Zeppelinflug über dem Bodensee: Schweben statt Fliegen
Langsam, leise und mit einzigartiger Aussicht: Ein Flug im Zeppelin ist kein gewöhnlicher Rundflug. Online-Chefredakteurin und Privatpilotin Isabella Sauer hat den Bodensee aus 300 Metern Höhe erlebt und dabei ein völlig neues Gefühl des Fliegens entdeckt.

Es ist ein sonniger Abend, als ich vor dem Hangar des Zeppelin NT in Friedrichshafen am Bodensee stehe. Vor mir erhebt sich der imposante Bau, direkt gegenüber der Messe. Gleich werde ich etwas erleben, das auf meiner persönlichen Bucket List ganz weit oben steht: meinen ersten Zeppelinflug.
Als Privatpilotin weiß ich, dass mich hier eine ganz andere Art des Fliegens erwartet. Keine Reisefluggeschwindigkeit von über 100 Knoten wie in meiner Cessna 172, keine dynamischen Steigflüge, keine lauten Motoren. Stattdessen entschleunigtes Schweben in 1000 Fuß Höhe. Könnte das langweilig werden? Ich glaube nicht. Aber sicher bin ich mir nicht, noch nicht.
Rauchverbot beim Zeppelinflug über dem Bodensee
Unser Flug, die Route »Bregenz«, 60 Minuten, 630 Euro pro Person, ist ausgebucht. Zwölf weitere Passagiere versammeln sich im Vorbereitungsraum, der an ein Mini Kino erinnert. Eine Mitarbeiterin der Deutschen Zeppelin Reederei (DZR) begrüßt uns. Ihre Stimme ist ruhig und freundlich: »Willkommen bei Zeppelin NT. Ich führe Sie jetzt in die Sicherheitsvorkehrungen und das Thema Zeppelin ein.«
Es folgt eine Ansage wie im Airbus: nicht rauchen, Handys in den Flugmodus, Schwimmwesten unter den Sitzen. Besonders wichtig ist der Hinweis zum Ein und Aussteigen: »Immer nur paarweise, damit das Gleichgewicht gewahrt bleibt.« Ich sehe neugierige Gesichter, höre leises Tuscheln. Die Spannung ist greifbar. Einige Passagiere unterhalten sich leise, andere starren gebannt auf die Bilder an der Leinwand, sie zeigen historische und moderne Zeppeline.
Ein lang ersehnter Traum wird wahr
Neben mir sagt Eugenia Merkel leise zu ihrem Mann: »Jetzt geht’s endlich los!« Und ich bemerke, wie sehr dieser Flug für viele ein lang ersehnter Traum ist. Zum Schluss der kurzen Vorführung werden Bordkarten verteilt, mit Flugnummer, Datum und Strecke. Alles wirkt vertraut und doch besonders. Schließlich steigen wir nicht in ein Flugzeug, sondern in ein Luftschiff.
Draußen schwebt der Zeppelin sanft am Anker mast. Trotz seiner Größe, 75 Meter Länge, 17 Meter Höhe, wirkt er elegant, fast filigran. Die Crew rollt eine kleine Treppe heran. Wir stehen in Zweierreihen wie Schulkinder, immer zwei steigen aus, zwei gehen an Bord. Der Einstieg ist etwas wackelig. Drinnen überrascht mich das Raumgefühl: große Panoramafenster, freie Sicht auf fast allen Plätzen.
Zeppelinflug über Bodensee ist fliegerisch einzigartig
»Ich finde es jetzt schon klasse«, ruft Eugenia begeistert. Sie erzählt mir, dass sie den Flug 2020 zu ihrem 40. Geburtstag bekommen hat: »Mein Großvater hat mit Zeppelinen gearbeitet, das hier ist wie ein Stück Familiengeschichte.« Dann geht es los, wir schnallen uns an und setzen uns langsam in Bewegung.
Pilot Jürgen Würtz sitzt natürlich vorn links, daneben ein Kollege. Der gebürtige Bodensee Anrainer war Militärpilot und flog lange Rettungshubschrauber, bevor er wieder zum Zeppelin zurückkehrte. »Das hier ist fliegerisch einzigartig«, sagt er, bevor er die drei Lycoming Motoren mit je 200 PS auf Leistung bringt.
Nur 35 Knoten schnell: Zeppelin Tempo
Plötzlich richtet sich die Nase nach oben, wir steigen steil. Ich spüre kaum Vibrationen, nur ein sanftes Gleiten. Nach wenigen Minuten sind wir auf 1000 Fuß. »Sie dürfen sich jetzt frei in der Kabine bewegen«, sagt Flugbegleiterin Sabine Limas, die früher bei der Lufthansa gearbeitet hat.
Ich gehe nach hinten zum kleinen Separee mit zwei Plätzen und riesiger Panoramascheibe. Ein Passagier neben mir und ich öffnen ein kleines Fenster, der Fahrtwind zischt herein. Ich strecke den Kopf hinaus: Der Wind pfeift, meine Haare tanzen, und doch fliegen wir nur 35 Knoten, Zeppelin Tempo.
Toller Ausblick beim Zeppelinflug über dem Bodensee
Unter uns liegt das Messegelände der AERO schon in weiter Ferne. Auf der Seite glitzert der Bodensee im Abendlicht. Wir folgen der Küstenlinie über Eriskirch, Langenargen und Kressbronn. Dann liegt Lindau vor uns: die berühmte Hafeneinfahrt mit Löwe und Leuchtturm, eingerahmt von der historischen Altstadt. Wenige Minuten später gleiten wir an der Bregenzer Bucht vorbei, dahinter erhebt sich der 1064 Meter hohe Pfänder, die Alpen wirken zum Greifen nah.
Neben mir hält Salvatore, ein Mitpassagier, sein Handy hoch. »Das hier ist mein 50. Geburtstagsgeschenk«, erzählt er. »Jetzt erfülle ich mir meinen lang ersehnten Traum.« Im Flug erklärt mir Pilot Würtz weiter die Technik: »Wir kombinieren beim Zeppelin Elemente aus Flugzeug und Hubschrauber, dazu kommt das Luftschiff Prinzip.«
Fly by wire Steuerung per Sidestick
Die Fly by wire Steuerung erfolgt per Sidestick, die Befehle gehen elektronisch an die Ruder. Bei langsamer Fahrt übernehmen schwenkbare Propeller das Steuer, einer wirkt wie der Heckrotor eines Helikopters, der andere beeinflusst die Nicklage. »Auch am Boden ist der Zeppelin nie ganz ruhig«, sagt er und genießt sichtlich die Aussicht. »Schon eine Böe kann das Heck anheben. Dann trimmen wir nach, damit das Rad nicht permanent aufsetzt und abhebt, das schont das Material.«
Während der Zeppelin am Mast steht, überwacht ein Crewmitglied alle Systeme, hält den Druck im Blick und kann den Luftschiffschub per Fernsteuerung justieren. Wie schwer ist eigentlich ein Zeppelin? Würtz erklärt: »Schwerer als Luft, deshalb fliegen wir und fahren nicht, anders als Ballone. Im Flug sind wir rund 300 Kilogramm schwer. Das ändert sich ständig: Wenn das Helium abkühlt, werden wir schwerer, wenn Sprit verbraucht wird, leichter.«
Gefahr durch Wind: Zeppelinflug Bodensee
Schon ein Temperaturunterschied von fünf Grad verändert das Gewicht um 150 Kilogramm, fast die Hälfte der Besatzung. Sabine, die Flugbegleiterin, liebt ihren Job: »Das ist für mich der schönste Arbeitsplatz der Welt. Die Gäste sind entspannt, jeder genießt den Moment. Das ist etwas völlig anderes als in der Linienfliegerei.« Tatsächlich spürt man es: keine Hektik, kein Gedränge, nur Staunen und leises Lachen.
Doch das Luftschifffliegen hat auch seine Tücken und Herausforderungen. »Wind ist unser größtes Thema«, sagt Würtz. »Schon Böen können uns versetzen. Deshalb ist vorausschauendes Fliegen entscheidend.« Landungen erfordern Feingefühl: »Wir nutzen die Propeller wie ein Hubschrauber. Der Zeppelin kann auf dem Punkt schweben, aber man braucht dafür beide Hände und volle Konzentration.«
Berufspilotenlizenz und mindestens 450 Flugstunden
Wer Zeppelin Pilot werden will, braucht eine europäische Berufspilotenlizenz für Flugzeug oder Hubschrauber und mindestens 450 Flugstunden. »Man lernt hier ein komplett neues Fluggerät«, erklärt Würtz. »Das ist fliegerisch eine der schönsten Herausforderungen.«
Der Zeppelin NT mit ZF Aufschrift fliegt seit 2001 Passagiere am Bodensee. Er ist weltweit das einzige Luftschiff mit starrer Innenstruktur, eine Konstruktion aus Aluminium und Carbon Spanten, nur 1100 Kilogramm schwer. Den Auftrieb liefert Helium, eingeschlossen in einer hochfesten Hülle. Übrigens: Der Name »Zeppelin« ist markenrechtlich geschützt. Mit dem Jungfernflug 1997 in Friedrichshafen wurde der Mythos wiederbelebt, heute fliegen Zeppeline auch von München, Bonn, Essen und Frankfurt.
Zeppelinflug Bodensee – ein Erlebnis voller Staunen
Nach einer Stunde dreht Würtz gefühlt in eine weite Spirale. Die Anschnallzeichen leuchten. Wir sinken, unter uns der Flughafen Friedrichshafen. Bodencrew und Ankermast warten bereits. Sanft schweben wir heran. Ein Seil wird an der Nase befestigt, der Zeppelin wird hydraulisch am Mast verriegelt. »Beim Luftschiff bist du erst sicher, wenn du am Mast bist«, sagt Pilot Würtz hoch konzentriert.
Ich steige aus und atme tief durch. Dieser Flug war keine Action, sondern ein Erlebnis voller Staunen. Für mich als Privatpilotin war es faszinierend, wie sehr sich das Luftschiff von meiner Cessna unterscheidet, technisch und emotional. Und während ich noch einmal zum Flughafen und zum Hangar zurückblicke, weiß ich: Das war nicht mein letzter Zeppelinflug. Dieses Schweben ist ein Gefühl, das man nicht vergisst. Und als ich in die Gesichter der anderen Fluggäste blicke, weiß ich, dass es ihnen ähnlich geht wie mir.
Isabella Sauer ist Jahrgang 1991, studierte in Bamberg Kommunikationswissenschaft und absolvierte anschließend ein Volontariat bei Auto Bild. Seit ihrer Jugend ist sie journalistisch tätig und arbeitete für große Verlagshäuser, darunter Axel Springer und die Funke Mediengruppe. Print, Digital, Social Media - für Isabella hat jeder Inhalt das Potenzial, vielfältig aufbereitet zu werden. Und wie kam sie zum fliegermagazin? Das Thema Mobilität interessierte sie immer schon sehr. Ob Auto, Bahn, Camper, Airliner oder Fahrrad: Die Welt lässt sich aus vielen Perspektiven entdecken. Nun geht es für Isabella Sauer in die Luft. Seit Mai 2025 hat sie eine Privatpilotenlizenz (PPL).
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