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Motorenvergleich: Rotax 912 S und 912 iS

Seit Kurzem fliegt der neue Einspritzmotor von Rotax in den ersten Maschinen: Wie hoch ist der Spritverbrauch tatsächlich im Vergleich zum Vergasermotor? Und wie groß sind die Unterschiede bei Gewicht und Preis? Wir haben zwei […]

Von Peter Wolter
Motorenvergleich: Rotax 912 S und 912 iS
Flügel an Flügel: Um vergleichbare Messergebnisse zu erhalten, fliegen die beiden Rotax-motorisierten ULs parallel

Seit Kurzem fliegt der neue Einspritzmotor von Rotax in den ersten Maschinen: Wie hoch ist der Spritverbrauch tatsächlich im Vergleich zum Vergasermotor? Und wie groß sind die Unterschiede bei Gewicht und Preis? Wir haben zwei FK 14B Le Mans mit den beiden Triebwerken gegeneinander antreten lassen

iS’ JA IRRE!

Schnell nähern sich die beiden ULs auf der Piste 16 in Speyer: vorn die gelbe Le Mans mit Einspritzmotor und Bernhard Altekemper am Steuer, dahinter die grüne von Thomas Kreimeier mit Vergasermotor. Die Piloten haben ihre Triebwerke gleichzeitig angelassen, an der Startposition gleichzei-tig Gas gegeben, und jetzt heben sie fast gleichzeitig ab, um die Frage zu klären, die sich Viele stellen, nicht nur in der UL-Szene: Wie gut ist der neue 100-PS-Rotax tatsächlich im Vergleich zum herkömmlichen 912 S?

Le-Mans-Start: Während des Vergleichsflugs in Speyer ist es sehr heiß, 31 Grad Celsius in 312 Fuß sind eher atypisch für Flugbedingungen in Mitteleuropa

Rotax behauptet: Der Vergasermotor schluckt 21 Prozent mehr Benzin. Ich bin skeptisch – vielleicht wenn man ständig sehr hoch fliegt; im Normalbetrieb werden’s wohl kaum mehr als zehn Prozent sein …
Es ist extrem heiß an diesem Augusttag in Speyer: 31 Grad Celsius auf Platzhöhe (312 Fuß). Schon wegen dieser Temperatur sind die offenen FK-Tiefdecker die richtigen Flugzeuge für unser Vorhaben. Es hätten aber auch keine anderen identischen Muster zur Verfügung gestanden, die sich nur durch den Motor unterscheiden.

Die Bedingungen für das Duell der Rotax-Motoren werden festgelegt

Für den Vergleichsflug haben wir vereinbart, dass die beiden ULs parallel fliegen, Thomas per Funk die Kommandos für bestimmte Flugzustände gibt und alle Daten aufzeichnet: Höhen, Drehzahlen, Geschwindigkeiten, Steigzeiten, Außentemperaturen und so weiter. Der 48-Jährige ist Lufthansa-Kapitän, weder mit Rotax verbandelt noch an einem bestimmten Ausgang des Vergleichs interessiert. Bernhard, 45, in der Einspritzer-Maschine betreibt das FK Service Center in Senden bei Münster. Als freier Mitarbeiter flog er für Rotax die Erprobung des 912 iS mit der FK 14B Le Mans.

Die wollen’s wissen: In der Mitte FK-Chef Peter Funk, links Thomas Kreimeier, rechts Bernhard Altekemper. Die grüne Maschine ist mit Vergasermotor ausgerüstet, die gelbe mit Einspritzer

Der Motorenhersteller selbst setzte dafür in Österreich eine Tecnam P 92 ein – so ließen sich Erkenntisse über Unterschiede beim Betrieb in Tief- und Hochdecker gewinnen, speziell was die Spritversorgung betrifft.

Nach langer Zeit bringt Rotax den Einspritzmotor 912 iS auf den Markt

Mit der Einführung des Einspritzmotors hat sich der kanadisch-österreichische Hersteller BRP-Rotax viel Zeit gelassen. Schon seit Langem wünschte sich die Leichtflugzeug-Szene den bewährten 912 mit Einspritzung. Warum eigentlich? Vergaservereisung war sicher kein Hauptargument gegen den S, schließlich wird er auch mit „Carb Heat“angeboten.

Traditionelle Mechanik: Zwei Unterdruckvergaser versorgen den Rotax 912 S – ohne Airbox

Eher schon hörte man Kritik an der regelmäßig nach 200 Stunden fälligen Synchronisierung der Vergaser und ihrer nach 600 Stunden notwendigen Überholung sowie an reduzierter Leistung in großer Höhe. Die beiden Bing-Gleichdruckvergaser magern das Gemisch in dünnerer Luft zwar automatisch etwas ab, aber nicht so gut, wie sich das mit der manuellen Gemischregulierung eines Flugmotors machen lässt und schon gar nicht so perfekt, wie es eine elektronische Einspritzung kann. Nicht nur mehr Leistung und weniger Kraftstoffverbrauch erwartete man von der Einspritzung – eine Rolle spielte wohl auch der diffuse Wunsch nach zeitgemäßer Technik, und da passen Vergaser einfach nicht mehr.

Die Unterschiede des iS zum 912 S

Über 40 000 Exemplare des Vergaser-912 hat Rotax bis Ende 2011 produziert. Der iS wird seit März 2012 in Serie gebaut. Die wichtigsten Unterschiede zum 912 S sind:

  • elektronische Saugrohr-Einspritzung; zwei redundante Einspritzdüsen pro Zylinder
  • serienmäßig eine zweite elektrische Benzinpumpe (keine mechanische mehr)
  • Airbox mit Drosselklappe und Luftfilter
  • modifizierte Kühlung der flüssigkeitsgekühlten Zylinderköpfe
  • zwei unabhängige Engine Control Units (ECUs) zur Regelung des Benzin/Luft-Gemischs. Berücksichtigt werden unter anderem Drosselklappenstellung, Drehzahl, Luftdichte, Manifold Pressure (Unterdruck im Ansaugtrakt), Außenluft-, Abgas-, Kraftstoff- und Öltemperatur.
  • zwei Generatoren: Alternator A mit 20 Ampere für die Benzinpumpen und die ECUs; Alternator B mit 30 Ampere für das Bordnetz des Flugzeugs

Dass Rotax beim iS auf hohe Redundanz Wert legt, ist sicher auch mit der angestrebten Luftfahrtzulassung zu erklären. So darf auch in ULs, LSA und Experimentals ein Generator oder eine ECU ausfallen, ohne dass der Motor stehenbleibt. In diesem Fall übernimmt automatisch die zweite Einheit die Funktion der ersten. Wie der S hat auch der iS eine elektronische Doppelzündung; die Batterie wird nur zum Anlassen benötigt, das Triebwerk braucht also im Flug keine Batterie.

Der 912 S lässt sich nicht einfach durch den iS ersetzen

Ernüchternd ist der Gewichtszuwachs angesichts all der modernen Technik: Rund zehn Kilogramm, sagt FK-Chef Peter Funk, wenn man das Kraftstoffsystem hinzunehme. Der Rotax 912 S lässt sich nämlich nicht einfach durch einen iS ersetzen: In der FK 14B mussten die Flächentanks geändert werden; nun hat jeder Tank zusätzlich einen kleinen Headertank.

Mehr Elektronik: Am iS fällt vor allem die neue Airbox über dem Motor auf sowie die Installation der ECUs in einem Kasten am Brandspant

Zusätzlich musste der Durchmesser der Benzinleitungen vergrößert werden, was schwerere Leitungen zur Folge hatte. Die modifizierte Kraftstoffversorgung mit zwei elektrischen Pumpen war unumgänglich, damit die Einspritzanlage kontinuierlich mit 2,9 bar Druck versorgt wird. Vergaser mit Schwimmerkammern sind in dieser Hinsicht anspruchsloser. Möglicherweise fällt das Mehrgewicht bei anderen Tiefdeckern oder bei Hochdeckern kleiner aus, weil bei ihnen die Kraftstoffversorgung von vornherein (zufällig) den Erfordernissen des iS entspricht oder leichter an diese angepasst werden kann. Die gelbe Le Mans jedenfalls wiegt zehn Kilo mehr als die grüne. Zehn Kilo! Bei einem UL kann daran die Musterzulassung scheitern. Schon mit dem 100-PS-Vergasermotor schaffen viele Muster die 297,5-Kilo-Leergewichshürde nur, wenn der Musterbetreuer alles entfernt, was laut Bauvorschrift nicht ausdrücklich gefordert wird. Mit angemessener Ausstattung sind es dann deutlich über 300 Kilo – mit Rotax 912 iS erst recht.

Bei unserem Vergleichsflug haben wir die Gewichtsdifferenz durch unterschiedliche Beladung aufgehoben.
Was wird die Uhr am Tankwagen anzeigen, wenn wir die Tanks der beiden Le Mans wieder bis zum ursprünglichen Pegelstand befüllt haben?
Als die Maschinen nach einer Flugzeit von 63 Minuten landen, ist die Spannung groß, aber auch die Skepsis, ob überhaupt ein Unterschied feststellbar sein wird. Das Ergebnis verblüfft uns alle: 14,50 Liter fließen in die Grüne mit dem Vergasermotor, nur 10,95 in die Gelbe mit dem Einspritzer! 32 Prozent Unterschied – wie muss man dieses Ergebnis interpretieren?

Kleine Verzerrungen beeinträchtigen das Experiment

Zunächst mal: Was wir durchgeführt haben, ist keine Messung im wissenschaftlichen Sinn. So flog die Vergaser-FK 14B während der 20-minütigen Fotosession, die Teil des Vergleichsflugs war, beim Kreisen außen und damit einen etwas weiteren Weg, wodurch sie geringfügig mehr Motorleistung brauchte. Zudem nahm der Pilot häufiger Lastwechsel vor, weil er sich der Formation aus Fotomaschine und D-MNTK anpassen musste.

So macht Cruisen Spaß: Auch wenn der neue Rotax den herkömmlichen 912 S beim Verbrauch hinter sich lässt – sparsam sind sie beide

Hinzu kam, dass beide Motoren bei Vollgas nicht exakt die gleiche Drehzahl erreichten, also auch nicht ganz die gleiche Leistung, was durch minimale Unterschiede der (am Boden einstellbaren) Propeller erklärbar ist. Im Standgas schließlich drehte der iS während der Wartezeit vor dem Start etwas niedriger als der S. Alle vier Unterschiede, wenngleich minimal, erhöhten den Benzinverbrach des Vergasermotors. Doch wenn wir keinerlei Verzerrungen akzeptiert hätten, wäre dieser Vergleich nie zustande gekommen – es war ohnehin schwierig, zwei identische Flugzeuge mit den beiden gewünschten Motoren plus Fotomaschine und fünf gut beschäftigte Personen an einem fliegbaren Tag am gleichen Ort zu versammeln.

Sind 21 Prozent Mehrverbrauch realistisch?

Worum es ging, war die Frage: Sind, wie Rotax behauptet, „21 Prozent Mehrverbrauch“ des Vergaser- gegenüber dem Einspritzmotor realistisch?
Nach unserem Vergleichsflug muss man sagen: ja. Vielleicht ist die Differenz bei manchen Bedingungen nicht so groß, etwa in geringer Höhe und bei Kälte, aber es gibt zweifellos Bedingungen, bei denen sie noch größer sein kann. Dass bei unserem Vergleich sogar mehr als 21 Prozent rauskamen, liegt ungeachtet der genannten Nachteile für die D-MNTK an der extremen Temperatur, also Dichtehöhe: 16 Grad beziehungseise 1920 Fuß über Standard-Bedingungen in 6000 Fuß – das ist gewaltig und entspricht nicht den durchschnittlichen Wetterbedingungen, bei denen in Mitteleuropa geflogen wird. Gleichzeitig zeigt das Messergebnis: Je höher man fliegt und je wärmer es ist, desto mehr spielt der Einspritzmotor seine Stärken aus. Dabei macht das geflogene UL-Muster natürlich in der heißen Luft keine gute Figur bei der Performance. Deshalb nennen wir in der Tabelle auch die True Air Speed, und die kann sich für einen offenen Side-by-side-Zweisitzer mit 100 PS sehen lassen – die geschlossene FK 14B wäre geschätzt noch mindestens 20 km/h schneller. 

Welcher ist der richtige Motor für mich?

Lohnt sich nun der Einbau des Einspritzmotors? Der 912 iS kostet 3500 Euro mehr als der S, aber ULs, in denen der iS verbaut ist, sind zirka 8000 (FK 14B) bis 10 000 (CTLS) Euro teurer als mit S, weil die aufwändige Motorintegration hinzukommt. So muss eventuell nicht nur das Kraftstoffsystem geändert werden, sondern – wie bei der FK 14B – auch die Cowling.

Coole Kiste: Bei der Erprobung des Rotax 912 iS spielte die FK 14B eine wichtige Rolle. Selbst in einer Höhe von 20 000 Fuß (mit geschlossener Haube) stieg sie noch

Ein Rechenbeispiel: Der Preisunterschied beim Flugzeug betrage 9000 Euro (Mittelwert aus FK 14B und CTLS), der Verbrauchsunterschied 21 Prozent (Rotax-Wert), der iS werde – sehr wirtschaftlich! – mit 11 Liter pro Stunde betrieben, der S entsprechend mit 13,3 Liter, und ein Liter Super Plus koste 1,80 Euro; dann würde sich, wenn keine Reparaturen anfallen, die Mehrinvestition für den iS erst nach 1732 Stunden lohnen – immerhin vor Ablauf der TBO von 2000 Stunden. Dabei sind drei Vergaser-überholungen nach jeweils 600 Stunden zu Lasten des S berücksichtigt. Wer 50 Stunden pro Jahr fliegt, muss sich folglich erst nach 34 Jahren darüber ärgern, dass er keinen iS gekauft hat. Für alte Piloten kommt dieser Motor kaum in Frage.

Mobile Zapfsäule: Nach der Landung wird bis zur Marke vor dem Start aufgefüllt. Der Unterschied zwischen den beiden Flugzeugen ist größer als erwartet

Wohl aber für alle, die mehr Leistung in großer Dichtehöhe wünschen. Die Umwelt mit weniger CO2 zu belasten ist angesichts der Größenordnung, um die es hier geht, vor allem ein PR-Argument des Motorenherstellers. Eine andere Verbesserung ist da schon eher wahrnehmbar: Im direkten Vergleich fühlt sich der Motorlauf des iS etwas vibrationsärmerer an als der des S.

Text: Peter Wolter, Fotos: Andreas Haller fliegermagazin 10/2012

Technische Daten
Über den Autor
Peter Wolter

Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.

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