifer dabei!“

Im Gegensatz zu den Drachen schienen die Gleitschirme verlockend einfach in der Handhabung zu sein, auch beim Transport mit dem Auto oder der Seilbahn. Und der Lernerfolg beim Gleitschirmfliegen stellt sich schneller ein: „Morgens fing man an, sich das Gerät einmal näher anzusehen, und schon am Nachmittag waren wir damit allein in der Luft! Doch man konnte sich auch leicht selbst überschätzen.“

Wie wird man Heißluftballon-Pilot? Axel Müller hat viele Stationen hinter sich

Nächste Station für Axel ist der Motorschirm, der mehr Unabhängigkeit verspricht, allerdings auch ein zugelassenes Gelände für Start und Landung erfordert. „Aber man kann das ganze Geraffel einfach zusammenpacken und mitnehmen in den Urlaub. Damit dann abends an der Küste entlangzufliegen – das ist einfach der Hammer, unglaublich schön!“, schwärmt er noch heute. Doch damit ist noch längst nicht Schluss: Über das Minimum, ein Luftsportgerät mit fester Fläche und kleinem Motor, kommt Axel zum Trike- und UL-Segelfliegen. Einen UL-Segler teilt er sich in einer Haltergemeinschaft beim UL-Club in Kerken am Niederrhein mit einem Fliegerkollegen. Wenig später wagt er den Sprung zum eigenen UL-Dreiachser, einer Rans S-6, mit der er vom UL-Flugplatz in Erkelenz-Kückhoven abhebt.

Nebenbei macht Axel seine PPL und kommt spätestens jetzt an den Punkt, an dem für die meisten Flieger das Ziel erreicht ist. Nicht so für ihn. Eine Sache wäre da noch – das Ballonfahren. Doch wie wird man Ballonpilot?„Das wollte ich eigentlich schon immer, aber mein Gedanke dabei war, jetzt bitte nicht lachen: Das mach ich, wenn ich alt bin.“ Action, Abenteuer, Bewegung – all das brachte Axel nicht unbedingt mit dem Ballon in Verbindung, der doch eher gemächlich am Himmel zu schweben scheint. „Mir war der Körpereinsatz bis dahin immer sehr wichtig, das Sportliche, und Ballonfahren erschien mir so ruhig, gemächlich, fast zu statisch. Bis ich das erste Mal versucht habe, über die Korbwand zu klettern.

Ballonpiloten müssen fit sein – die Korbwand ist hoch!

Axel Müller

Als sogenanntes Erdferkel lernt man viel für die Ausbildung zum Heißluftballon-Pilot

Tatsächlich muss man ganz schön fit sein, um einigermaßen flink über die Korbwand zu kommen, rein oder raus.“Eines Tages sieht Axel einen Ballon am Himmel. Er hat Zeit und fährt ihm mit dem Auto hinterher, um die Landung mitzuerleben. Dabei kommt er ins Gespräch mit dem Piloten, Andreas Raeth aus Grefrath am Niederrhein. Raeth wird sein Einstiegsmann in die Szene, sein Gesprächspartner und ein guter Freund, der ihn bei seiner weiteren Laufbahn begleitet. „Aber erstmal hab ich ihn begleitet, drei bis vier Jahre, und zwar als Teil der Verfolger am Boden, als sogenanntes Erdferkel. Das hat viel Spaß gemacht!“ Dabei lernt man schon vieles kennen, was man später braucht, um selbst als Ballonpilot aufzusteigen.

Worin genau besteht die Faszination? „Jede Fahrt ist anders, und man weiß nie, wo man landen wird. Für Motorflieger ist das undenkbar, viele kommen damit überhaupt nicht klar. Doch als Ballonfahrer ist das die Normalität und erst recht das Aufregende daran – es ist ein echtes Abenteuer, jedes Mal aufs Neue!“

Punktgenau: Wenn es nicht anders geht, landet ein Ballon auch auf einer Straße – auf jeden Fall besser als im Zaun daneben.

Mit Andreas geht Axel auf viele Ballon-Festivals und Wettbewerbe. Sich selbst bezeichnen die Ballonfahrer als „arbeitsscheu, trinkfest, spontan“, doch tatsächlich erlebt Axel die Festivals als durchweg perfekt organisiert. Alle Aktiven werden bestens versorgt, außerdem gibt es den sogenannten Obulus: Wer im Team regelmäßig mithilft, kann sich damit eine Mitfahrt im Korb ermöglichen. „Das hab ich immer wieder gemacht“, sagt Axel. “Mich fasziniert die Stille, das Schweben, der Logenplatz am Himmel. Ballonfahrer sprechen vom Luft-Meer, eine Analogie zu den Seefahrern. Deswegen fährt man auch und fliegt nicht.“ Tradition spielt eine große Rolle unter den Ballonpiloten, neben den technischen und fliegerischen Aspekten muss man auch das mit dem Brauchtum draufhaben. Wer zum ersten Mal mitfährt, wird anschließend „getauft“ und erhält einen adlig klingenden Phantasienamen, mit dem man im Kreis der Ballöner aufgenommen wird. Wer ihn vergisst oder nicht nennen kann, muss eine Runde ausgeben. Gleiches gilt für jeden, der „fliegen“ statt „fahren“ sagt. „Darüber kann man mit den Augen rollen, aber auf der anderen Seite ist eine Fahrt mit dem Ballon für viele Menschen wirklich etwas Besonderes, und das sollte man entsprechend zelebrieren.

Wer Heißluftballon fahren will, muss viele Theoriefächer lernen

Es soll ein stimmiges Erlebnis sein, an das man sich gern zurückerinnert.“ 2016 beginnt Axel mit der Ausbildung; Kosten: zwischen 2000 und 3000 Euro. Heute liegen die Kosten deutlich höher: zwischen 5000 und 8000 Euro. Er lernt die Familie Eimers aus Duisburg kennen, und Wilhelm Eimers – eine Koryphäe dieses Sports – wird sein Ausbilder. Die erste Hürde: Von seiner bisherigen fliegerischen Ausbildung wird bis auf das Funksprechzeugnis BZF nichts angerechnet, auch nichts von der Privatpilotenlizenz. Axel muss nicht nur die Ballon-spezifischen Fächer wie Technik, Materialkunde, Verhalten in besonderen Fällen und physikalische Grundlagen, sondern wirklich alle Theoriefächer neu absolvieren – auch wenn die BPL nur eine Variante der Privatpilotenlizenz ist.

Los geht’s! Axel steigt mit dem Club-Ballon zu seiner Alleinfahrt auf, Sandsäcke simulieren die Passagiere. Danach ist er reif für die Prüfung.

Als die Theorieprüfung geschafft ist, wird Axel Mitglied im Düsseldorfer Aero-Klub, Abteilung Freiballon. Dort kann er nicht nur das Clubmaterial nutzen, sondern auch vom großen Know-how der Mitglieder profitieren. Zwei Sparten gibt es, Gas- und Heißluftballon. Axel ist so zielstrebig und ehrgeizig, dass er rasch seinen Spitznamen weghat: Wadenbeißer. „Ich bin denen im positiven Sinne auf die Nerven gegangen, weil ich immer nur in die Luft wollte! Und das hat sich ausgezahlt; in weniger als einem Jahr hatte ich die Lizenz in der Tasche.“ Viel schneller geht es kaum, denn bis zur Prüfung müssen auch Fahrten bei sommerlicher Hitze und bei Minusgraden im Winter absolviert werden, um zu lernen, wie unterschiedlich ein Ballon sich dabei verhält.

Heißluftballon fahren ist kein Sport für Einzelkämpfer

Doch man darf sich nicht vertun – Ballonfahren ist nichts für Egomanen. „Es ist ein Teamsport, absolut. Allein geht gar nix, und sogar zu zweit ist es praktisch unmöglich, auch nur einen kleinen Korb für vier Personen in den Anhänger zu verladen. Die Hülle wiegt zwischen 160 und 200 Kilo“, erzählt Axel. Der Frauenanteil liegt im Ballonsport übrigens erstaunlich hoch, und unter den Anfängern sind viele junge Menschen: „In meinem Lehrgang waren viele grade mal Mitte 20“, sagt Axel.

Alle zusammen Man versteht schnell, dass es zum Ballonfahrenein eingespieltes Team braucht.

Die gründliche Vorbereitung für eine Fahrt ist extrem wichtig, insbesondere was das Wetter betrifft. Ballonfahrer wollen keine Thermik, keine Böen und vor allem: keinen Regen. Der würde die Hülle so weit beanspruchen oder sogar beschädigen, dass ihre Lebensdauer stark verkürzt würde. „Der obere Teil der Hülle, wir nennen ihn Nordpol, trägt die größte thermische Belastung bei einem Heißluftballon. Trifft Regen auf die Oberseite, dampft das Wasser buchstäblich weg und macht die Beschichtung kaputt. Eine Regenfahrt belastet das Material so sehr wie vier normale Fahrten“, erläutert Axel die Problematik. Um Thermik zu vermeiden, ergeben sich Zeitfenster für eine Ballonfahrt: drei Stunden nach Sonnenaufgang und zwei Stunden vor Sonnenuntergang.

Beim Düsseldorfer Aero-Club gibt es zudem noch die Besonderheit, dass das Vereinsgelände in der Nähe der Kontrollzone des Airports liegt. Spätestens um 6 Uhr ist die CTR tabu für die Ballonfahrer, Start: 4.30 Uhr! Nichts für Langschläfer. Die Vorbereitungszeit bis zum Abheben eines Gasballons ist besonders arbeitsintensiv, da zahlreiche Ballastsäcke mit Sand zu füllen sind. Vor allem bei der Landung müssen Gasballon-Piloten ihr Können unter Beweis stellen, denn das Sinken muss so eingeteilt werden, dass der Landestoß kurz zuvor mit dem Ablassen von Sand abgefedert wird. Eine hohe Kunst.

Lenken per Höhenänderung

Steuern lässt sich ein Ballon übrigens durchaus, nämlich über den Auf- oder Abstieg in die verschiedenen Luftschichten. Die Faustregel besagt, dass sich die Fahrtrichtung auf diese Weise in einem Trichter von 30 bis 40 Grad bestimmen lässt. Wahre Könner schaffen es bei entsprechender Wetterlage sogar, zum Startort zurückzukehren.

Imposant: Ein Heißluftballon zieht einfach alle Blicke auf sich. Die Landung ist auch für den Piloten spannend.

Sein nächstes Ziel hat Axel übrigens vor kurzem erreicht: den eigenen Heißluftballon. Ihn zu finden war nicht leicht: „Zusammen mit meiner Freundin haben wir eineinhalb Jahre nach dem passenden Modell gesucht, auch im Ausland. Viel Zeit und Arbeit haben wir auch investiert, um einen Anhänger zu finden und herzurichten, aber jetzt ist es geschafft, rechtzeitig zur neuen Saison.“Mit jeder neuen Kategorie an Luftfahrzeugen hat sich Axel neue Horizonte erschlossen und Erkenntnisse gewonnen für alle Arten der Fliegerei, mit denen er sich beschäftigt hat. „Das öffnet den Blick ungemein, und man versteht dann auch sofort, weshalb man mit einem UL oder Motorflugzeug nicht an einem Motorschirmer oder Gleitschirmpiloten vorbeirollt und ihn wegbläst, wenn der sich grade vorbereitet.“ Das einzige Problem heute: Ballonwetter ist auch immer Motorschirm-Wetter, und das ist schon mal ein Konflikt für den umtriebigen Vollblut-Luftfahrer. „Aber so ist das eben. Es geht immer nur eins.“

Text: Martin Naß, Fotos: Axel Müller, Martin Naß.

Über den Autor
Martin Naß

Martin Naß war bis Ende 2021 Redakteur des fliegermagazins und dort auf UL-Themen spezialisiert.

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