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Recht: Schwimmwestenpflicht

Seit sich die Verordnung geändert hat, sind viele Piloten verunsichert: Braucht man jetzt generell eine Schwimmweste, wenn es übers Wasser geht?

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Schwimmwestenpflicht:

In unserem Verein behaupten einige Piloten, dass man nach der Änderung der 3. Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (3. DV LuftBO) im Frühjahr 2009 bei Flügen über Wasser auf jeden Fall Schwimmwesten mitführen muss. Andere sagen wiederum genau das Gegenteil. Weiter stellt sich nicht nur mir die Frage, ob es grundsätzlich spezielle (etwa luftfahrtzugelassene) Schwimmwesten sein müssen, oder ob man nicht auch solche Modelle benutzen kann, die beispielsweise von Wassersportlern verwendet werden. Letztlich stellt sich ja auch noch das Problem, wie alt überhaupt eine Schwimmweste sein darf, und ob ich ihre Funktionstüchtigkeit testen muss. Wie verhält man sich richtig, damit eine eventuelle Überprüfung glimpflich abläuft und nach einer Notwasserung nicht auch noch strafrechtliche Konsequenzen auf einen zukommen?

Dr. Roland Winkler antwortete

Die Frage der Schwimmwestenpflicht bei Flügen über Wasser wurde durch die 3. DV LuftBO vom 19. März 2009 neu und wesentlich präziser als zuvor geregelt. Früher bestimmte lediglich Paragraf 21 Abs. 1 LuftBO, dass für Flüge über Wasser, bei denen im Falle einer Störung mit einer Notlandung auf dem Wasser zu rechnen ist (…), die Luftfahrzeuge (…) mit den erforderlichen Rettungs- und Signalmitteln ausgerüstet sein müssen – welche das sind, wurde nicht gesagt. Jetzt gelten jetzt die Paragrafen 14 und 15 der 3. DV LuftBO. Paragraf 14 bestimmt, dass für jede Person eine Schwimmweste mit einem Licht zur Ortung mitzuführen ist, wenn bei Flügen mit einmotorigen Landflugzeugen über Wasser die Entfernung von der nächsten Küste größer ist als die jeweilige Gleitdistanz. Flüge über Wasser sind dabei nicht nur solche über dem Meer, sondern auch Flüge über einem Binnengewässer.

Auch wer zum Beispiel in der Mitte des Bodensees fliegt, muss Schwimmwesten mitführen, wenn er nicht in einer Höhe fliegt, die es ihm ermöglicht, im Gleitflug Land zu erreichen. Wenn man von einem Gleitwinkel von 1:10 ausgeht, so hat man bei 2000 Fuß über Grund eine Gleitstrecke von 3,3 Nautischen Meilen. Das heißt: Bei einer Höhe von 2000 Fuß über Grund über der Mitte des Bodensees ist das Ufer nur noch knapp erreichbar. Eine absolute Grenze, ab der zwingend Schwimmwesten mitgeführt werden müssen, legt Paragraf 15 Abs. 1 3. DV LuftBO fest. Danach sind Schwimmwesten dann mitzuführen, wenn das Land mehr als 50 Nautische Meilen entfernt ist. Die Gleitdistanz spielt keine Rolle mehr. Für einen Flug von St. Peter-Ording nach Helgoland bedeutet dies folgendes: Die Strecke über Wasser beträgt 26 Nautische Meilen, die erforderliche Gleitdistanz ohne Windeinfluss damit 13 NM. Bei einer Flughöhe von 8000 Fuß über Grund und Gleitwinkel 1:10 kommt das gerade hin.

Welche ist die Richtige?

Damit könnte ich mich auf Paragraf 14 Abs. 1 der 3. DV LuftBO berufen und ohne Schwimmweste fliegen, wenn ich eine Höhe von 8000 Fuß über Wasser einhalte. Ganz so einfach ist das aber nicht, denn natürlich muss ich hierbei auch die Luftraumstruktur über der Nordsee beachten. Vor der Deutschen Bucht befindet sich nicht nur die ED-R 201 mit einer Untergrenze in FL80, sondern auch die ED-D 101a mit einer Untergrenze von 5500 Fuß. Hier gehört der sorgfältige Check zur Flugvorbereitung, ob die genannten Beschränkungs- und Gefahrengebiete aktiv sind oder nicht. Auch mit Schwimmwesten an Bord sollte man, wenn der Flugweg über Wasser führt, insbesondere im Winter so hoch wie irgendmöglich fliegen, damit eine Notwasserung erst gar nicht erforderlich wird: Es besteht nicht nur die Gefahr des Ertrinkens, sondern auch der Unterkühlung bei entsprechend niedrigen Wassertemperaturen.

In nur wenige Grad kaltem Wasser kann es daher trotz Rettungsweste schnell lebensbedrohlich werden, wenn die Körperkerntemperatur absinkt. Bereits ein Abfall von nur zwei bis drei Grad reicht aus, um die Bewegungsfähigkeit deutlich einzuschränken. Sinkt die Körpertemperatur noch weiter ab, drohen Bewusstlosigkeit und schließlich Kreislaufversagen. Paragraf 15 Abs. 2 LuftBO gibt eine weitere Grenze vor, die von einmotorigen Flugzeugen nicht überschritten werden darf: Die maximal zulässige Entfernung zum Land sind 100 Nautische Meilen. Wer weiter hinausfliegt, braucht ein Rettungsfloß (Paragraf 15 Abs. 4 3. DV LuftBO). Bei Flügen über die Nordsee nach Schottland kann dies bereits relevant sein. Bliebe dann noch die Frage nach dem richtigen Modell einer Rettungsweste. Hier ist es so, dass die EASA-Norm ETSO-C13f die Luftfahrtzulassung von Schwimmwesten regelt.

Eine Schwimmweste sollte diese Norm erfüllen, auch wenn die 3. DV LuftBO das nicht explizit fordert. Weitere Überprüfungsmöglichkeiten bestehen kaum, da man eine Notwasserung ja nicht simulieren kann. Wenn eine neue Rettungsweste originalverpackt bei Ihnen ankommt und eine äußere Sichtprüfung keinerlei Beschädigungen erkennen lässt, sollten sie sich aber schon darauf verlassen können, dass sie im Notfall auch funktioniert. Bei einer geliehenen Weste sollten Sie auf die aufgedruckte Laufzeit achten, die natürlich noch aktuell sein muss. Dennoch müssen die vom Hersteller vorgeschriebenen Wartungsintervalle und -vorschriften eingehalten werden.

fliegermagazin 2/2010

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