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Restaurierungsprojekt Command-Aire 5C3

Viele Flugzeuge der zwanziger Jahre wurden nur in kleinen Stückzahlen gebaut – zu wenig, als dass es heute noch Überlebende gibt. Einige Raritäten schafften es aber auf wundersame Weise in unsere Zeit. Die Command-Aire von Robert Lock gehört dazu

Von Redaktion
Restaurierungsprojekt Command-Aire 5C3

Einen Oldtimer wieder aufzubauen ist schon eine Aufgabe für Könner, und man weiß vorher nie genau, worauf man sich einlässt. Sich jedoch an die Restaurierung eines Flugzeugs zu wagen, von dem man nicht einmal genau weiß, wie es aussah, ist wohl die größte Herausforderung.

Die Geschichte von Robert (Bob) Lock setzt aber noch eins drauf. Denn als der Amerikaner 1965 die Gelegenheit hatte, die Überreste dreier Maschinen zu kaufen, konnte er nicht mal sicher sein, dass die Einzelteile irgendwann ein ganzes Flugzeug ergeben würden. „Ich musste immerhin nichts dafür zahlen, weil mir der Vorbesitzer einen Gefallen schuldete“, erzählt Bob.

Drei anderen Oldies hatte er zu jener Zeit bereits wieder in die Luft verholfen, und ohnehin war der damals 26-Jährige in Sachen Flugzeug-Schrauberei kein Neuling: Seine Laufbahn startete er als Hilfsmechaniker bei einem Flugzeug-Händler, später arbeitete er im Sprühflieger-Unternehmen seines Onkels an Boeing Stearman, wartete Motoren und flickte Tragflächen.

Wie wird aus einem Haufen Schrott ein Flugzeug?

Doch das, was Bob nun auf dem Anhänger in sein Fliegerdorf bei Polk City, Florida, zog, konnte man noch nicht mal ein Wrack nennen. Die Flugzeug-Teile waren ein Haufen Schrott, jede Menge Metallrohre und Eisenbeschläge in Kisten und Körben. Der Name dieser Altmetall-Sammlung: Command-Aire 5C3.

Command … was? Niemand konnte sich darunter irgendetwas vorstellen. Auch Bob nicht: 2Damals hatte ich keine Ahnung, was der Schrott eigentlich irgendwann mal war. Wirklich, null. Ich wusste nicht einmal, wie der Flieger aussieht, geschweige denn, wie er fliegen würde.“ Einzig das Baujahr war bekannt: 1929.

Zunächst blieb die Teilesammlung unberührt. „Mir fehlte das Geld für die Restaurierung“, erinnert sich Robert. „Unser zweites Kind war unterwegs, und ich musste schließlich die Familie ernähren.“ Erst 1978, dreizehn Jahre später, fand Bob Lock Zeit und Geld, um das Projekt Command-Aire endlich anzugehen. Schnell wurde dem Unerschrockenen klar: Das wird weniger eine Restaurierung, sondern eher eine Rekonstruktion. Denn er hatte keinerlei technische Daten, Pläne oder Zeichnungen, nicht einmal ein Foto. Deshalb schaltete Bob eine Anzeige in einem Oldtimer-Magazin, auf der Suche nach irgendjemandem, der etwas über den seltenen Vogel wissen könnte.

Restaurierung des Oldtimers ohne technische Pläne

Er bekam nur eine einzige Antwort. Der Brief war nicht einmal an ihn selbst gerichtet. Bob konnte kaum glauben, was er darin las. Es war die Kopie eines Schreibens des früheren Präsidenten der Command-Aire Incorporated, Arkansas, adressiert an jenen Mann, der die 5C3 vor über 50 Jahren entwickelt hatte: „Vielleicht kannst Du Mister Lock mit ein paar Informationen weiterhelfen …“ war darin zu lesen.

Der Konstrukteur lebte also noch: Albert Vollmecke, von 1929 bis zum Konkurs des Unternehmens im Jahr 1931 Chefingenieur bei Command-Aire. Bob schrieb ihm umgehend, worauf der inzwischen 71-Jährige prompt antwortete, hocherfreut, dass fünf Jahrzehnte nach dem Erstflug der 5C3 ein überlebendes Exemplar aufgetaucht war. „Das war wirklich der Traum eines jeden Restaurators, der da für mich in Erfüllung ging“, sagt Bob. „Das verlieh dem Projekt plötzlich große Bedeutung.“

Die Command-Aire wurde von einem Deutschen konstruiert

Albert Vollmecke – das klingt nach deutschen Vorfahren. Tatsächlich war Vollmecke Deutscher. Anfang der zwanziger Jahre arbeitete er bei den Ernst Heinkel Flugzeugwerken in Warnemünde, ehe er für das mecklenburgische Unternehmen 1926 in die USA ging, mit dem Auftrag, nach Partnern für Lizenzbauten zu suchen. Fasziniert von der umtriebigen amerikanischen Zivilluftfahrt, entschied er sich zu bleiben und heuerte 1927 bei der Arkansas Aircraft Company an, die sich später in Command-Aire Incorporated umbenannte. Da die Amerikaner seinen Namen – ursprünglich Voelmecke – ständig falsch aussprachen, passte der Flugzeug-Ingenieur die Schreibweise schließlich dem Gebrauch in seiner neuen Heimat an.

Der Deutsche übernahm bei Arkansas Aircraft ein viel versprechendes Projekt, das allerdings etwas schwachbrüstig war: die 3C3, ein dreisitziger Doppeldecker, entworfen von einem jungen Absolventen des Massachusetts Institute of Technology. Der Doppeldecker flog zwar stabil, hatte jedoch aufgrund des dicken Tragflächenprofils mit erheblichem Widerstand zu kämpfen und war – mit einem 90 PS starken Curtiss OX-5 V-8 ausgerüstet – ziemlich langsam unterwegs. Gute Langsamflug-Eigenschaften hatte er trotzdem nicht.

Wingwalking beim Testflug

Vollmecke verpasste der 3C3 neben diversen anderen Modifikationen Flügel mit dünnerem Profil und durchgehende Lachmann-Querruder an der unteren Fläche. Bei der Konstruktion der 3C3 verzichtete man auf doppelte Querruder und verringerte auf diese Weise den Widerstand, da die Verbindungsstangen zwischen oberen und unteren Rudern sowie die Spalte an der oberen Fläche entfielen. Feinarbeiten an der Zelle machten die Maschine außerdem schneller, verringerten die Stallspeed und sorgten für Stabilität. Diese war durch die Modifikationen so grandios, dass der Werkspilot während eines Testflugs aus dem Cockpit krabbelte und sich auf den Rumpf setzte – eine Aktion, über die Zeitungen und Rundfunk damals landesweit berichteten.

Es folgten Versionen mit unterschiedlichen Triebwerken, darunter ein Siebenzylinder-Sternmotor von Warner mit 110 PS sowie ein deutscher Siemens-Halske britischer Produktion mit 113 PS. Ein tschechischer Walter-Neunzylinder wurde in eine modifizierten Zelle eingebaut, bei der man den vorderen Passagiersitz herausnehmen und einen Sprühtank einsetzen konnte. Diese Version – 4C3 – war das erste Flugzeug, das sich von einer Passagiermaschine in ein Sprühflugzeug umwandeln ließ, ohne die Tragflächen abzubauen. Und die erste Maschine, die als Sprühflugzeug zertifiziert wurde.

Die 5C3 auf einer Werbepostkarte aus den dreißiger Jahren

Nur ein einziges Exemplar davon wurde je gebaut, sozusagen als Proof-of-Concept, doch aus dem entstand die 5C3, über deren C-Version Robert Lock rund 40 Jahre später stolpern sollte. Vom „Topmodell“ der Command-Aire Incorporated gab es insgesamt vier Varianten: 5C3, angetrieben von einem Curtiss Challenger mit 180 PS, 5C3-A mit Hispano-Suiza (150 PS), 5C3-B mit Axelson (150 PS) und schließlich die 5C3-C mit einem 180 PS starken Wright J-6-5. Dieser Neunzylinder hatte jedoch einige Macken und fiel häufig aus.

Bob Lock entschied sich daher von Anfang an für ein anderes Triebwerk: einen Wright R-760. „Ich habe so viel Zeit meines Lebens damit zugebracht, dieses Flugzeug zu restaurieren, da will ich auch einen zuverlässigen Motor haben.“

Die Wahl fällt auf einen Curtiss Wright R-760 Motor

Eine Entscheidung, die ihm viereinhalb Jahre Papierkrieg mit der FAA einbrachte, ehe die endlich ihren Segen gab. So verlangte die oberste US-Luftfahrtbehörde etwa, dass die Motoraufhängung einer Belastung von 7,44 g standhalten muss. Gemessen am Gesamtaufwand war das jedoch ein vergleichsweise kleines Problem. Nicht nur, dass die meisten Teile in schlechtem Zustand waren. Als weitaus schlimmer erwies sich der Mangel an Bauplänen, Zeichnungen und Daten.

Konstrukteur Vollmecke half bei den Rekonstruktionsarbeiten durch sein Wissen und mit den wenigen Unterlagen, die er nach dem Konkurs von Command-Aire hatte retten können. „Albert war wirklich ein brillianter Kopf“, schwärmt Bob noch heute. Ein reger Briefwechsel zwischen den beiden zeugt von den ungeheuren Schwierigkeiten, mit denen Bob zu kämpfen hatte.

Rudimente eines Flugzeugs: Command-Aire-Rohbau im Juli 1982 mit ihrem Besitzer

Der Mangel an Plänen und Zeichnungen zwang Bob zu unkonventionellen Methoden. Um beispielsweise die richtige Größe der Cockpit-Einstiege zu ermitteln, maß er am Stahlrohrrahmen den Abstand zwischen der geplanten Position des Brandschotts und dem Punkt, an dem das hintere Rumpfsegment angesetzt werden sollte. Dann zeichnete er diese Strecke auf Butterbrotpapier, klebte sie an die Wand und vergrößerte mit einem Overhead-Projektor das aus einem Werbeprospekt kopierte Foto einer Command-Aire so lange, bis die betreffenden Punkte übereinstimmten. „Das war überhaupt die größte Herausforderung bei der ganzen Sache: ein Flugzeug zu restaurieren, ohne einen einzigen Plan von ihm zu haben. Du baust es zusammen und hoffst einfach, dass kein Teil fehlt.“

Stinson und Stearman liefern fehlende Teile für die Command-Aire

Vieles musste Bob neu bauen. Beispielsweise die Tragflächen und das Hauptfahrwerk. Letzteres verschlang 120 Arbeitsstunden. „Immerhin fand ich heraus, dass die Fahrwerksbeine einer Stinson L-5 die gleiche Größe hatten und Standard-Achsen einer Stearman passten“, erzählt Bob. Das Ensemble garnierte er mit hydraulischen Bremsen von Hayes – ein Zugeständnis an die Sicherheit; die Original-Command-Aire hatte mechanische Bremsen. Aus dem gleichen Grund hat Bobs NC997E auch keinen Schleifsporn, sondern ein gelenktes Scott-Tailwheel.

Erst vier Jahre nach dem „Erstkontakt“, im September 1982, trafen sich Konstrukteur und Restaurator das erste Mal persönlich, in Bobs Werkstatt. „Himmel, war ich beeindruckt“, erinnert sich der Selbstbauer. „Alberts Erinnerungsvermögen war immens, selbst bei den kleinsten Details. Ich weiß noch, dass ich ihn fragte, warum er Frise-Querruder gewählt habe, und er korrigierte mich sofort: Das sei eine Konstruktion des deutschen Ingenieurs Gustav Lachmann.“

Ausstellung des Doppeldeckers zur Sun ’n Fun in Lakeland

Für Albert war es die erste Begegnung mit seinem Flugzeug nach mehr als 40 Jahren. Und für beide der Beginn einer langjährigen Freundschaft. „Im Januar 1989 fragte mich Al, ob ich die 5C3 vielleicht zur Sun ’n Fun nach Lakeland bringen könne“, erinnert sich Bob. „Es gab keine Möglichkeit, das Flugzeug gänzlich fertigzustellen, zuzulassen, die Testflüge zu absolvieren und dann mehr als 2700 Meilen von Kalifornien, wo ich damals noch lebte, nach Florida zu fliegen. Also hab ich sie auf dem Anhänger dorthin gebracht.“

Der Doppeldecker blieb schließlich bis Mai ’89 im Sun ’n Fun-Museum. Dann fuhr Bob erneut an die Ostküste, um sein Flugzeug endgültig fertigzustellen. „Nie vergesse ich den Tag, als wir den Motor erstmals anwarfen. Endlich war ein Ende dieses Endlos-Projekts in Sicht.“

Am 11. Juli 1989 war es schließlich so weit: Um 9.30 Uhr startete Robert Lock vom Lakeland Municipal Airport, kletterte auf 1500 Fuß, machte anschließend drei Landungen auf einem nahe gelegenen Grasstrip und kehrte nach Lakeland zurück. „Sie flog großartig, im Grunde wie eine Piper Cub, halt nur etwas schwerer. Zu keinem Zeitpunkt habe ich mich in diesem Flugzeug fremd gefühlt.“

Erstflug der restaurierten 5C3: 60 Jahre nach dem Baujahr

Daran hat sich bis heute nichts geändert. „It’s a sweetheart“, schwärmt Bob. „Sie ist eines der besten Beispiele für die unglaublich gute Arbeit, die in den zwanziger Jahren geleistet wurde. Ich hab sie wieder zum Leben erweckt, ich bin ihr Freund und ihr Retter.“ Und grinsend fügt er hinzu: „Fast könnte ich schwören, dass ich die Command-Aire in einem früheren Leben geflogen habe. Vielleicht bin ich die Reinkarnation von Waldo Pepper!“

Bob Locks Command-Aire ist weltweit das einzige fliegende Exemplar von nur 38 gebauten 5C3. Insgesamt stellte Command-Aire 235 Flugzeuge her. Eine weitere „Five“ wird derzeit im US-Bundesstaat Illinois wiederaufgebaut. Bob besitzt außerdem ein weiteres vollständiges Wrack, wie die Inventur der Teilesammlung ergab. Die Einzigartigkeit ist für Bob aber kein Anlass, seine NC997E zu verhätscheln: 450 Stunden stehen seit der Restauration im Bordbuch. „Ich hab sie restauriert, damit sie fliegt, und nicht, damit sie herumsteht.“

Seltene Begegnung: Konstrukteur Albert Vollmecke (rechts) und der Restaurator im September 1999

Albert Vollmecke ist leider nie dazu gekommen in Bobs Doppeldecker mitzufliegen: Erst verhinderte es die Zeit, später die Gesundheit. Der Konstrukteur starb 2001 im Alter von 93 Jahren nahe Washington, DC.

Text und Fotos: Claudia Stock, fliegermagazin 06/2009

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