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Recht: Haftungsfragen – Fluglehrer in der Platzrunde

Ein Fluglehrer befürchtet, nach einem Unfall vor dem finanziellen Ruin zu stehen. Vor allem die Platzrunde erscheint ihm voller Unwägbarkeiten

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Haftungsfragen:

Als Fluglehrer kommen mir manchmal erhebliche Zweifel, ob ich meiner Tätigkeit einfach weiterhin so unbeschwert nachgehen kann. Zwar macht es große Freude, mit Schülern zu fliegen und zu erleben, wie diese mit der Zeit immer selbstständiger werden und mir damit mehr Raum geben, das Erlebnis Fliegen zu genießen. Andererseits höre und lese ich immer wieder von der enormen Verantwortung, die auf uns Fluglehrern lastet und die schlimmstenfalls ruinöse Folgen haben kann. Natürlich sind die Schulflugzeuge ordnungsgemäß versichert, sodass eventuelle Schäden durch einen Unfall vom Versicherer getragen werden.

Soweit ich weiß, gibt es aber auch Regressmöglichkeiten für die Versicherer, von denen auch Gebrauch gemacht wird. Außerdem sind die Summen aus der Halterhaftung nach meiner Kenntnis nach oben hin begrenzt. Viele meiner Kollegen sind Freiberufler, die sich teure Versicherungen nicht leisten können oder wollen. Wie gefährlich lebe ich denn zum Beispiel im Bereich der Platzrunde, wo ich die meiste Zeit mit meinen Schülern verbringe? Bekanntlich ist hier die Flugzeugdichte am höchsten, und selbst kleinste Unachtsamkeiten können zur Katastrophe führen.

Dr. Roland Winkler antwortete

Ganz ohne Zweifel tragen Piloten (und Fluglehrer insbesondere) eine große Verantwortung, wenn sie sich in „ihrem Element“ bewegen. Doch vor lauter Angst vor einer möglichen Haftung bei einem Unfall sollte man nicht die Freude an der Fliegerei verlieren. Speziell zum Thema Platzrunde hat es erst kürzlich eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg gegeben. Folgendes war passiert: An Bord einer Cessna befand sich ein Fluglehrer mit Flugschüler, der die Cessna steuerte und auf der Info-Frequenz eines unkontrollierten Flugplatzes um Landeinformationen bat. Kurz danach meldete sich ein Motorsegler auf derselben Frequenz und gab an, dass er die Landerichtung bereits mitgehört hätte. Er befinde sich fünf Minuten westlich des Platzes. Knapp vier Minuten später meldete der Fluglehrer aus der Cessna das Eindrehen in den Gegenanflug.

Eine weitere Minute später meldete der Fluglehrer dann den Zusammenstoß mit dem Motorsegler: Dieser war von rechts kommend mit der Cessna kollidiert und stürzte ab, wobei beide Personen im Motorsegler starben. Die Cessna konnte sicher landen. Die Hinterbliebenen der Getöteten klagten gegen den Halter der Cessna sowie gegen den Flugschüler und Fluglehrer, unter anderem verlangten sie von ihnen Schmerzensgeld. Der Motorsegler habe gegenüber der Cessna Vorflugrecht gehabt, was der rechts sitzende Fluglehrer ohne Weiteres hätte erkennen können. Damit habe die Besatzung der Cessna ihre aus § 22 LuftVO folgende Verpflichtung zur Beobachtung des Luftraums verletzt; zudem seien nicht nur der Halter aus Gefährdungshaftung, sondern auch der Fluglehrer und Flugschüler aus Verschulden zum Schadenersatz verpflichtet.

Haftung als Fluglehrer: Alptraum Platzrunde?

Dem konnte das Gericht nur zum geringeren Teil folgen; an der Ersatzverpflichtung des Flugzeughalters führte allerdings kein Weg vorbei. Grundlage hierfür sind die §§ 33 Abs. 1, 35 Abs. 1 und 2, 36 Luftverkehrsgesetz. Auch ein Schmerzensgeld für die Angehörigen kann nach den Grundsätzen der Rechtsprechung für so genannte „Schockschäden“ berechtigt sein. Eine Haftung des Flugschülers wurde jedoch – zu Recht – verneint, da hierfür keinerlei gesetzliche Grundlagen ersichtlich sind. Verantwortlicher Luftfahrzeugführer war ausschließlich der Fluglehrer. Doch auch dieser musste nicht haften, weil er die Schäden nicht fahrlässig verursacht hat (§ 823 Abs. 1 BGB). Interessant ist dabei vor allem, dass das Gericht zum Schluss kam, dass sich die Cessna nicht im Überlandflug befand – dies führten die Kläger an, da deren Pilot die Kurve in den Queranflug um zirka 500 Meter überschossen hatte.

Vielmehr galt die Maschine für das Gericht bereits mit Eindrehen in den Gegenanflug als landendes Flugzeug im Flugplatzverkehr – was der bisher im fliegermagazin vertretenen Meinung widerspricht. Der Pilot konnte für sich das Vorflugrecht in Anspruch nehmen (§ 13 Abs. 4 LuftVO) und hatte die Ausweichregeln des § 13 LuftVO nicht verletzt. Auch durfte der Fluglehrer aufgrund des Funkverkehrs mit dem Motorsegler davon ausgehen, dass sich dessen Pilot als Nummer zwei einordnen würde. Der von den Klägern erhobene Vorwurf, den Luftraum nicht ordentlich beobachtet zu haben, wurde vom Gericht nicht akzeptiert: Allein daraus, dass ein anderes Luftfahrzeug in gefahrträchtiger Nähe sei, könne man keine Pflicht zur „extremen Ausschau“ herleiten. Verlangt werde nicht ein Verhalten, das jegliche Gefahr vermeide, sondern ein sachgerechter Umgang mit der Gefahr – und ein solcher war beim Fluglehrer offenbar erkennbar.

fliegermagazin 6/2015

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