Unfallakte

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Übers Limit im Gebirge: Piper PA-28 stallt in geringer Höhe

Dass Fliegen im Gebirge nicht ohne ist, war einem jungen deutschen Piloten durchaus bewusst. Deswegen absolvierte er eine Alpeneinweisung. Damit hätte er eigentlich für Flüge in die Berge gut gewappnet sein sollen …

Von Redaktion
fliegermagazin Unfallakte 4/2005
Kaum zu glauben: Drei Insassen überlebten diesen Crash Foto: Flugunfalluntersuchungsstelle

Die Bergwelt kann aus der Vogelperspektive faszinierend, ja berauschend sein – und den Piloten die Gefahren vergessen lassen, die in der herben Landschaft lauern. Wer im Land der hohen Berge nichts riskieren will, sollte tiefstapeln: sich und dem Flugzeug nicht zuviel zutrauen.
Schon bei der Planung müssen Gebirgstäler, die man durchfliegen möchte, auf ihre Höhe geprüft werden, ebenso die flankierenden Berge. Und dann die wichtige Frage: Wieviel Zuladung kann man dem Flugzeug zumuten? Wenn die Maschine voll besetzt an der Grenze ihrer Motorleistung und Aerodynamik betrieben wird: Wieviel Leistungsreserven bleiben dann noch, um auf plötzliche Überraschungen im Gebirge reagieren zu können?


Ein 26-jähriger Privatpilot scheint sich mit genau dieser Art von Fragen beschäftigt zu haben. Obwohl in Deutschland nicht vorgeschrieben, lässt er sich in Alpenflüge einweisen. Der junge Mann, von seinem fliegerischen Umfeld als sorgfältiger und gewissenhafter Pilot beschrieben, steht am Anfang seiner aviatischen Karriere: Seit drei Jahren hat er den PPL-A in der Tasche, seine Erfahrung beträgt inklusive Schulung erst gut 73 Stunden. An einem Septembertag soll es mit drei Freunden von Friedrichshafen in die Alpen Richtung Österreich gehen. Tadelloses VFR-Wetter verspricht einen herrlichen Spätsommerflug vor prächtiger Alpenkulisse: angenehme 24 Grad Celsius, CAVOK-Bedingungen, der Wind bläst mit acht Knoten aus Nordwest, und der Luftdruck liegt bei 1025 Hektopascal.

Mit einer Piper PA-28 soll es von Friedrichshafen in Richtung Alpen gehen


Nachdem der Pilot die Tanks seiner Piper PA-28/181 mit 100 Liter Avgas gefüllt hat, hebt die Einmot um kurz nach fünf vom Flugplatz am Bodensee ab. Was für ein Ausblick! In Flugrichtung erhebt sich aus dem Appenzeller Land goldfarben das Alpsteingebirge im Licht der tiefstehenden Sonne, und unter der Piper glitzert der Bodensee wie flüssiges Blei. Mit Kurs Südost geht es vorbei an Lindau über Bregenz und Dornbirn Richtung Bezau im Bregenzer Wald. Hier erreicht der Tiefdecker mit 7100 Fuß MSL die größte Höhe. Danach leitet der Pilot einen Sinkflug ein; er will seinen Passagieren eine von Freunden bewohnte Hütte zeigen. Bis auf 5200 Fuß MSL baut die Piper Höhe ab.

Dann nimmt der Pilot Kurs Richtung Osten und beginnt mit dem Steigflug. Zu spät: Eine Linkskurve, zurück nach Friedrichshafen, führt über ansteigendes Gelände mit Hindernissen, mindestens 6300 Fuß MSL hat das Terrain. Der Pilot merkt, dass es eng wird und reduziert die Geschwindigkeit. Dabei unterschreitet er die Stallspeed, die Maschine kippt ab und schlägt aus geringer Höhe auf den Boden. Ein Passagier stirbt, die beiden anderen und der Pilot überleben schwer verletzt. Zufällig sind Rettungskräfte in der Nähe, und so gelingt es trotz beginnender Dämmerung, binnen weniger Minuten Ersthelfer mit einem Hubschrauber ans Wrack zu bringen.

Die PA-28 unterschreitet in geringer Höhe die Mindestfahrt und kippt ab


Die österreichischen Untersucher nennen den ungeeigneten Flugweg, Unterschreiten des Stallspeed und die geringe Flugerfahrung des Piloten als wahrscheinliche Ursachen. Zudem könnten die hohe Temperatur sowie eventuelle Abwindzonen den Crash begünstigt haben. Der Untersuchungsbericht endet mit einer Empfehlung: Wartungsbetriebe sollten ein Verfahren entwickeln, dass Luftfahrzuge, deren Notsender für die Instandhaltungsarbeiten ausgeschaltet wurde, nicht mit deaktiviertem ELT wieder in Betrieb genommen werden. Genau das war nämlich bei der Unfallmaschine passiert.

Text: Markus Wunderlich, fliegermagazin 4/2005

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