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Ukraine-Krieg: Wie Privatpiloten helfen können

Privatpiloten aus ganz Deutschland fliegen seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs Medikamente und Material für Krankenhäuser an die polnisch-ukrainische Grenze. Manchmal nehmen sie auf ihrem Rückflug auch kranke Kinder und ihre Eltern mit. So wie Axel Braun mit seiner Cessna 210.

Von Isabella Sauer
Mass and Balance: Die gelben Kisten und die braunen Taschen sind mit Medikamenten befüllt. Auf jeder Fracht steht eine genaue Gewichtsangabe, damit die Cessna 210 auf keinen Fall überladen wird. Foto: Ukraine Air Rescue

Axel Braun ist 63 Jahre alt, arbeitet als Fachanwalt in einer Rechtsanwaltskanzlei in der Kölner Altstadt und begeistert sich nun schon seit mehr als 20 Jahren für das Fliegen. Seinen Traum, ein eigenes Flugzeug zu besitzen, erfüllt er sich vor knapp sechs Jahren. Er kauft sich eine Cessna 210 Turbo Centurion. Mit der hat er nun schon so einige Ziele im In- und Ausland angeflogen, viele davon aus beruflichen Gründen.

Ende Juli stand ihm und seine Lebensgefährtin Marta dann ein ganz besonderer Flug bevor – ein Flug, den die beiden nicht so schnell vergessen werden. Sie brechen in Richtung Ukraine-Krieg auf. Vom Flugplatz Bonn/Hangelar (EDKB) ging es zum Flugplatz Mielec (EPML) in Polen. Nur 150 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.

Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs helfen auch Privatpiloten

Als Axel Braun an jenem Samstag zu seinem Heimatflugplatz fuhr, hatte er gemischte Gefühle. »Es war komisch. Meine Stimmung war ein wenig bedrückt, und gleichzeitig verspürte ich Freude, etwas Gutes tun zu können«, sagt Braun. Sein Vorhaben: Gemeinsam mit vier anderen Privatpiloten wichtige Hilfsgüter, wie Medikamente und medizinische Gerätschaften, so nah wie möglich an die Ukraine zu fliegen. Denn das geht eindeutig schneller als ein Transport per Lkw, der für die gleiche Strecke mehr als einen Tag brauchen würde. 

Konzentrierte Gesichter  Pilot Axel Braun und seine Lebensgefährtin Marta gehen auf Nummer sicher. Mass and Balance wird mehrfach nachgerechnet.

Doch wie kam Axel Braun überhaupt zu diesem Hilfsflug? »Meine Kanzlei macht ein wenig Pro-Bono-Arbeit für den Verein Blau-Gelbes Kreuz. Das ist ein staatlich anerkannter, gemeinnütziger Verein mit Sitz in Köln, der bereits seit 2014 die Entwicklung einer freien, demokratischen Ukraine unterstützt und seit Ausbruch des Krieges verletzten und anderen stark bedürftigen  Menschen mit verschiedenen Maßnahmen hilft«, erklärt Axel Braun. Eines Nachmittags habe es dann geheißen, dass der Verein auf der Suche nach Privatpiloten sei, um das Projekt Ukraine Rescue Air der Europäischen Donau-Akademie unterstützen zu können.

Ukraine-Krieg: Neues Luftbrücken-Projekt „Ukraine Air Rescue“ gestartet

Bei diesem Projekt werden Hilfsgüter bis an die ukrainische Grenze geflogen und auf dem Rückflug nach Deutschland oft Ukrainer mitgenommen, die dringend medizinische Hilfe benötigen. »Als ich davon erfahren habe, habe ich nicht lange überlegt und mich sofort als Pilot für das Luftbrücken-Projekt auf der Homepage www.ukraine-air-rescue.de registriert«, erinnert sich der Rheinländer.

Anspruchsvolle Logistik  Direkt nach Öffnung des Flugplatzes Bonn/Hangelar werden die Hilfsgüter mit dem Transporter geliefert.

Und dann sei alles ganz schnell gegangen. Bereits kurze Zeit später packt er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Marta und vier weiteren Piloten insgesamt rund 1,2 Tonnen Hilfsgüter in die Maschinen. Einer der Piloten fliegt die Mission an diesem Tag ab dem Flugplatz Schleißheim (EDNX) nahe München. Die braunen Kartons und Taschen sowie die gelben Kisten sind bis oben hin gefüllt. Sie alle tragen weiße Aufkleber mit einer Inhaltsliste. Selbstverständlich findet sich dort auch eine Gewichtsangabe, unverzichtbar bei der Berechnung des zulässigen Gesamtgewichts des Flugzeugs.

Material für die Flüge in die Ukraine kommen von Hilfsorganisationen

Die Materialien hatten die UAR-Helfer zuvor von verschiedenen Organisationen bekommen und verpackt, die Piloten mussten sich also nur um das Verladen kümmern. »Das war aber gar nicht so einfach«, sagt Axel Braun und seufzt kurz auf. Es habe ihn ein wenig an Tetris-Spielen erinnert, schließlich dürfen die Kisten nur bedingt eingedrückt werden. 230 Kilogramm soll jeder Pilot in seiner Maschine verstauen. »An sich kein Problem, meine Cessna schafft das locker. Doch es ist trotzdem immer wieder eine Herausforderung, voll beladen zu fliegen.«

Das habe er in diesem Ausmaß nur einmal erlebt, als er mit vier Personen und vier Koffern von Spanien nach Deutschland zurückgeflogen sei. Für Braun und seine Lebensgefährtin hieß es bei der Flugvorbereitung ganz genau hinzuschauen: »Besonders kritisch war ich bei der Mass & Balance-Berechnung, das mache ich immer mit dem Computer«, erklärt Braun.

Flugzeit an die polnische Grenze beträgt fast vier Stunden

Apropos Flugvorbereitung und -planung. Die übernehmen die Privatpiloten, wie sonst auch, selbst. »Eine kleine Checkliste seitens der Organisation hat es aber vorab gegeben«, sagt Braun, »darin wurden wichtige Informationen angegeben und abgefragt.« So ist es zum Beispiel Pflicht, einen Tag vor Abflug an einem verbindlichen Pilotenbriefing mit Flight Ops, allen Piloten und Ground Ops teilzunehmen. Auch muss Auskunft über die Piloten und das Flugzeug gegeben werden. Eine weitere Aufgabe: Angaben darüber machen, ob für den Flug eine Spendenquittung benötigt wird oder nicht. Denn es ist möglich, sich teilweise die Kosten für die Mission erstatten zu lassen.

Voll beladen  Jeder Raum in den beteiligten Flugzeugen wird genutzt. Eigenes Gepäck haben die Piloten nicht dabei.

Um kurz nach 9 Uhr hebt die Cessna 210 mit der Kennung
D-EFVD in Richtung Polen ab. Die Flugzeit beträgt fast vier Stunden. Alles klappt ohne Probleme. Das Flugwetter ist hervorragend, strahlender Sonnenschein, ein paar Wolken im Bereich Dresden. Am Zielflughafen in Mielec stehen schon Helfer bereit, die beim Ausräumen der Waren helfen. Alles geht in einen Transporter, der schon wartet und sich sofort auf den Weg in die Ukraine macht. »Marta und ich haben an diesem Tag noch eine zusätzliche Aufgabe: Wir dürfen eine Mutter mit ihrem kranken Sohn nach Köln fliegen. Dort war ein wichtiger OP-Termin angesetzt«, erzählt Axel Braun weiter.

Doch dieser schien plötzlich in Gefahr zu sein, als eine Gewitterfront den Piloten quasi den Rückweg abschneidet. Und so müssen die Piloten und ihre Begleitung ohne Kleidung zum Wechseln beziehungsweise Zahnbürste im Gepäck für eine Nacht in der polnischen Kleinstadt bleiben. Auch die ukrainische Mutter mit ihrem Kind müssen bleiben. 

Axel Braun hat auf dem Rückweg eine Mutter und ihren kranken Sohn mitgenommen

Axel Braun hat die Situation noch genau vor Augen: »Wir konnten weder polnisch noch ukrainisch sprechen, und die beiden wiederum kein Englisch. Und trotzdem, wir haben uns dann mit Händen und Füßen und dank Google Translater, verständigt.«  Während des Abendessens trudeln dann auch schon erfreuliche Nachrichten ein: Die Hilfsgüter haben ihren Weg in die ukrainischen Krankenhäuser gefunden, heißt es in diversen E-Mails.

Am Sonntag sieht das Wetter besser aus und die Piloten können wieder in Richtung Heimat starten. Alle Beteiligten sind erleichtert, als sie wieder in Deutschland landen – eine erfolgreiche Mission. »Ich warte nun auf einen weiteren Einsatz«, sagt Axel Braun und hofft natürlich, dass er im besten Fall gar nicht mehr gebraucht wird und der Ukraine-Krieg bald endet.

Ukraine-Krieg: So können Privatpiloten helfen

Wer die Hilfsorganisation Ukraine Air Rescue unterstützen möchte, kann dies auf verschiedene Weisen tun. Sie können sich als Pilot melden, ein Flugzeug zur Verfügung stellen, ehrenamtlich vor Ort mitarbeiten oder wichtige Kontakte sowie hilfreiche Informationen bereitstellen. Auch Geldspenden an den Empfänger Europäische Donau-Akademie gGmbH auf das Konto DE98 6309 0100 0413 9590 23 der Volksbank Ulm-Biberach unter dem Verwendungszweck Luftbrücke Ukraine sind erwünscht. 

Weitere Informationen unter www.ukraine-air-rescue.de. 

Über den Autor
Isabella Sauer

Isabella Sauer ist Jahrgang 1991, studierte in Bamberg Kommunikationswissenschaft und absolvierte anschließend ein Volontariat bei Auto Bild. Seit ihrer Jugend ist sie journalistisch tätig und arbeitete für große Verlagshäuser, darunter Axel Springer und die Funke Mediengruppe. Print, Digital, Social Media - für Isabella hat jeder Inhalt das Potenzial, vielfältig aufbereitet zu werden. Und wie kam sie zum fliegermagazin? Das Thema Mobilität interessierte sie immer schon sehr. Ob Auto, Bahn, Camper, Airliner oder Fahrrad: Die Welt lässt sich aus vielen Perspektiven entdecken. Nun geht es für Isabella Sauer in die Luft. Seit März 2023 ist sie PPL-Flugschülerin und freut sich schon darauf, sich in ein neues Fachgebiet einzuarbeiten.

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