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Recht: Sicherheitsmindesthöhe

Immer wieder diskutieren Piloten über die korrekte Flughöhe über Grund. Die Vorschriften decken zwar alle Eventualitäten ab, doch wer sie liest, kommt schon mal ins Grübeln: Nicht immer scheint alles klar und eindeutig definiert zu sein

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Sicherheitsmindesthöhe:

Im Luftfahrthandbuch AIP VFR heißt es auf Seite ENR 1-16 zum Thema Sicherheitsmindesthöhe sinngemäß, dass man über Städten, anderen dicht besiedelten Gebieten und Menschenansammlungen mindestens 1000 Fuß über Grund einhalten muss. Meine erste Frage: Wie sind Städte und andere dicht besiedelte Gebiete im Sinne dieser Vorschrift definiert? Ist die deutsche ICAO-Karte mit den dort dargestellten Städten und Ortschaften (laut Legende ab 5000 Einwohnern) das Kriterium, oder fallen auch kleinere, nicht dargestellte Siedlungen unter diese Vorschrift? Gibt es noch andere Regeln für „dicht besiedelt“, wie etwa eine Mindestanzahl von Häusern?

Die zweite Frage: Was sind Menschenansammlungen im Sinne dieser Vorschrift, und welche Anforderungen werden an Piloten hinsichtlich ihrer Erkennbarkeit beim Überfliegen gestellt? Bei Formel-1-Rennen, Bundesligaspielen oder beim überfüllten Schwimmbad ist die Sache klar, aber was ist mit dem Dorfsportplatz, wo ein paar Mann kicken und weitere zehn zuschauen? Was ist mit Hallen oder Hotelanlagen, wo aus der Luft gar nicht erkennbar ist, ob sich dort zurzeit größere Menschenmengen aufhalten oder nicht? Welche Anforderungen werden hier an Piloten bei Flugvorbereitung und Flugdurchführung gestellt?

Dr. Roland Winkler antwortete

Bei dem Begriff „dicht besiedeltes Gebiet“ handelt es sich um einen so genannten unbestimmten Rechtsbegriff, das heißt es gibt keine gesetzliche Definition dafür, wann ein Gebiet dicht besiedelt ist. Unbestimmte Rechtsbegriffe unterliegen der Auslegung, und diese orientiert sich an Sinn und Zweck der Regelung. Sinn der Sicherheitsmindesthöhe ist, dass bei ihrer Einhaltung weder eine unnötige Lärmbelästigung noch im Falle einer Notlandung eine unnötige Gefährdung von Personen und Sachen zu befürchten ist. Geregelt ist dies in § 6 Abs. 1 der LuftVO. Unnötig ist der Lärm, der bei dem Betrieb eines Luftfahrzeugs verursacht wird, wenn er stärker ist, als es die ordnungsgemäße Führung oder Bedienung unvermeidbar erfordert. Im Fall einer Notlandung soll die Gefährdung sich im Landegebiet aufhaltender Personen so gering wie möglich gehalten werden. Dies ergibt sich auch aus § 1 Abs. 1 und 2 LuftVO, die ein allgemeines Rücksichtnahmegebot enthalten.

Ein Gebiet wird dann als dicht besiedelt angesehen, wenn bei einer Notlandung ein Schadenseintritt außerhalb des Luftfahrzeug wahrscheinlich ist. Bei einer Ortschaft mit einer mehrere hundert Meter langen Straße, an der Grundstück neben Grundstück bebaut ist, wurde die Eigenschaft „dicht besiedelt“ in einem Fall bereits bejaht. Die Menschenansammlung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 LuftVO wird als das Zusammensein einer Vielzahl von Menschen bezeichnet; ihre Anzahl darf nicht sofort überschaubar sein, es darf auf das Hinzukommen oder Weggehen eines Einzelnen nicht ankommen. Der Dorfsportplatz wird diese Bedingung nicht erfüllen: Müssten Sie dort landen, so könnten sich diese wenigen Menschen ohne größere Probleme entfernen. Stellt man sich aber ein volles Schwimmbad vor, so wird eine Räumung nicht so ohne Weiteres möglich sein.

Mindesthöhe: Wie tief kann man sinken?

Entscheidend für die Wahl der richtigen Sicherheitshöhe ist die Antwort auf die beiden folgenden Fragen: Besteht beim Überflug eines Siedlungsgebiets die Gefahr, dass bei einem plötzlichen Motorausfall die anschließende Notlandung im bebauten Bereich stattfinden müsste? Und: Würde beim tiefen Überflug eine nicht mehr überschaubare Menge von Personen unnötig durch den Fluglärm belästigt? Wenn eine dieser beiden Fragen oder gar beide mit ja beantwortet werden können, dann beträgt die Sicherheitsmindesthöhe 1000 Fuß über dem höchsten Hindernis in einem Umkreis von 600 Metern. Reicht diese Höhe nicht aus, um die Gefährdung auszuschließen, muss der Pilot aber noch höher fliegen. Dies kann zum Beispiel über Großstädten der Fall sein, wobei im Gleitflug nicht unbedingt die Stadtgrenze erreichbar sein muss, sondern eine Notlandefläche wie etwa ein See.

Können beide Fragen dagegen verneint werden – würde lediglich ein einsam gelegener Hof überflogen und damit eine relativ geringe Belästigung hervorgerufen – so gelten 500 Fuß als Mindesthöhe. Zusätzlich ist für die Flugplanung noch § 6 Abs. 3 LuftVO entscheidend, wonach Überlandflüge mindestens in einer Höhe von 2000 Fuß über Grund durchzuführen sind. Anders als viele Piloten glauben, sieht diese Regelung allerdings im Gegensatz zu der für Sicherheitsmindesthöhen ausdrücklich Ausnahmen vor, die in der Flugpraxis relevant sind: Wenn die Luftraumordnung, Flugverkehrsfreigaben oder die Sichtflugregeln das Einhalten von 2000 Fuß unmöglich machen, muss niedriger geflogen werden – die Überlandflughöhe tritt hinter die übrigen Vorschriften zurück. Ist etwa der beflogene Luftraum in 2000 Fuß als „Echo“ klassifiziert, so sind dort 1000 Fuß vertikaler Wolkenabstand gefordert. Gibt es Wolken unterhalb 3000 Fuß, muss der Pilot entsprechend der Sichtflugregeln tiefer fliegen.

Nicht nur die Unterschreitung der Sicherheitsmindesthöhe nach § 6 Abs. 1 LuftVO, sondern auch die Durchführung eines Überlandfluges entgegen § 6 Abs. 3 LuftVO stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro geahndet werden kann.

fliegermagazin 3/2010

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