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Oldtimer-Reportage: KZ IV von Kramme & Zeuthen

Eine Zweimot aus Dänemark? Überhaupt: ein dänisches Flugzeug? Tatsächlich entwarfen die dänischen Ingenieure Viggo Kramme und Karl Gustav Zeuthen insgesamt elf Typen. Der absolute Exot ist die KZ IV. Von ihr wurden nur zwei Exemplare gebaut, und nur noch eines fliegt: die OY-DIZ

Von Redaktion

Dänemark ist nicht unbedingt für seine Flugzeugindustrie bekannt. Eigentlich überhaupt nicht. Mit dem Königreich bringt man eher kilometerlange Sandstrände, Hot-Dogs und vielleicht noch „Röde Gröde med Flöde“ in Verbindung – rote Grütze mit Sahne. Doch da tut man den Dänen unrecht. Bereits im September 1906 macht Hans Christian Ellehammer auf der Insel Lindholm seinen ersten motorisierten Flug. Nicht weit, nicht hoch, aber immerhin. Ellehammer war noch ein experimentierfreudiger Bastler, aber bereits 1937 entwickelt sich aus einem Konstruktionsbüro die Skandinavisk Aero Industri (SAI), der erste kommerzielle Flugzeughersteller des Landes. Bereits zwei Jahre zuvor hat der Ingenieur Viggo Kramme eine Werkstatt in Kopenhagen-Kastrup eröffnet und im Auftrag der Kopenhagener Zeitung mit dem Bau einer Pou-du-Ciel begonnen.

Da schneit der frischgebackene Absolvent der Technischen Hochschule Karl Gustav Zeuthen ins Kontor und fragt süffisant: „Wieso bauen Sie nicht ein richtiges Flugzeug?“ Krammes scharfe Antwort: „Warum konstruieren Sie nicht ein richtiges Flugzeug?“ Zeuthen fackelt nicht lange, hilft zunächst beim Bau von Krammes KZ I, einem kleinen Einsitzer, und setzt sich dann ans Zeichenbrett. Nun wird Gunnar Larsen, Vorsitzender der dänischen Luftverkehrsgesellschaft und Direktor des Ingenieurkonzerns F. L. Smidth & Co, auf die jungen Flugzeugbauer aufmerksam. Mit seiner finanzieller Unterstützung gründet man die S.A.I. Kramme fungiert als Betriebsleiter, Zeuthen ist Chefkonstrukteur. Man baut den Zweisitzer KZ II, geht in Serie, und bald reicht in Kopenhagen der Platz nicht mehr. 1939 zieht die Fabrik nach Aalborg in ein Gebäude des Smidth Konzerns. Später, als auch hier die Hallen zu eng werden, siedelt man erneut nach Kopenhagen um.

Die Zweimot ist komplett in Holzbauweise gefertigt

Elf KZ-Modelle und insgesamt 178 Maschinen werden im Laufe der Jahre produziert. 50 davon fliegen noch heute. Im April 1940 wird Dänemark von den Deutschen besetzt, und die sind der Meinung, Flugzeuge bauten sie selbst genug, aber es fehle an so kriegswichtigem Gerät wie Elektroautos und Filmprojektoren. Kramme und Zeuthen müssen sich zwar fügen, doch sie denken auch an die Nachkriegszeit und entwerfen unter anderem das zweimotorige Sanitätsflugzeug KZ IV für die dänische Rettungs-Flugwacht „Zonen“. Eine elegante Holzkonstruktion mit verkleidetem Hauptfahrwerk und Spornrad, dessen Zulassung die Deutschen als Ambulanzvariante nur widerwillig genehmigten. Lediglich zwei Exemplare werden gebaut. Die OY-DIZ, die bereits am 4. Mai 1944 abhebt, und die OY-DZU, die 1949 das erste Mal fliegt. Eine zweiköpfige Crew, zwei Tragbahren und zwei Begleiter sollen Platz finden.

Die ursprünglich installierten Gipsy Major I-Vierzylinder-Reihenmotoren mit 130 PS werden später durch Gipsy Major X mit 145 PS ersetzt. Das bringt neben mehr Speed auch deutlich bessere Startleistungen auf kurzen Plätzen oder von unbefestigten Pisten. Beide Flugzeuge existieren noch heute. Die OY-DIZ dient bis 1967 bei Zonen und ist danach bei der Landvermessungs-Firma Kort für Luftbildaufnahmen im Einsatz. Am 26. Mai 1979 wird sie nach einem Triebwerksausfall bei der anschließenden Notlandung stark beschädigt. Kort schenkt den Flieger der Dansk Veteran-flysamling (DV) in Stauning, und dort rottet er zunächst mal bis 1989 vor sich hin. Mehr als 825 000 Dänische Kronen, umgerechnet 110 500 Euro, und unzählige Arbeitsstunden sind notwendig, um den Bruch liebevoll zu reparieren. Zurückversetzt in den Ursprungszustand als Ambulanz-Flugzeug von 1944, ist die KZ IV das Flaggschiff des Museums und gleichzeitig das einzige noch flugfähige Exemplar.

Ihr Zwilling ist im Static Display des Verkehrsmuseums in Billund gelandet. Der OY-DIZ sieht man ihre Bauweise nicht an: Eine märchenhaft glatte Oberfläche und engste Spaltmasse lassen eher an GFK denken, und in ihrer schlichten weißen Lackierung wirkt sie ungeheuer elegant und weich in den Linien. „Graf Bernadotte“ steht auf dem Rumpf der OY-DIZ – in Erinnerung an jenen Tag des Jahres 1945, an dem der schwedische Graf mit dieser Maschine von Kopenhagen nach Deutschland fliegt, um mit Himmler über die Freilassung dänischer und norwegischer Häftlinge aus den Konzentrationslagern zu verhandeln. „Steig ein und sieh sie dir an“, sagt Jürgen Skov Nielsen. Skov ist einer von zwei Piloten, die die KZ IV fliegen dürfen, ferner Kapitän bei der SAS und so ganz nebenbei auch Besitzer eines selbstgebauten Excel-Helikopters, mit dem er zwischen Wohnung und Airport herumdüst, einfach weil es Spaß macht und schneller geht als mit dem Auto.

Wir sitzen im geräumigen und großzügig verglasten Cockpit der KZ IV. Viel zu erklären gibt es da nicht. Ein schlichtes Panel links vor dem Piloten im Standard der vierziger Jahre. Wendezeiger, Künstlicher Horizont, ein einfacher Kurskreisel, Fahrt- und Höhenmesser. Dazu ein minimaler Satz Triebwerküberwachungsinstrumente ganz unten links. Das ist alles. Sehr dominant hingegen zwei fette rote Gebilde, die an Wasserhähne erinnern: die Feuerlöschanlage für die Triebwerke, mittig über dem Panel. Das zentrale Steuerhorn zwischen den Sitzen ist in beide Richtungen schwenkbar, obwohl die KZ IV nur mit einem Piloten und einem Funker besetzt wurde. In der Kabine sind drei dunkelgrüne Ledersitze fest verschraubt, die Sanitätseinrichtung ist längst demontiert. Und wie fliegt sich der Vogel? „Probier’s aus“, grinst Skov. Nicht wirklich habe ich geglaubt, dass die freundlichen Dänen ihre einzige noch einsatzfähige KZ IV rausrücken werden.

Die einzige flugfähige KZ IV gehört heute der Dansk Veteranflysamling im dänischen Stauning

Aber sie freuen sich dass sich das fliegermagazin für das Flaggschiff ihrer Sammlung interessiert, und weil am nächsten Tag sowieso Flugtag in Stauning ist, verabreden wir uns zu einem Rundflug. Leider bläst aber ausgerechnet dann ein so flottes Lüftchen quer zur Bahn, dass nicht daran zu denken ist, die gesamte KZ-Staffel wie geplant im Flug vorzuführen. Das wurmt nicht nur mich, sondern auch die Piloten. Wohl zehnmal bin ich zwischen Wetterwarte und Halle hin- und hergewieselt, bis ich plötzlich vor offenen Toren stehe. Die Jungs holen die Flieger raus, also hab ich eine Chance! Aber wie wollen die das machen: Der Wind steht nach wie vor cross? Listig erklärt mir Skov, man habe da hinter der Halle noch eine kleine Grasbahn in der passenden Richtung und wolle bis zum Abend auf einen anderen Flugplatz ausweichen. Später dann, wenn der Wind nachgelassen hat, soll die Flugvorführung stattfinden.

Wie soll ich meine Fotos beim Start machen und gleichzeitig im Cockpit sitzen. Hier erscheint Magnus Petersen auf der Bildfläche und bietet mir an, mich mit dem Auto zum Ausweichplatz zu fahren. Magnus, im Mai gerade 80 geworden, weiß wie kaum jemand sonst über die Flugzeuge der Herren Kramme und Zeuthen Bescheid. Eine fürstliche Möglichkeit ihn auszufragen also. Als wir ankommen, stehen acht KZ auf der schlichten Wiese. Von der I bis zur VIII. Einsitzer, Doppelsitzer, Trainer und mitten drin, wie ein weißer Schwan, die KZ IV. Im Cockpit wartet Karsten Knudsen auf mich, der zweite Glückliche, der dieses schöne Flugzeug fliegen darf. Anschnallen, Türen zu und anlassen. Ich hab’s kaum mitgekriegt, so schnell ging das. Wir rollen zur Piste, Karsten bremst kurz ab und schiebt die Hebel nach vorn. Selten habe ich zwei Motoren so sonor und tief brummen gehört.

Die Vierzylinders Gipsy Major X erzeugen in dem Holzrumpf den Sound einer piano gestrichenen Bassgeige und scheinen irgendwie weit weg zu sein. Bei knapp 40 Knoten sind wir frei vom Boden – in einer weiten flachen Kurve steigen wir in Richtung Rinköbingfjord, an dessen Ostufer der Flugplatz Stauning liegt. In 900 Fuß und mit 92 Knoten am Stau gondeln wir über die abwechslungsreiche dänische Landschaft. Der Wind hat nachgelassen, und der Himmel ist leicht bedeckt. Die Abendsonne zaubert ein wunderbares Licht auf die Felder, und es ist Karsten anzusehen, wie auch er den Flug und die Stimmung genießt. Weit im Westen am Horizont schwebt der Fjord wie ein Silberteller im Raum. Ich sollte mich auf meinen Auftrag besinnen, doch was kann ich hier nur notieren?

Vielleicht, dass die KZ IV überaus stabil in der Luft liegt, dass die sanften Kurven und Steigraten fast nicht wahrgenommen werden, dass das Flugzeug eine unendliche Ruhe ausstrahlt oder dass man eine Zweimot auch herrlich stressfrei fliegen kann? Apropos fliegen, genau das habe ich nun schlicht vergessen, denn zunächst hatte ich vor, ein bisschen selbst zu knüppeln. Es ist aber eigentlich unerheblich, denn alles, was ich über die KZ IV wissen will, hat sie mir ganz heimlich schon vermittelt. In einem solchen Flugzeug ist man zuallererst Genießer, und erst danach Pilot. Nach 20 Minuten Träumerei liegt der Platz genau vor uns; mit zehn Grad Klappen und 48 Knoten sinken wir soft zum Aufsetzpunkt. Irgendwie war da auch vom Abfangen nichts zu spüren. Wie eine Feder werden wir an den Boden gehaucht. Alle Achtung, du schöne Dänin! So alt, so jung und so einzigartig!

Text: Rainer Herzberg; Fotos: Rainer Herzberg/Claudia Stock; fliegermagazin 3/2006

Technische Daten
KZ IV von Kramme & Zeuthen
  • 16m
  • 30 qm
  • 9,8 m
  • 2,65 m
  • 1378 kg
  • 2090 kg
  • Gipsy Major X, je 145 PS
Schlagwörter
  • oldtimer
  • Skandinavien
  • Dänemark
  • Historisch
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