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Recht: Medical-Fragen

Das medizinische Tauglichkeitszeugnis ist eine Momentaufnahme und kann bei gewissen Erkrankungen seine Gültigkeit auch verlieren

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Medical-Fragen:

Als ich mit Anfang dreißig meine Flugausbildung (PPL) begonnen habe, musste ich zum Fliegerarzt, der mir ein Tauglichkeitszeugnis ausgestellt hat. Mein erstes Medical war fünf Jahre gültig, ohne dass zwischendurch tatsächlich irgendetwas überprüft worden wäre. In der Zwischenzeit hatte ich eine Blinddarmoperation, ein gebrochenes Bein sowie einen 14-tägigen Klinikaufenthalt wegen unklarer Symptome, die von meinem Hausarzt festgestellt worden waren. In der Klinik stellte sich heraus, dass ich gesund bin. Als ich nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Medicals wieder zum Fliegerarzt musste, habe ich diese zurückliegenden Episoden im Fragebogen nicht angegeben, denn sie waren erstens erledigt und zweitens wollte ich keine Probleme.

Die vom Fliegerarzt erhobenen Befunde bestätigten letztendlich mein Gefühl, denn ich bekam ohne weiteres wieder mein Tauglichkeitszeugnis. Im Nachhinein kamen mir dann doch einige Zweifel, ob ich so handeln durfte, denn damit wird ja eigentlich die Arbeit des Fliegerarztes konterkariert. Wie ist die Rechtslage und welche Bedeutung hat das Tauglichkeitszeugnis wirklich?

Dr. Roland Winkler antwortete:

Sie haben in der Tat die Arbeit des Fliegerarztes konterkariert. Natürlich kann der Befund eines Fliegerarztes nur eine Momentaufnahme sein. Der Arzt kann allerdings aus einer Reihe von Untersuchungen durchaus eine Tendenz erkennen und – weil er Flieger- und nicht „Grounder“-Arzt ist – dieser im Interesse des Piloten unter Berücksichtigung der Belange der Sicherheit der Luftfahrt entgegenwirken. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der Fliegerarzt nach MED.A.015 der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt. Es ist also keine gute Idee, beim Fliegerarzt zu mauern. Das Medical ist schließlich keine Lappalie: Bereits bei Beginn der Ausbildung hat der Bewerber seinem Ausbildungsbetrieb ein Tauglichkeitszeugnis vorzulegen (§ 16 Abs. 2 Ziff. 2 LuftPersV).

Weiterhin darf der Flugschüler erst nach Ausstellung des seiner erstrebten Lizenz entsprechenden Tauglichkeitszeugnisses Alleinflüge durchführen (VO 1178/11 Anhang IV MED.A. 030). Diesselbe VO bestimmt in FCL.040, dass die Ausübung der mit einer Lizenz verliehenen Rechte voraussetzt, dass ein gültiges Tauglichkeitszeugnis vorliegt. FCL.045 ergänzt diese Vorschrift und bestimmt, dass bei Ausübung der Rechte ein gültiges Tauglichkeitszeugnis mitgeführt werden muss. Neben der eigentlichen Lizenz ist das Tauglichkeitszeugnis somit das wichtigste Dokument für den Piloten. Dass der Befund des Fliegerarztes nur eine Momentaufnahme ist, hat auch der Gesetzgeber erkannt. Es ist nämlich nicht so, dass sich ein Pilot schrankenlos auf das Tauglichkeitszeugnis stützen kann und während dessen Gültigkeit alles weitere ignorieren darf, was ihm widerfährt.

Beim Fliegerarzt: Der Nächste, bitte!

So bestimmt die VO 1178/2011 in MED.A.020, dass Piloten unter gewissen Umständen die Rechte aus ihrer Lizenz nicht ausüben dürfen. Das beginnt schon damit, dass ein Pilot sich nicht fit fühlt zum Fliegen, weil er die Nacht nicht schlafen konnte und sich buchstäblich wie gerädert fühlt. Wer an Kopf- oder Gliederschmerzen leidet, die die Beweglichkeit oder Konzentration beeinträchtigen, wer einen steifen Hals hat und den Kopf kaum nach links und rechts bewegen kann, gehört nicht ins Cockpit. Werden Medikamente genommen, und dazu gehören auch leichte, verschreibungsfreie Schmerzmittel, sollte man den Beipackzettel genau lesen, ob man nach der Einnahme noch am motorisierten Verkehr teilnehmen kann. Nicht starten darf, wer sich einer medizinischen Behandlung, einem chirurgischen Eingriff oder einer anderen Behandlung unterzogen hat, die die Flugsicherheit beeinträchtigen kann.

In all diesen Fällen wird an die Eigenverantwortlichkeit des Piloten appelliert, selbst zu entscheiden, ob er flugtauglich ist. Flugmedizinischen Rat muss „unverzüglich einholen“ (das geht auch telefonisch), wer sich einem chirurgischen Eingriff oder einem invasiven Verfahren unterzogen hat. Darunter fällt eine kleine OP an der Hand, eine genähte Platzwunde und sogar eine simple Blutabnahme, denn unter invasivem Verfahren wird alles verstanden, was mit einem Stich in eine Ader zu tun hat. Mit dem Fliegerarzt sprechen muss man auch bei einer erheblichen Verletzung oder Erkrankung, mit der man ein Luftfahrzeug nicht mehr sicher bedienen kann – das kann eine schwere Erkältung oder ein Heuschnupfen sein, bei dem die Augen permanent tränen. Nicht zuletzt bei einer Schwangerschaft und wenn man zum ersten Mal eine Brille braucht, entscheidet der Fliegerarzt, ob eine neue Untersuchung fällig ist oder nicht.

fliegermagazin 11/2016

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