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Recht: Arbeitsteilung

Wenn sich mehrere Piloten auf einer Reise dasselbe Kleinflugzeug und die Aufgaben im Cockpit teilen – hat man dann automatisch eine Crew?

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Arbeitsteilung:

Bei uns im Verein hat es sich eingespielt, dass längere Flüge mit Einmots von mehreren Vereinskameraden gemeinsam unternommen werden. Die beteiligten Piloten, von denen jeder das Flugzeug auch alleine fliegen könnte, wechseln sich bei der Planung und Durchführung der Flüge ab. Auch unterwegs gilt eine Art Arbeitsteilung: Während einer das Flugzeug fliegt, kümmert sich ein anderer um den Funk, ein weiterer um die Luftraumbeobachtung. In letzter Zeit kommen immer öfter Diskussionen zu der Frage auf, ob durch dieses Teamwork letztendlich eine Crew entsteht.

Die Konsequenz wäre ja dann, dass bei einem Schadensereignis alle gemeinsam haften beziehungsweise derjenige, der bei Erfüllung seiner Aufgaben nicht sorgfältig genug gearbeitet hat, keine Ansprüche gegen die anderen hätte. Manchmal sind Fluglehrer mit von der Partie, die ja anerkanntermaßen eine höhere Qualifikation haben als der durchschnittliche Scheininhaber. Haben die dann eventuell eine Art Supervisor-Funktion? Aus Kostengründen haben unsere Vereinsmaschinen keine Insassenversicherungen, allerdings haben wir eine CSL-Deckung.

Dr. Roland Winkler antwortete

Tatsächlich haben ähnliche Fälle schon Eingang in die Rechtsprechung gefunden. So haben manchmal Instanzgerichte eine „Gefahrengemeinschaft“ aus dem Rechtsgedanken eines Crew-Prinzips konstruiert. Allerdings wurde diese Rechtsfigur von Luftfahrzeugen übernommen, die tatsächlich nach dem Flugbetriebshandbuch von einer Crew zu führen waren: Hier gibt es neben dem verantwortlichen Luftfahrzeugführer noch den das Luftfahrzeug nicht führenden Luftfahrzeugführer oder Co-Piloten (pilot not flying, PNF). Erledigt dieser eine seiner Aufgaben nicht ordnungsgemäß und kommt es zum Schadensfall, muss er sich entsprechend §§ 34 LuftVG, 254 BGB sein „Verschulden gegen sich selbst“ zurechnen lassen. Konsequenz wäre dann, dass seine Schadenersatzansprüche um eben diesen Verschuldensanteil gekürzt werden oder, wenn er letztlich die überwiegende Ursache für den Schadensfall gesetzt hat, dass ihm dann keinerlei Ansprüche zugebilligt werden.

Die Obergerichte erkennen dieses Prinzip jedoch nicht immer an: Ist ein Flugzeugmuster für den Ein-Piloten-Betrieb zugelassen, dann gibt es schlicht keinen Co-Piloten oder eine Crew – es bleibt zwingend bei der Verantwortung des Flugzeugführers. Ihm allein ist gesetzlich die Aufgabe übertragen, das Luftfahrzeug sicher zu führen; und nur er kann auch die Flugzeit für sich notieren. Auch die Befugnis des Halters aus § 2 Abs. 3 LuftVO hilft nicht weiter: Zwar kann der Halter bestimmen, dass der Pilot in Command (PIC) rechts sitzen soll, er kann aber die PIC-Eigenschaft nur ganz übertragen, nicht aber teilweise. Es gibt allerdings Konstellationen, wo der Gedanke der Gefahrengemeinschaft eine Rolle spielen kann. Wird zum Beispiel bei kritischem Wetter ein VFR-Flug geplant und durchgeführt, ist es den Mitfliegern verwehrt, den PIC in Haftung zu nehmen, da sie die Gefahrenlage alle kannten und in Kauf genommen haben.

Arbeitsteilung: Geteilte Freud’, geteiltes Leid?

Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Zustimmung der Mitflieger zum erhöhten Risiko beweisbar ist – was für die Hinterbliebenen des möglicherweise ums Leben gekommenen PIC ein erhebliches Problem sein kann. Im zitierten Fall hatten andere Personen die Diskussion der drei Piloten über die Wetterbedingungen mitverfolgt und konnten als Zeugen vor Gericht gehört werden. In einem anderen Fall fand man zwar bei der Obduktion beim angeblich für die Navigation zuständigen Mitflieger Schnipsel der ICAO-Karte, die zwischen den Fingern eingeklemmt waren – als Beweis für die Übernahme der Navigationsverantwortung genügte dies jedoch nicht. Das Gericht hielt zwar die Argumentation der Beklagten in diese Richtung für denkbar, aber nicht für zwingend: Die Möglichkeit, dass sich der Mitflieger nur anhand der Karte persönlich orientieren wollte, sei nicht auszuschließen.

Im Ergebnis muss man sich immer vor Augen halten, dass es in den allermeisten Kleinflugzeugen trotz einer tatsächlich verabredeten Arbeitsteilung im Cockpit nur einen verantwortlichen Luftfahrzeugführer geben kann. Alle anderen Personen mit Fluglizenz (oder sogar Lehrberechtigung) sind Passagiere, ohne Rücksicht darauf, wie viel Erfahrung sie haben. Auch eine Übertragung von Teilaufgaben vom PIC auf einen Mitfliegenden wird im Zweifel nicht dazu führen, dass der PIC vollständig frei ist. Es wird sich dann immer noch die Frage stellen, ob er die Arbeit seines „Assistenten“ ausreichend überwacht und kontrolliert hat. Dann aber ist es im Ergebnis einfacher, gleich den Flug selbst vorzubereiten und durchzuführen.

fliegermagazin 8/2015

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