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Flugplatz Kolobrzeg – EPKG

Auf einem schicken Airport landen, im klimatisierten Büro Kohle abdrücken und mit dem Taxi davonrauschen – das kann jeder. Einen ausgedienten russischen Fighterplatz ohne Funk anfliegen – das ist schon was anderes und macht mehr Spaß. Also auf nach Kolobrzeg-Bagicz an die Ostsee!

Von Redaktion

Meet you at one“, hatte Jack am Handy gesagt. Der Unternehmer heißt eigentlich Jacek; wir kennen ihn von einem früheren Polen-Trip. Jack fliegt normalerweise von einem verlassenen Russenplatz bei Köslin in Pommern. Jetzt sind wir alle in der Luft und werden uns gleich in Kolobrzeg, dem ehemals deutschen Kolberg, wiedersehen. Nach Polen zu fliegen wird bald ganz einfach sein. Flugplan direkt zum Ziel abgeben – fertig! Mit Hilfe des Schengen-Abkommens werden Punkt-zu-Punkt-Trips von einem Land ins andere möglich. Noch gibt es aber nur auf den internationalen Flughäfen Sprit, was uns einen Zwischenstopp in Stettin-Goleniow beschert. Bagicz (früher Bodenhagen) ist der offizielle Name des Kolberger Flugplatzes. Wer ihn finden will, muss nur zur Küste fliegen und richtig abbiegen. Hindernisse? Ein paar Masten; sonst nichts, seit die Sowjets 1992 abgezogen sind.

Wir fliegen von Osten den Strand entlang und sehen schon von weitem die scheinbar endlose Piste; sie liegt wie ein grauer Streifen parallel zum Meer. Was für ein Panorama! Ein paar Surfer und Badegäste, schönstes Sommerwetter, was will man mehr. Schon sind wir im Gegenanflug zur „08“, er dauert bei zweieinhalb Kilometer Bahnlänge ganz schön lange. Im Queranflug halten wir auf ehemalige deutsche Wehrmachtskasernen zu. Rollwege, Hangars, Gebäude – alles liegt im Dornröschenschlaf. Die Gemeinde hat sich den halben Airport unter den Nagel gerissen und für den Flugbetrieb gesperrt. Weiter in den Endanflug, dort zielen wir auf die freigegebenen letzten 1000 Meter der Runway. Die fängt an, wo keine Autos mehr herumstehen und jemand einen Hinweis auf die Bahn gepinselt hat. Landen, ausrollen und rechts raus, dann die Böschung hoch zu den Grasflächen. Dahinter gammeln runde Fighter-Schutzbauten.

Im Queranflug halten wir auf ehemalige deutsche Wehrmachtskasernen zu.

Jack und der Aeroclub-Direktor Krolikowski winken uns ein. „Welcome to Bagicz!“ Minuten später sitzen wir in der ehemals russischen Flugleitung, sie dient heute als Büro des Fliegervereins. Der Kuchen schmeckt lecker, wir überreichen im Gegenzug Wappen und norddeutschen Likör. Aber jetzt schnell zum Strand! Wir wollen den Badeort sehen; das Taxi bringt uns rüber nach Kolberg. In der Sommersaison herrscht hier pralles Leben. Polnische Familien und deutsche Rentner genießen das tolle Wetter und futtern Cafés, Eisläden und Restaurants leer. Wir klettern auf den alten Leuchtturm und laufen am Hafen entlang, vorbei an bunten Koggen-Nachbauten und zurück in die Altstadt, wo noch manches Gründerzeithaus auf seine Renovierung wartet.d dKolberg soll schon im siebten Jahrhundert bestanden haben; urkundlich erwähnt wurde der Ort allerdings erst im Jahre 1000.

Anfang des 14. Jahrhunderts entstand der Dom; von 1361 bis 1610 war Kolberg Hansestadt, bekannt für Salz und Fisch. Die Festung wurde oft und erfolglos belagert, zuletzt 1807 durch Napoleon. Die Nazis drehten darüber noch kurz vor Kriegsende den bis dahin teuersten deutschen Film, das Durchhalte-Drama „Kolberg“. Ab dem 19. Jahrhundert machte sich die Stadt als Bade- und Kurort einen Namen. 1939 hatte sie etwa 37 000 Einwohner, nach Weltkrieg und Vertreibung lebten nur noch rund 2000 Deutsche hier. Polnische Umsiedler bauten das zerstörte Kolberg wieder auf; heute sieht man neben Plattenbauten mehr und mehr hübsch renovierte Villen. Die ersten Kolberger Flieger gehörten zur deutschen Luftwaffe. Wie überall im Dritten Reich wurde um 1936 auch in der Gemeinde Bodenhagen ein Fliegerhorst aus dem Boden gestampft. Dort waren eine Flugzeugführerschule und ein Kampfgeschwader stationiert.

Bädertradition: Bereits seit dem 19. Jahrhundert erholen sich Besucher an diesem Teilstück der Ostsee

Nach dem Zweiten Weltkrieg rückte die sowjetische Luftwaffe an. Jahrelang donnerten MiG 21 und 23 über den Strand, später Mi-24- und Mi-8-Hubschrauber. Im Mai 1992 war Schluss, die Russen zogen ab und hinterließen einen großen, weitgehend intakten Platz. Der Aeroklub Baltycki konnte das Vakuum nur teilweise füllen. Heute fliegen die Privatpiloten auf der Osthälfte der Bahn. Der Rest des Areals dämmert einem Bebauungsplan entgegen. Wer eine Zeitreise zwischen Nazi-Kasernen, Russen-Hangars und Aeroklub machen möchte, ist in Kolberg genau richtig. Noch kommt man ungehindert aufs Gelände; unvorsichtige Spaziergänger sind sogar manchmal auf der Runway, wenn Flugzeuge starten und landen.

Einen Tower gibt’s nicht, man sollte vor dem Starten oder Aufsetzen deshalb immer nochmal einen vorsichtigen Blick über den bröckeligen Beton werfen: Keiner da? Unser Kurztrip geht zu Ende. Irgendwie wollen wir gar nicht weg. Als wir auf der Startbahn 08 die Gase reinschieben, winken Jack, der Klubdirektor und einige Passanten mit Kindern zum Abschied. In einer großen Kurve geht es raus aufs Meer, noch einmal über den Klub und dann ab Richtung Stettin-Goleniow. Das ist ein internationaler Flughafen mit Handling und Komfort – bald sind wir zurück in der schönen, langweiligen Realität.

Kolobrzeg – Tipps und Infos

  • So kommt man hin: Bis zur Umsetzung der Schengen-Regeln empfiehlt sich die (etwas teurere) Einreise über den Verkehrsflughafen Stettin-Goleniow, 46 NM im Südwesten von Kolberg. Von dort ist der Anflug nach Kolobrzeg-Bagicz problemlos. Der Flugplatz ist unkontrolliert, mit Funkkontakt sollte man nicht rechnen. Achtung: Das Gefahrengebiet EPD-56 liegt fünf Nautische Meilen nördlich! Wohngebiete meiden und am besten eine Nordplatzrunde fliegen; Daten dazu sind noch nicht veröffentlicht. Die Bahn (ursprünglich 2400 Meter) ist im Ostteil auf 1080 Meter nutzbar. Der Rest wird teilweise von Autos, Fahrrädern oder Passanten frequentiert. Eine dünne Markierung zeigt den Beginn der Landezone an.
  • Ausflüge: Kolobrzeg (sprich: Kolobscheg) liegt direkt an der Ostsee. Sehenswürdigkeiten sind das Wahrzeichen der Stadt, der Leuchhturm, der auf den Resten eines alten Forts zur Verteidigung des Kolberger Hafens steht. Daneben die 220 Meter lange Kolberger Seebrücke, die zweitlängste Betonseebrücke in Polen. Ein Waffend dsowie das Heimatmuseum mit einer Ausstellung zur Stadtgeschichte lohnen ebenfalls einen Besuch. Sehenswert sind außerdem die historische Altstadt mit Burganlage, ein Schlösschen sowie der 1316 fertiggestellte Dom.
  • Unterkunft: Im Hotel New Skanpol, Ulica Dworcowa 10, 78100 Kolobrzeg, Telefon 00 48/ 943 52 82 11 gibt es preiswerte Zimmer. Weitere Infos bei der Touristinformation, Ulica Dworcowa 1, 78100 Kolobrzeg, Telefon 00 48/ 9 43 52 79 39 oder E-Mail turystyka@home.pl

Text: Rolf Stünkel, fliegermagazin 7/2008