Unfallakte

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VFR-Landung trotz schlechter Sicht: Cessna 501 Citation I kollidiert mit einer Hochspannungsleitung

Selbstüberschätzung: Ein zweistrahliger Jet steuert eine VFR-Piste an, 
die erkennbar im Nebel liegt. Trotzdem fliegt die Crew nicht zum nahen Ausweichplatz mit ILS-Anflug und viel besserem Wetter, sondern versucht die Landung

Von Redaktion

Die Berichte der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) können immer nur ein Ausschnitt der Ereignisse sein. Persönliche Beweggründe, Missverständnisse und Konflikte bleiben oft im Dunkeln. Auch bei dem fast 40-seitigen Abschlussbericht über den Absturz einer Cessna 501 Citation I bleiben Fragen offen. 


Es ist der 10. Januar 2014, an dem der zweistrahlige Privatjet mit zwei Piloten und zwei Passagieren an Bord von Trier-Föhren startet. Das Ziel ist Shoreham an der englischen Südküste. Der Pilot in Command ist Berufspilot mit europäischer CPL und US-ATPL, seine Gesamtflugerfahrung beträgt 4800 Stunden. Allein auf Flugzeugen der Citation-Reihe hat er 1256 Stunden gesammelt. Kollegen beschreiben ihn als „dominant und von sich überzeugt“ und das Verhältnis zwischen ihm und dem Co-Piloten als schwierig: Zwischen beiden sei ein starkes Autoritätsgefälle spürbar.

Start der Cessna 501 Citation I in Trier-Föhren

Der Pilot schätze die Fähigkeiten seines Co als gering ein, heißt es. Zudem kommt es an dem Wochenende offenbar zu einem Streit der beiden, in dessen Folge der 55-jährige PIC ankündigt, nach der Rückkehr die Zusammenarbeit mit dem 40-jährigen Copiloten beenden zu wollen. Dieser gilt in Kollegenkreisen dagegen als zurückhaltend, besonnen und kooperativ und wird als Teamplayer beschrieben.

Flugweg-Rekonstruktion: Hinter der Stadt Wittlich (oben links) dreht der Jet in Richtung Trier-Föhren. Der Autopilot folgt dabei einem falsch programmierten Vertikalprofil (Foto: BFU)

Die beiden Passagiere nehmen in Shoreham an einer Jagd teil. Der Rückflug ist für den 12. Januar um 14 Uhr geplant. Am Nachmittag des 11. Januar ändert der PIC jedoch den Flugplan, er will früher starten, um 10.15 Uhr UTC. Grund ist ein Termin eines Passagiers.

Nebel am Zielflugplatz Am Tag des Rückflugs ruft der PIC den Flugleiter von Trier-Föhren um 10.10 Uhr Ortszeit an und kündigt die Ankunft gegen Mittag an. Daraufhin teilt ihm der Flugleiter mit, dass der Platz von starkem Nebel eingehüllt sei. Wenn überhaupt, sei frühestens ab 13.30 Uhr mit einer Besserung zu rechnen. Am Gesprächsende geht der Flugleiter davon aus, dass die Citation einen anderen Flugplatz anfliegen werde. Doch sie startet um 10 Uhr UTC mit Kurs auf Trier-Föhren. Als Ausweichflugplatz ist im Flugplan Luxemburg angegeben.

Rückflug nach Trier-Föhren: Schlechte Sichtbedingungen am Zielort

Als der Jet im deutschen Luftraum ist, nimmt der Copilot Funkkontakt zu Langen Radar auf. Minuten später erteilt der Lotse die Freigabe in Richtung Ziel mit Sinken auf 5000 Fuß MSL. Der PIC bestätigt die Freigabe, meldet knapp drei Minuten später: „Standing by for cancelling IFR“ und erhält die Bestätigung für den Flugregelwechsel von IFR zu VFR. Damit, so die BFU, scheint die Crew die Entscheidung getroffen zu haben, in Trier zu landen. Doch dort gibt es kein Instrumentenanflugverfahren – und das Wetter ist noch immer vollkommen ungeeignet für Sichtflug: Es gibt eine ausgeprägte Inversion in 2000 Fuß mit gefrierendem Nebel darunter, bei einer Sichtweite von unter 100 Metern.

Ausgebrannt: Der Absturz ist für alle vier Personen an Bord tödlich (Foto: BFU)

Als die Citation auf Sichtflug wechselt, ist sie noch oberhalb des Nebels, vermutlich im blauen Himmel. Gegen 11.49 Uhr kurvt der Jet östlich der Stadt Wittlich in einer Höhe von 3500 Fuß nach rechts und sinkt weiter. Der Pilot reduziert die Geschwindigkeit von 180 auf 160 Knoten und bereitet den Anflug auf die Piste 22 von Trier-Föhren vor, offenbar mithilfe eines manuell ins GPS programmierten Anflugprofils. Das letzte Radarziel zeigt die Maschine in einer Höhe von 1300 Fuß mit 140 Knoten.

Zeugen am Boden hören Triebwerksgeräusche und sehen den Jet in geringer Höhe unterhalb des Nebels in südwestlicher Richtung fliegen, schätzungsweise 15 bis 20 Meter über den Baumgipfeln. Die Triebwerksleistung sei dann erhöht und die Maschine vor einem Steilhang hochgezogen worden, bevor sie mit einer Linksneigung im Nebel verschwand. Kurz darauf sei Feuerschein zu sehen und Geräusche eines Aufpralls zu hören gewesen. Die Citation war mit dem Mast einer Überlandleitung kollidiert, dabei riss die rechte Tragfläche ab. Etwa 100 Meter vom Mast stürzte die Maschine in Rückenlage auf ein Feld und brannte aus.

Fehler der Piloten: Keine Abfrage der Wetterdaten

Weder der Pilot noch der Co-Pilot hatten am Unfalltag Flugwetterdaten eingeholt. Warum sie das unterließen, bleibt rätselhaft. Im Verlauf des Flugs gab es zu keiner Zeit Funkkontakt mit dem Flugplatz Trier. Damit nicht genug, war der Autopilot des Jets mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Sinkflug auf eine falsche Zielhöhe eingestellt – 0 statt 666 Fuß MSL, der Platzhöhe von Trier-Föhren.

Schaurig: In 20 Meter Höhe steckt die rechte Tragfläche der Citation im Strommast (Foto: BFU)

Druck von Seiten eines Passagiers, unbedingt in Trier zu landen, konnte die BFU nach Gesprächen mit Angehörigen ausschließen. Im Gegenteil: Der Passagier war es gewohnt, bei schlechtem Wetter zu den nahe gelegenen Flughäfen Luxemburg oder Frankfurt-Hahn auszuweichen. In Luxemburg herrschte zum Unfallzeitpunkt dichter Nebel – in Frankfurt-Hahn dagegen gab es exzellente Sichtflugbedingungen.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 1/2017

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