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Notlandung eines Oldtimers: Harrison Fords Motorausfall in einer PT-22

Hollywood-Star Harrison Ford kommt mit seinem Oldtimer in eine brenzlige Situation: ein Motorausfall kurz nach dem Start. Er hat nur wenige Optionen und nicht viel Zeit – und trifft eine mutige Entscheidung

Von Redaktion

Man stelle sich vor, kurz nach dem Start setzt der Motor aus, und eine Notlandung ist unvermeidbar. Schwere Verletzungen oder Schlimmeres und ein zerstörtes Flugzeug wären die zu erwartenden Folgen, ein glimpflicher Ausgang keine sehr wahrscheinliche Option.


Harrison Ford geriet im vergangenen Jahr in diese Ausgangssituation. Der Hollywood-Star gilt als erfahrener Pilot; er besitzt eine Lizenz für einmotorige und mehrmotorige Land- und Wasserflugzeuge. Außerdem hat er die Typenberechtigung für Helikopter und Jets vom Typ Cessna 525 und 680. Insgesamt hat er rund 5000 Flugstunden gesammelt.

Harrison Ford rollt mit einer PT-22 in Santa Monica an den Start

Am 5. März 2015 steht Ford kurz nach dem Start vom Municipal Airport in Santa Monica, Kalifornien, in einer restaurierten Ryan Aeronautical ST3KR PT-22 Recruit vor der wohl schwierigsten Entscheidung seiner Pilotenkarriere: Umkehrkurve zurück zum Flugplatz oder bei bestem Gleiten geradeaus, in der Hoffnung auf irgendeinen schmalen Streifen für die Notlandung im dicht bebauten Großraum von Los Angeles.

Brav oder zu heiß? Manche Piloten finden die PT-22 zu kritisch, andere halten sie für harmlos (Foto: Peter Wolter)

Für die erste Variante spricht die verheißungsvolle Sicherheit der Startbahn, die vermeintliche Nähe und möglicherweise schnellere Hilfe am Platz. Dagegen spricht der rasante Höhenverlust bei diesem Manöver und gleichzeitig der geringe Höhenpuffer direkt nach dem Start – eine gefährliche Kombination: Die vermeintliche Sicherheit des Flugplatzes und die Hoffnung auf Rettung haben schon manchen Piloten zu fatalen Fehleinschätzungen verleitet.

Harrison Ford in seinem Oldtimer: Kein Stunt – das hier ist Ernst

Es spricht aber auch wenig für die zweite Variante: eine Notlandung in schwierigem, womöglich unbekanntem Gelände. Der Pilot muss eine freie Fläche finden, die erreichbar und zugleich hindernisfrei ist. Hat man sich vor dem Start nicht mit der Umgebung vertraut gemacht, gleicht diese Variante einer Lotterie. Dabei winkt aber kein Millionengewinn, sondern eine möglicherweise verheerende Bruchlandung.

Für derlei Gedankenspiele hat Ford an diesem Vorfrühlingstag über Santa Monica kaum Zeit. Nur wenige Minuten nach dem Start, in einer Höhe von etwa 1100 Fuß Höhe über Grund streikt der Motor, ohne dass es vorher Anzeichen für ein Problem gegeben hätte. Ford drückt sofort die Nase der Ryan nach unten, um auf 85 Meilen pro Stunde zu beschleunigen. Er meldet dem Tower „engine failure“, gibt seine Position durch und bittet um die Freigabe für eine Umkehrkurve und die Rückkehr zur Piste. Der 72-Jährige weiß, dass ihm nur wenig Zeit bleibt. Wichtiger als ein Wiederstartversuch des Motors oder die Kontrolle des Tankwahlschalters ist ihm eine alte, aber immer noch gültige Regel: Fly the airplane!

Er trifft die Entscheidung gegen die Rückkehr zum Flugplatz. Stattdessen steuert Ford mit fast filmreifer Coolness und 85 Meilen pro Stunde für das beste Gleiten einen nahe gelegenen Golfplatz an. Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge, wie in etlichen Abenteuerfilmen, in denen er als Held aus jeder noch so gefährlichen Sackgasse einen Ausweg findet, meist mit atemberaubendem Wagemut. Doch während der Held im Hollywood-Streifen eigentlich gar nicht scheitern kann, schützt Harrison Ford im Cockpit seiner Ryan kein Drehbuch. Er ist wie jeder andere Pilot verwundbar.

In geringer Höhe richtig reagiert: Ford entscheidet sich gegen eine Rückkehr zum Flugplatz

Der bevorstehende Crash kann ihn tatsächlich das Leben kosten, zumal die Ryan als unangenehm bis unberechenbar gilt. Der Taildragger wurde während des Zweiten Weltkriegs tausendfach gebaut und als Militär-Trainer eingesetzt, um den angehenden Piloten ein Gefühl für die schwierige Kontrolle bei Seitenwind beizubringen. Kenner der Ryan sagen zwar, ihr Ruf als Killer sei übertrieben, aber sie müsse trotzdem sehr präzise geflogen werden.

Bruchgelandet: Der Rumpf der PT-22 bleibt weitgehend intakt, doch der Pilot verletzt sich schwer am Kopf – die Halterungen des Schultergurts versagten (Foto: Getty Images)

Ford behält die Kontrolle im Gleitflug und steuert auf das Grün des Golfplatzes zu. Fast scheint es, als würde die Notlandung glimpflich ablaufen, doch dann streift die Maschine einen Baum und stürzt hinab. Der Pilot überlebt den Crash mit Schnitt- und Kopfverletzungen. Zudem zieht sich Ford eine so genannte retrograde Amnesie zu: eine Gedächtnislücke, die in seinem Fall vom letzten Funkkontakt mit dem Tower bis einige Tage nach dem Absturz reicht.

Gleitflug der PT-22: Notlandung auf einem Golfplatz

Fliegerisch hat der prominente Bruchpilot das Beste aus der Situation gemacht, wie die US-amerikanische Untersuchungsbehörde für Flugunfälle in ihrem Abschlussbericht hervorhebt: die korrekte Einschätzung der Gefahr bei einer Umkehrkurve sowie die Entscheidung zur Notlandung auf dem Golfplatz. Ursache für den Motorausfall ist eine gelockerte und um 90 Grad verdrehte Vergaserdüse, die zu einem viel zu fetten Gemisch geführt hatte.

Bei der Restaurierung des historischen Flugzeugs im Jahr 1998 war auch der Vergaser überholt worden; Unterlagen für spätere Revisionen gibt es jedoch keine. Für die schweren Verletzungen Fords ist vor allem ein nachträglich und unsachgemäß eingebauter Schultergurt verantwortlich, dessen Halterungen den Belastungen beim Crash nicht standhielten.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 9/2016

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