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Airshow-Unfall: Eigenbau-Doppeldecker Super Acro Sport

Eleganz, Ästhetik und Akrobatik ziehen bei Flugvorführungen alle Blicke auf den Piloten. Für den kann schon ein kleiner Fehler fatale Folgen haben

Von Redaktion

Zu einer perfekten Flugshow gehört eine perfekte Choreographie. Jede Drehung muss zum passenden Zeitpunkt in die passende Richtung gehen, jeder Trudelsturz in der richtigen Höhe ansetzen, jeder Stoß aus der Rauchanlage muss mit der Figur koordiniert sein. Die Abläufe müssen sitzen – sonst verpufft die Show wie ein nasser Chinakracher. Auch auf dem Sonderlandeplatz Brilon-Hochsauerland soll am 31. Mai 2009 alles passen.

Auf dem Programm stehen anspruchsvolle Kunstflugvorführungen. Zahlreiche Zuschauer sind gekommen, um den Tag auf dem Flugplatz zu verbringen. Am frühen Nachmittag wartet ein Doppeldecker am Rollhalt der 750 Meter langen Asphaltpiste 07 auf den Start. Es ist ein hierzulande seltener Amateurbau, eine einsitzige Super Acro Sport. Die Maschine ist in der Kategorie „beschränkte Sonderklasse“ (Experimental) für Kunstflug zugelassen, ein 200 PS starkes Lycoming-IO-360-Triebwerk sorgt für die nötige Power. Um 15.18 Uhr hebt die Maschine ab. Augenzeugen berichten später, dass der Akro-Doppeldecker auf etwa 500 bis 800 Meter steigt. Vor dem Start hat der Pilot sein Programm kurzfristig von 25 Minuten auf 15 Minuten gekürzt, da der Spritvorrat im Tank nicht für die ursprünglich geplante Dauer ausreicht.

Super Akro Sport: Die Show ist schnell vorbei

Später will der Pilot sein Programm dann nochmals in voller Länge zeigen. Der Kommentator kündigt die Vorführung nun per Lautsprecher an. Kurz darauf beginnt das erste Manöver: Aus dem Horizontalflug bringt der Pilot den Doppeldecker über dem Platz in einen Trudelsturz mit Drehung nach links. Er nähert sich dabei schnell dem Boden. In geringer Höhe wird das Trudeln für einen kurzen Moment unterbrochen. Dann jedoch kippt die Maschine erneut ab; der Pilot kann sie nun nicht mehr rechtzeitig abfangen, die Höhe reicht nicht mehr aus. Wenige Augenblicke später schlägt die Super Acro etwa 30 Meter nördlich der Piste mit einer Längsneigung von 40 Grad trudelnd mit dem Fahrwerk voran auf einem Feld auf.

Hochsauerland: Der Flugplatz Brilon (EDKO) liegt auf 1510 Fuß MSL. Hier findet auch Segelflug statt (Foto: Flugplatz Brilon)

Der Pilot überlebt den Absturz mit schweren Verletzungen. Die Trümmerteile sind in einem Umkreis von über 20 Metern verstreut. Ein Blatt des verstellbaren Holzpropellers ist unmittelbar an der Wurzel nach hinten abgebrochen, das zweite Propellerblatt ist 30 Zentimeter von der Nabe entfernt geborsten – ein Hinweis darauf, dass der Motor beim Aufprall noch lief. Die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) stellen bei der Sicherung des Wracks außerdem fest, dass alle Verbindungen zwischen Steuerflächen, Leitwerk und Tragflächen intakt sind. Die Ruder lassen sich frei bewegen. Lediglich das Seil der Trimmung ist, vermutlich durch den Crash, abgerissen. Der Gashebel steht auf „Vollgas“. Die BFU-Experten finden keinen Hinweis auf eine technische Störung. Weshalb die Maschine dennoch bis zur Kollision mit dem Boden weiter trudelte, ist unklar.

Der Pilot bringt Licht ins Dunkel der Ermittlungen. Trotz seiner schweren Verletzungen unterstützt er die BFU-Experten von Beginn an. Er gibt ohne umständliche Rechtfertigungen oder Erklärungsversuche zu Protokoll, dass er die Situation falsch eingeschätzt und dadurch den Unfall selbst verursacht habe. So viel Charakter zeigt nicht jeder nach einem solchen Unfall.

Pilot zeigt Charakterstärke

Er habe bemerkt, so der damals 40-Jährige, dass die Maschine nach der letzten geplanten Drehung beim Ausleiten des Trudelns in die falsche Richtung zeigen würde. Daher entschied er sich spontan, die Figur um eine dreiviertel Drehung zu verlängern, um in die gewünschte Richtung zu kommen. Der Fehler dabei: Da das erste Trudelmanöver noch nicht vollständig beendet war, geriet der Doppeldecker sofort wieder in einen Trudelzustand. Den konnte der Pilot jedoch erst nach zweieinhalb Drehungen wieder ausleiten. Die verbliebene Höhe reichte aber nicht mehr aus, um die Maschine noch rechtzeitig abzufangen und den Crash zu verhindern. Auch im Gespräch mit dem fliegermagazin gibt der Akro-Pilot offen und selbstkritisch Auskunft: „Das war ein saublöder Fehler, auf so eine Schnapsidee kommt sonst keiner.“

Agiler Eigenbau: Die Super Acro Sport (oben die zweisitzige Version Acro Sport II) ist ein kunstflugtauglicher Doppeldecker, für den es nur Baupläne zu kaufen gibt (Foto: Guillaume Paumier)

Obwohl er zum Zeitpunkt des Unfalls seit 20 Jahren eine Segelfluglizenz und seit 15 Jahren einen PPL-A mit Schlepp- und Kunstflugberechtigung besaß, führt er auch eine gewisse Unerfahrenheit mit diesem speziellen Manöver als Ursache an, dass er die Situation falsch eingeschätzt hat. Eine starke Persönlichkeit brauchte der Ingenieur auch kurz nach dem Unfall, als er mit dem Hubschrauber in eine Spezialklinik nach Kassel geflogen wurde. Die erste Diagnose der Ärzte hätte schlimmer kaum sein können: Querschnittslähmung durch einen Trümmerbruch im Bereich der Lendenwirbelsäule. Doch zum Glück stellt sie sich letzten Endes als doch nicht zu hundert Prozent zutreffend heraus. Dank disziplinierten Trainings und guter ärztlicher Hilfe kann der inzwischen 42-Jährige Familienvater heute sogar wieder laufen.

Text: Samuel Pichlmaier, fliegermagazin 9/2011

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