Unfallakte

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Stall im Landeanflug: Absturz einer Glaser DG-400 in Bayern

Zu einem gelungenen Landeanflug gehört vor allem gutes Timing. Wer zu hoch reinkommt, muss unter Umständen heftige Korrekturen vornehmen. Vor allem wenn die Maschine gut gleitet, kann dabei Stress entstehen – und die Gefahr, dass der Pilot anderes aus den Augen verliert

Von Redaktion

Ein aerodynamisch ausgefeiltes Flugzeug bringt nicht immer nur Vorteile für den Piloten. Zwar zählt bei einem Motorausfall oder im Segelflug unter Umständen jeder Meter, der die Gleitstrecke verlängert. Gute Segelflugleistungen können den Piloten aber beim Landen auch in Bedrängnis bringen, besonders bei zu hohem Eindrehen ins Endteil. Hat das Flugzeug keine Störklappen, wird meist durch Slippen Höhe abgebaut. Manche Piloten versuchen aber auch, durch Vollkreise oder sogar Steilkurven ihre Anflughöhe zu veringern. In Bodennähe und bei wenig Fahrt sind solche Manöver jedoch riskant. Der Pilot eines Motorseglers vom Typ Glaser DG 400 unterschätzte diese Gefahr bei seinem Landeanflug. Mit fatalen Folgen.

Ein Wettbewerb lockt den 47-Jährigen an einem frühsommerlichen Tag im Mai des vergangenen Jahres zum niederbayerischen Flugplatz Arnbruck. Am Vormittag bereitet sich der Segelflieger und Motorseglerpilot in Straubing auf den Wettbewerb und den Flug zum Austragungsort vor. Mit insgesamt 923 Flugstunden gilt er als erfahren, im Cockpit der DG-400 hat er bereits 145 Flugstunden verbracht. Die Glaser DG-400 ist ein Motorsegler mit Klapptriebwerk; eingefahren liegt es im Rumpf hinter den Tragflächen. Mit 15 Metern Spannweite bringt es der Wölbklappen-Einsitzer auf Gleitzahl 42 – und bietet damit hervorragende Segelflugeigenschaften. Die Abrissgeschwindigkeit liegt bei 65 Stundenkilometern.

Glaser DG-400: Motorsegler mit Klapptriebwerk

Das Triebwerk, ein Rotax 505 mit 43 PS, wird mit einem elektrischen Spindelmotor aus- und eingefahren. Die DG-400 gilt sowohl im Segelflugbetrieb wie auch mit ausgefahrenem Motor als sehr gutmütig. Gegen 11 Uhr startet der Pilot das Klapptriebwerk seiner Maschine und ist kurze Zeit später in der Luft. Nach dem Verlassen der Platzrunde nimmt er Kurs in Richtung Nordost. Von Straubing ist es auf dem Luftweg keine halbe Stunde nach Arnbruck. Schon nach 22 Minuten hat die DG-400 den idyllisch gelegenen Platz im Bayerischen Wald erreicht. Passanten beobachten, wie der Motorsegler von Süden anfliegt. Über Funk meldet sich der Pilot bei der Flugleitung an, um die 610-Meter-Asphaltpiste kurz darauf direkt anzusteuern. Offensichtlich ist die Maschine aber deutlich zu hoch, wie Zeugen später zu Protokoll geben.

Kurz vor dem Ziel: Rettungskräfte sichern das Wrack nur 160 Meter südlich der Schwelle „34“ (Foto: BFU)

Kurz vor dem Flugplatzgelände versucht der Pilot deshalb, durch mehrere Kurven und Vollkreise Höhe abzubauen. Als er schließlich für den Endanflug auf die Pistenausrichtung der Arnbrucker Landebahn eindreht, kippt die DG plötzlich über die Fläche ab. Fast senkrecht prallt sie Augenblicke später etwa 160 Meter vor der Schwelle auf eine Wiese. Dabei wird das Cockpit vollständig zertrümmert, der Rumpf bricht hinter der Tragfläche in zwei Teile. Der Pilot ist sofort tot. Die Ermittler der Bundestelle für Flugunfalluntersuchungen (BfU) finden am Wrack keine Hinweise auf technische Ursachen für den Absturz. Räder und Hilfstriebwerk sind eingefahren. Auch die Überprüfung der Schwerpunktlage sowie der Abflugmasse bleibt ohne Befund.

Geringe Höhe: Der Pilot hat keine Chance, die DG-400 noch abzufangen

Zwar wurde die maximale Zuladung der DG-400 beim Unfallflug voll ausgeschöpft und laut Wägeprotokoll vom 18. August 2007 der hintere Schwerpunktbereich minimal überschritten. Beides habe aber keine Auswirkungen auf die Stalleigenschaften des Einsitzers gehabt, so die Unfallermittler aus Braunschweig. Aus den Daten des GPS-Navigationsgeräts, das aus dem Cockpit der zerstörten DG-400 geborgen wird, können die Ermittler den genauen Flugweg sowie jede Höhen- und Fahrtänderung während des letzten Flugabschnitts rekonstruieren. Dabei zeigt sich, dass der Pilot bei seinem Versuch, durch einen schlingernden Anflug Höhe abzubauen, auch extreme Geschwindigkeitsschwankungen vom Schnellflug bis nahe an die Abrissgeschwindigkeit herbeiführte. Weshalb er nicht die Störklappen der DG-400 nutzte, um Höhe abzubauen, konnten auch die Experten der BfU nicht klären.

Zu wenig Fahrt: Fast senkrecht stürzte die Glaser DG-400 auf eine Wiese nahe dem Flugplatz Arnbruck. Hier ein baugleiches Muster (Foto: DG Flugzeugbau)

In der letzten Kurve, aus der die Maschine über die Fläche abkippte, hatte der Pilot die Stallgeschwindigkeit schließlich unterschritten. In der zu geringen Flughöhe hatte er keine Chance, die Maschine noch rechtzeitig abzufangen. Ein kleiner Umweg hätte dem 47-Jährigen möglicherweise das Leben gerettet: Durch den direkten Anflug von Süden hatte er eine schwierige Rückenwindlandung in Kauf genommen. Von Norden – schulmäßig mit dem Wind auf der Nase – wäre der Anflug wohl deutlich leichter und sicherer gewesen.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 6/2010

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