Ultraleicht

Spaßvogel: Uli 1 von Weller Flugzeugbau

Mit leuchtenden Augen erinnern sich manche Piloten an die frühen Jahre des UL-Fliegens: weil es damals einfach und billig war. Der Uli von Scheibe stammt aus dieser Zeit. Jetzt wird er wieder gebaut – mit Viertakt-Motor. Ein Medical ist für das »leichte Luftsportgerät« nicht erforderlich

Von Redaktion
Spaßvogel: Uli 1 von Weller Flugzeugbau
Fliegerisch einfach: Der Uli 1 stellt keine hohen Anforderungen an den Piloten. Die größte Herausforderung ist die ausgesetzte Unterbringung ohne schützende Kabine

Man steigt in den Uli nicht ein – den schnallt man sich an den Bauch! Dies zumindest ist das Gefühl, das einen beschleicht, wenn man im Cockpit des urigen Einsitzers Platz nimmt. Unter, neben und hinter sich: nur ein Geflecht fingerdicker Stahlrohre. Konsequenter Leichtbau, keine Frage. Nicht einmal ein Windschutz gaukelt Geborgenheit vor. Erinnerungen an die ersten eigenen UL-Flugerlebnisse der achtziger Jahre tauchen vor dem inneren Auge auf. War doch alles gar nicht so übel, damals …

Der Scheibe Uli war eines der ersten ULs überhaupt, die in Deutschland eine Zulassung hatten. Die nannte sich damals noch „Gütesiegel“ und wurde vom Deutschen Hängegleiter-Verband (DHV) erteilt. Gerademal ein Jahr lag die Einführung von motorisierten Luftsportgeräten zurück – Startschuss war der 15. Mai 1982, als mit der „Allgemeinverfügung“ hierzulande die luftrechtliche Grundlage für ULs geschaffen wurde.

Egon Scheibe, Jahrgang 1908, war nicht mehr der Jüngste, als der Uli entstand. Trotzdem ließ es sich der Firmenchef nicht nehmen, den Einsitzer selbst einzufliegen. Mit diesem Modell stieg der Dachauer Flugzeugbauer in einen gerade entstehenden UL-Markt ein.

Bei Einsitzern durfte das Leergewicht dürre 115 Kilo nicht überschreiten; Doppelsitzer waren zunächst nur zur Erprobung und Schulung vorgesehen. Scheibes Gemischtbau-Hochdecker war das Maximum dessen, was der Gewichtsrahmen zuließ. Aus heutiger Sicht nicht viel, damals aber durchaus bemerkenswert – schließlich bestand die Alternative darin, entweder gar nicht motorisiert zu fliegen oder mit PPL und allen damit verbundenen Kosten.

Für die neue Klasse war Scheibe mit seiner langjährigen Erfahrung im Segelflugzeugbau gut gerüstet. Rund zwei Dutzend Uli brachte die Dachauer Firma an den Mann. Seltenheiten blieben hingegen der Uli 2 mit Zugpropeller sowie die Doppelsitzer Coach und Ultra. Auch die auf dem Motorsegler SF 25 Falke basierende SF 40 konnte sich nicht durchsetzen.

Ein Strich als Rumpf: Nur dort, wo der Pilot Platz nimmt, ist das Rohrgerüst dreidimensional. Spannseile verleihen der filigranen Konstruktion dennoch Steifigkeit

Taucht man in die Geschichte der deutschen UL-Fliegerei ein, findet man eine bemerkenswerte Aussage des UL-Pioniers und ehemaligen DHV-Technikchefs Bernd Schmidtler. Aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums der Allgemeinverfügung sagte der Münchner über die Ultraleichtfliegerei im Jahr 2002: „Heute läuft die Entwicklung nur noch in Richtung schneller–schwerer–teurer. (…) Irgendwann sind die Dinger so teuer, dass Otto Normalverbraucher die Kosten nicht mehr berappen kann. (…) Mit etwas Glück fällt dann irgendjemandem der alte Scheibe Uli wieder ein, und die Entwicklung beginnt noch einmal von vorne.“

Sieben Jahre später hatte Roman Weller genau diesen Einfall. Der professionelle Flugzeugschweißer und Chef des Bibersfelder Ein-Mann-Unternehmens „Weller Flugzeugbau“ kennt die Entwicklung der Ultraleichtfliegerei in Deutschland von Anfang an. Sein „UL-Befähigungsnachweis“ (Vorläufer der heutigen Lizenz) trägt die Nummer 006.

Der Schwabe fertigt den Oldie-Hochdecker Sprint mit Rotax 912 oder Rotec-Sternmotor – oder auch mal einen Nachbau des Grade-Eindeckers (siehe fliegermagazin 2/10). Zwei Jahrzehnte war er der Firma Scheibe geschäftlich verbunden. Er lieferte vor allem Beschläge, Steuerungen, Auspuffanlagen und Motorträger. Scheibes Coach überarbeitete er zum Coach II.

Weller mochte den knurrigen Egon Scheibe und fand auch den Uli immer sympathisch, denn bis heute kann sich der passionierte Frischluft-Pilot Weller nicht mit geschlossenen Fluggeräten anfreunden. Noch vor der Insolvenz von Scheibe Flugzeugbau im Jahr 2006 hatte er mit der Geschäftsleitung vereinbart, dass Weller Flugzeugbau die Musterbetreuung aller Scheibe-UL-Typen übernimmt und im Gegenzug die Marken- und Vertriebsrechte erhält.

Bald danach kaufte Weller einen der letzten von Scheibe gefertigten Ulis: Die Werknummer 22 sollte als Erprobungsträger für einen zeitgemäßen Antrieb dienen. Der Uli hatte nämlich ein Handicap, das seinem Piloten Nervenstärke abverlangte: Sein Motor leistete nur 22 PS. Der Göbler-Hirth F 263, ein luftgekühlte Zweizylinder-Zweitakter, galt zwar als hinreichend zuverlässig, bot aber kaum Leistungsreserven.

Vorflugcheck: Erprobungspilot Benno Schmied kontrolliert den kleinen Viertakter von Briggs & Stratton. Im Spannturm der Falltank, darüber das Rettungssystem

Die neue Uli-Kundschaft wollte Weller mit einem Viertakter bedienen. Er entschied sich für den 30 PS starken Briggs & Stratton, der auch als Gleitschirmmotor Verwendung findet. Ursprünglich wurde der kleine V-2 für Stromaggregate und fahrbare Rasenmäher konstruiert. Weller baute einen einfachen Motorträger und einen aufwändigen Schalldämpfer, speckte die Schwungscheibe ab und testete verschiedene Propeller – mit dem Ergebnis, dass ein Holzprop aus eigener Fertigung die besten Lärm- und Leistungswerte bringt.

Im Herbst 2009 wurde das Zulassungsverfahren mit der Lärmmessung abgeschlossen. Im Januar erteilte der DAeC die Ergänzende Musterzulassung. All das wäre nicht so schnell zu schaffen gewesen, hätte sich nicht Benno Schmied aus Ludwigshafen so in das Uli-Revival hineingespreizt.

Das Erprobungsprogramm flog er im Schnelldurchlauf: 55 Stunden und über 100 Landungen. Hierfür hatte er Wellers D-MOHN mit zu seinem Heimatflugplatz nach Worms genommen. Schmied selbst besitzt einen der ersten Ulis, dieWerknummer 002. Als er hierfür ein Ersatzteil brauchte, wandte er sich an den neuen Musterbetreuer Weller. Am Ende des Gesprächs war er mit der Erprobung des Viertakt-Ulis betraut.

Viel Mühe hat Roman Weller darauf verwendet, das Leergewicht in die Nähe des Werts zu rücken, mit dem die Maschine anno 1983 zugelassen worden war, nämlich 110 Kilo. Am neuen Uli wiegt jede Tragflächenhälfte nur 16 Kilo. Die Rippen bestehen aus Schaumstoff mit aufgeleimten Holzleisten als Gurte. Die Bespannung Oratex 600, eine superleichte Folie des Leipziger Herstellers Lanitz-Prena Folien Factory, muss nicht lackiert werden.

Wellers Handschrift zeigt sich auch an dem strömungsgünstigen Metalltank im Spannturm. Dieser Tank ist notwendig, weil die Benzinpumpe des Motors dem Höhenunterschied zu einem – wie früher – hinter dem Sitz montierten Tank nicht gewachsen war. Dort, ziemlich genau im Schwerpunkt, kann man jetzt Gepäck unterbringen. Damals wie heute ist der Einsitzer ein puristisches Fluggerät mit überschaubarer Technik.

Mit Herzblut dabei: Roman Weller kontrolliert ein geschweißtes Teil am Uli-1-Rumpf. Schon für den früheren Uli-Hersteller Scheibe hatte der Luftfahrtschweißer Systeme zugeliefert

Tatsächlich hat der Vogel nichts zu verbergen: Anlenkungen, Seilführungen, Knotenpunkte sind leicht zu checken. Vor sich hat der Pilot nur einen schmalen Instrumentenpilz. Fahrwerksbeine aus Fiberglas schlucken auch böse Aufschläge. Es gibt zwar eine Federtrimmung, aber keine Bremsen. Diesen Job übernehmen die Beine des Piloten. Auch einen E-Starter findet man nicht – andernfalls wäre das Leergewichtslimit von 120 Kilogramm für „leichte Luftsportgeräte“ (siehe AERO Special, fliegermagazin 04/2010, Seite 17) nicht zu schaffen gewesen.

Trotzdem braucht der Pilot des Serien-Uli keinen Helfer: Ein Seilzugstarter, den Weller gegenwärtig entwickelt, soll es möglich machen, vorn neben dem Rumpf stehend den Briggs & Stratton anzulassen. Bei laufendem Motor setzt sich der Pilot dann ins Cockpit und stellt seine Füße als Parkbremse auf dem Untergrund ab. Auf Gras will sich das Fluggerät bei Standgas ohnehin nicht bewegen. „Lenken ist auch ohne Bremsen kein Problem, weil das große Spornrad direkt am Seitenruder angebracht ist“, sagt Benno Schmied.

Fliegerisch, erzählt der 38-Jährige, stelle das Einfach-UL keine großen Anforderungen an den Piloten: „Nach rund 100 Metern hebt der Uli bei etwa 50 km/h ab. Dann lässt du ihn auf 55 km/h beschleunigen und steigst mit gut zwei Metern pro Sekunde. Im Horizontalflug nimmt man das Gas etwas raus und ist dann mit 65 bis 70 Stundenkilometern unterwegs. So braucht der Motor nur sechs Liter pro Stunde. Schnell ist das natürlich nicht, aber reisen will ohnehin niemand mit so einem Flieger. Dafür hat man eine tolle Panoramasicht.“

Aerodynamisch ist der Winzling gar nicht so schlecht, wie man auf den ersten Blick glauben mag. Bei einer Sinkrate von zwei Metern pro Sekunde kann auch mal starke Thermik mitgenommen werden. Schmidt: „Mein eigener Uli mit Bugverkleidung sinkt mit 1,6 Metern pro Sekunde – mit dem segle ich oft.“ Überhaupt erinnerten ihn Ruderansprache und Flugverhalten ans Segelfliegen, erzählt der Erprobungspilot: „Zum Beispiel der Seitenrudereinsatz – das hat mehr mit Ka-8 als mit Cessna zu tun.“

Der Weg ist das Ziel: Luftwandern mit dem Uli 1. Hier spürt der Pilot die Natur hautnah

Beim Landen, sagt Schmied, könne das ungedämpfte Höhenruder Anfänger eventuell zu Überreaktionen verleiten – aber das habe man schnell im Griff. Mit einem leichten Piloten und voll gezogenem Knüppel setzt das Spornrad zuerst auf. Strammer Seitenwind stört am Boden wenig: Der Wind pfeift einfach durch den Rumpf hindurch.

Roman Weller will den Viertakt-Uli zum Preis von rund 20 000 Euro anbieten, einschließlich Turmrettungssystem. Für dieses Geld bekommt man heute eigentlich keinen neuen Dreiachser mehr. Auf der AERO wird der Schwabe ein Exemplar frisch aus seiner Werkstatt präsentieren. Auch an einen Uli-Bausatz denkt er bereits.

Es gibt nicht wenige UL-Piloten, die mit Wehmut von ihren ersten Geräten in den achtziger Jahren erzählen, damals verspottet als „fliegende Gartenstühle“. Der neue Uli ist eine Zeitmaschine, die ihren Piloten genau in diese Ära zurückversetzt – allerdings mit zeitgemäßem Viertaktmotor. Auch deshalb handelt es sich um ein „richtiges Flugzeug“.

Dem alten Egon Scheibe, der das Ende von „Scheibe Flugzeugbau“ nicht mehr erleben musste, hätte es bestimmt gefallen, dass seine Kreation mehr als ein Vierteljahrhundert nach ihrem Erstflug einen Neustart hinlegt.

Text und Fotos: Stefan Bartmann; fliegermagazin 04/2010

Technische Daten
Uli 1 von Weller Flugzeugbau
  • Weller FlugzeugbauBiberstraße 1/874523 Schwäbisch-Hall/Bibersfeld
Telefon: 0791/5 67 32
www.weller-
flugzeugbau.de
  • 9,68 m
  • 13,0 m2
  • 7,30 m
  • 2,3 m
  • 120 kg
  • 220 kg
  • 18 l
  • Briggs & Stratton/30 PS
  • Weller, 2-Blatt, Holz, fest, 1,40 m
  • 2,1 m/s
  • ca. 175 km plus 30 Minuten Reserve
  • ab 20 000 Euro*
  • *mit Grundinstrumentierung und Rettungssystem Charly ES 78, ohne Funk, inklusive Mwst.
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