Unfallakte

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Vom Treibstoffmangel überrascht: Dallach D4/E-S Fascination

Piloten träumen davon, eines Tages mit dem eigenen Flugzeug abzuheben. Man ist einfach flexibler, sogar als Partner in einer Haltergemeinschaft. Ein weiterer Vorteil gegenüber Chartermaschinen: Irgendwann kennt man alle Eigenheiten seines Flugzeugs – auch den Spritverbrauch. Die benötigte Treibstoffmenge nur grob zu schätzen ist trotzdem keine gute Idee

Von Redaktion

Ein schöner warmer Sommerabend im Juli. Auf dem Flugplatz Illertissen, zirka 25 Kilometer südlich von Ulm, macht sich der Besitzer einer Dallach D4/E-S Fascination bereit für einen Rundflug. Das Wetter ist bestens: Bei 23 Grad, einer Sicht von mehr als zehn Kilometern und schwachem Wind steht einem entspannten Kurztrip nichts im Wege. Am Abendhimmel vereinzelte Wolken, Sunset um 19.21 UTC: Damit bleibt noch über eine Stunde, bevor die Dämmerung hereinbricht. Genauso lang wird auch der Treibstoff reichen – mindestens für eine Stunde. Zu diesem Schluss kommt der Pilot, als er sich von der Spritmenge überzeugt, die noch im Rumpftank vor dem Cockpit schwappt. Dazu hat er den Pegelstand in einem unskalierten Schauröhrchen überprüft. Drei bis vier Zentimeter, das sollte doch wohl reichen.

Doch der ruhige Flug währt nur kurz, zirka zwanzig Minuten nach dem Abheben kommt für den Piloten die Ernüchterung: Der Motor stottert, dann fällt er aus. Die Versuche, den Rotax 912S wieder zu starten, bleiben erfolglos. Zwar ist der Flugplatz nicht weit, doch die Höhe reicht nicht mehr aus, um sicher die Graspiste zu erreichen. Der Pilot entscheidet sich für eine Außenlandung auf einem Feldweg zwischen den Ortschaften Ebersbach und Obenhausen. Das Fahrwerk der Fascination lässt er drin, die Landeklappen fährt er voll aus. Die Option, das Rettungssystem auszulösen, wählt er nicht.

Dallach D4/E-S Fascination: Start eine Stunde vor Dämmerung

Aus nordöstlicher Richtung überquert er im Gleitflug eine Straße zwischen beiden Orten. Augenzeugen beobachten den Tiefdecker, wie er mit stehendem Propeller sehr langsam über einem Getreidefeld einschwebt und dann aus geringer Höhe nach rechts abkippt. „Schlagartig, mit der Nase voran und fast senkrecht“, so berichtet ein Zeuge, trifft die Maschine auf den Boden, überschlägt sich und bleibt auf dem Rücken liegen. Der Rumpf wird bis zu den Flügelvorderkanten zerstört. Der vordere Teil des Flugzeugs fängt Feuer, das herbeigeeilte Helfer glücklicherweise mit einem Pkw-Handfeuerlöscher sofort ersticken. Auch die bereits alarmierte Feuerwehr ist rasch vor Ort und befreit den eingeklemmten Piloten aus dem Wrack. Der 44-Jährige ist schwer verletzt, er wird von drei Notärzten versorgt und mit einem Hubschrauber eine Stunde nach dem Unfall in das Ulmer Bundeswehrkrankenhaus gebracht. Er überlebt den Absturz.

Vor kurzem erst hatte der Pilot die Fascination übernommen, fünf Stunden war er bis zum Unfallflug mit seiner Maschine in der Luft. Das Muster allerdings war ihm vertraut, wenn auch in der ultraleichten Variante: Zirka 100 Stunden mit einer UL-Fascination stehen in seinem Flugbuch. Die entsprechende Lizenz als Luftsportgeräteführer besitzt er seit 1998, darüber hinaus einen PPL nach ICAO-Richtlinien, ausgestellt im Jahr 2002. Die Gesamtflugzeit mit Motorflugzeugen beläuft sich zum Unfallzeitpunkt auf rund 85 Stunden; das Tauglichkeitszeugnis der Klasse 2 gemäß JAR-FCL 3 ist gültig. Seine Fascination erwarb der Pilot von einem Amateurbauer, der die DA4 als Bausatz gekauft und 1999 fertiggestellt hatte. Nach der vorläufigen Verkehrszulassung erhielt der Tiefdecker am 5. April 2005 mit der Jahresnachprüfung die Verkehrszulassung für die Echo-Klasse. 20 Stunden war die Maschine seitdem in der Luft, bei einer Gesamtbetriebszeit von 258 Stunden.

Bei der Untersuchung durch die Prüfer der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BfU) zeigen sich an der Fascination keine Auffälligkeiten, was Zündkabel und Magneten betrifft. Der Zündschlüssel steht auf Position „BEIDE“, die elektrische Zusatzbenzinpumpe ist abgeschaltet. Fündig werden die Gutachter dagegen beim Treibstoffsystem. Die Schwimmerkammern der beiden Vergaser sind leer, der Tank enthält ebenfalls keinen Treibstoff mehr. Allerdings war er beim Aufprall gerissen und ausgelaufen: Wie viel Sprit tatsächlich zum Unfallzeitpunkt noch drin war, ist bei der Untersuchung des zerstörten Flugzeugs nicht mehr festzustellen. Der Kraftstoffhahn lässt sich auf vier aufeinanderfolgende Positionen drehen: „Zu“, „Auf“, „Zu“ und „Reserve“; seine Stellung zum Zeitpunkt des Aufschlags ist „Auf“. Der Hahn stammt aus dem Motorradbau und ist auffällig schwer zu bedienen; in der Position „Reserve“ ist er korrodiert.

Für den Einbau in das Flugzeug wurde er modifiziert: Am aufgebohrten Handgriff ist per Schraubverbindung ein Verlängerungsgestänge angebracht, im Bereich der Bohrung ist die Verbindung zwischen Hahn und Gestänge gebrochen. Allerdings brach die selbstgebaute Konstruktion vermutlich durch den Aufprall beim Absturz, denn der Pilot, so die BfU, habe nicht mehr versucht, den Hahn auf Reserve zu schalten, sondern ihn auf Position „Auf“ stehen gelassen. Die BfU-Sachverständigen bemängeln, dass es für das Schauröhrchen im Cockpit keine Skala gibt, anhand derer sich ablesen ließe, wie viel Treibstoff noch vorhanden ist. Auch eine Null- oder Reservemarkierung fehlt. Das in den Innenraum durchgeführte Verlängerungsgestänge für den Benzinhahn hat auf dem Panel ebenfalls keine Markierungen. Piloten, die nicht mit diesem Exemplar der Fascination vertraut sind, können deswegen nicht feststellen, auf welcher Position der Treibstoffhahn momentan steht.

Das Spritmanagement seiner D4 mag für den Halter kein Glücksspiel gewesen sein, denn er wird die Feinheiten im Cockpit ja gekannt haben. Andererseits werden unter Stress und in Ausnahmesituationen wie bei einem Motorausfall auch von erfahrenen Piloten oder gar Profis schon mal Schalter, die vermeintlich narrensicher beschriftet sind, dennoch falsch gedreht oder gekippt. Das ist menschlich.

Doch in diesem Fall scheidet ein solcher Bedienungsfehler offenbar aus: Aus Sicht der BfU wurde der Flug mit zu wenig Sprit angetreten, Grund für den Motorausfall ist Treibstoffmangel. Beim Beurteilen des Pegelstands hatte sich der Pilot mangels Skalierung der Tankanzeige auf seine Erfahrungen mit der UL-Fascination verlassen – und lag damit fatalerweise falsch. Unmittelbare Ursache für den Absturz war die zu geringe Geschwindigkeit beim Notlandeversuch und damit verbunden ein Strömungsabriss.

fliegermagazin 1/2009

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