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Erstflug der Junkers F 13: Mit Herta fing alles an

Ein Flugzeug, das ausschließlich für den Passagierluftverkehr
konstruiert wurde – das ist 1919 etwas Neues! Danach werden alle Airliner zu entfernten Verwandten der famosen Junkers F 13

Von Redaktion
Junkers F 13
Langes Leben: Herta schreibt Luftfahrtgeschichte. Das erste Exemplar der Junkers F 13 wird erst 1940 ausgemustert.

Der erste Schritt zum modernen Luftverkehr reicht tief in den Ersten Weltkrieg hinein. Ein Jagdflugzeug ganz aus Metall? Dieser revolutionäre Gedanke ist der deutschen Fliegertruppe nicht leicht schmackhaft zu machen. Dabei spricht schon allein die erhöhte Robustheit für dieses Material.

Seit 1913 denkt man bei Junkers & Co. in Dessau, wo gutes Geld mit Durchlauferhitzern und Dieselmotoren verdient wird, über ein Ganzmetall-Flugzeug nach. Noch ist die Zeit nicht reif für dieses Konzept, als im Dezember 1915 der Mitteldecker J 1 abhebt. »Blechesel« nennen Militärpiloten den Junkers-Erstling; er hätte mehr Respekt verdient. Die J 1 besteht noch aus Stahlglattblech, ist viel zu schwer und würde heute als Konzeptstudie durchgehen.

In der J 9 steckt schon viel von der Junkers F 13

Aber die Richtung stimmt! Ein paar Muster später fliegt im April 1918 die J 9, ein freitragender Tiefdecker, der als Junkers D.I bekannt wird. Darin steckt schon viel von der künftigen F 13, etwa das typische Wellenprofil des Duralblechs. Der Krieg ist noch gar nicht zu Ende, da plant man in Dessau bereits für die Zeit danach. 

Weniger geht kaum: Im spartanischen Cockpit gibt es nur eine Handvoll Instrumente. Die Piloten sitzen im Freien.

Jetzt, im Frieden, kann Professor Junkers sein gesammeltes Know-how im innovativen Metallbau anwenden. Der Übergang zum Urtyp des Verkehrsflugzeugs erscheint fließend.

Junkers F 13 Wunschliste: Sicherheit, geringe Flächenbelastung, freies Sichtfeld des Piloten

Auch geschäftlich geht Junkers neue Wege, nachdem die Verbindung mit dem Fokker-Flugzeugbau beendet ist. Im April 1919 wird die Junkers Flugzeugwerk A. G. mit Sitz in Dessau eingetragen. Schon zum Jahreswechsel 1918/19 haben Junkers, sein Direktor Otto Mader und Chef-Konstrukteur Otto Reuter eine Wunschliste für die F 13 formuliert: Sicherheit, geringe Flächenbelastung, ökonomischer Antrieb, freies Sichtfeld des Piloten, gute Innenausstattung für vier Passagiere, Lärmdämpfung, 150 km/h Reisegeschwindigkeit – all das will man vereinen.

Klubatmosphäre: Aller Luxus gilt den Passagieren. Die Kabine, in der vier Personen Platz haben, ist sogar beheizt.

Und so schält sich aus den Skizzen Anfang Januar ein einmotoriger Tiefdecker als Favorit heraus. Junkers weiß, dass seine beiden umgemodelten Schlachtflugzeuge des Typs J 10, mit denen er im Februar 1919 je einen Passagier zur Nationalversammlung nach Weimar schaukelt, für größere Visionen nicht taugen.

Junkers F 13: Im Februar wird der Bau des Prototyps begonnen

Am 10. Februar beginnt der Bau des Prototyps, und schon am 24. Juni steht die erste F 13 (die noch als J 13 firmiert) abflugbereit auf dem Werksflugplatz Dessau-Alten/Mosigkau. Herta wird die Maschine später getauft, nach Junkers’ ältester Tochter. Unter der Haube der Werknummer 531 arbeitet ein Mercedes D.IIIa-Sechszylinder mit 160 PS, der in vielen deutschen Kriegsflugzeugen verbaut worden war. Der zweite Prototyp erhält einen 185 PS leistenden BMW IIIa, den berühmten Höhenmotor für Jagdflugzeuge. 

Der Erstflug am 25. Juni vollzieht sich ganz unspektakulär. Schon nach sechs Minuten ist die Sache erledigt, und alle sind hochzufrieden. Die Neukonstruktion ist von Anfang an stimmig; ein erstes Baulos von sechs Exemplaren wird aufgelegt. Nachträglich betrachtet war die Eile beim Bau der F 13 sehr berechtigt: Die knallharten Bedingungen des Versailler Vertrags, der drei Tage später unterschrieben wird und im Januar 1920 in Kraft tritt, hätten die F 13 womöglich gar nicht erst entstehen lassen.

1920 werden 73 Exemplare der Junkers F 13 gebaut

Auch die zweite F 13 bekommt den Namen einer Junkers-Tochter: Annelise. Am 13. September 1919 drängeln sich acht Leute in den Rumpf. Werkspilot Emil Monz und sieben Kollegen als Passagiere klettern über Dessau auf die Weltrekordhöhe von 6750 Metern. Die F 13 braucht dafür akzeptable anderthalb Stunden. Der Rekord ist eine prima Werbung für das Muster.

Leichtbau anno 1919: Hugo Junkers setzt bei seinem Passagierflugzeug ganz auf Metall. Das Know-How für die Bauweise hat er im Krieg mit seinen Militärflugzeugen J 1 und J 9 erworben.

Doch auch ein gutes Flugzeug verkauft sich damals nicht von selbst, wenn es aus Deutschland kommt. Ein Kapitel für sich sind die zahlreichen Knebel, die dem deutschen Flugzeugbau in den ersten Nachkriegsjahren die Luft abschnüren – mit Bauverboten und Beschränkungen. Diese Jahre zwischen 1919 und ’23 erweisen sich als Härtetest. Auch der selbstbewusste Junkers ist gezwungen, mit der alliierten Kontrollkommission zu kooperieren. Sie wirft ein scharfes Auge auf die Erfüllung der Vertragsklauseln und schaut gelegentlich im Werk vorbei. Junkers, der die hypermoderne F 13 als Zivilflugzeug betrachtet, rennt trotzig gegen Restriktionen an. So jongliert er mit Exportlizenzen, um eine Beschlagnahme von Neuflugzeugen zu umgehen; echte Bestellungen sind kaum darunter.

1920 werden immerhin 73 Exemplare seiner F 13 gebaut. Als die Kommission durchgreift, muss im Januar 1922 ein Viertel der F 13-Produktion (die Kommission schätzt 100 Stück) an die Siegermächte abgegeben werden. 

Junkers knüpft Kontakte über Europa hinaus

Bei all dem Ärger denkt Junkers über Europa hinaus. Erste Kontakte in die USA sind geknüpft; 23 Exemplare gehen als JL-6 nach Übersee. Allerdings gerät er an den windigen John Larsen, mit dem er die Junkers-Larsen Aircraft Corporation gegründet hat; das US-Geschäft kommt nie richtig auf die Beine.

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Den langfristigen Erfolg der F 13 können all diese Querschläger nicht aufhalten. Ende 1925 werden 40 Prozent des weltweiten Flugverkehrs mit F 13 bestritten! In den zwölf Produktionsjahren verfeinert Junkers noch manches an dem Typ, der dennoch immer sofort erkennbar bleibt: ein gedrungener Kabinentiefdecker mit weit ausladenden dicken Tragflächen und klaren Rumpflinien, ohne Streben und Spanndrähte. Die Statik hat man buchstäblich nach Innen gewendet; die Amerikaner staunen daher nicht schlecht, als die ersten JL-6 auf ihren Flugfeldern ausrollen. Eine Tür führt in die rundum geschlossene Passagierkabine mit geplosterten Klubsesseln und Heizung. Nie zuvor ist man luxuriöser luftgereist. Pilot und Mechaniker müssen sich einstweilen noch mit einem halb offenen rustikalen Cockpit begnügen.

Mit der Junkers F 13 lassen sich Post, Fracht und Passagiere transportieren

Als Antrieb bevorzugt Junkers den hauseigenen L 5 mit 310 PS, das Ausland hat zum Teil andere Wünsche, in den USA beispielsweise fliegt die F 13 mit BMW IIIa und mit Pratt & Whitney-Sternmotor – das Leistungsspektrum der Triebwerke reicht von 160 bis bis 570 PS. Mit zahllosen Umbauten und Verbesserungen kommt das Flugzeugmuster auf über 60 Varianten.

Mit der F 13 lässt sich alles transportieren: Post, Fracht, Passagiere. Und zwar fast überall: in Südamerika, Russland, im Nahen Osten, China, Japan, Südafrika, im heißen Australien ebenso wie in den Polarregionen Kanadas. In Kolumbien knattert eine F 13 in acht Jahren 400 000 Kilometer ab. Nur in den USA hat Junkers mit seiner F 13 nicht Fuß fassen können. Dramatische Unfälle dort ramponieren das Image des Musters und seiner Bauweise.

1931 wird Junkers F 13 nicht mehr produziert

Erst 1931 endet die Produktion dieses frühen Klassikers des Luftverkehrs; Junkers hat Moderneres im Angebot. Von allen Maschinen waren lediglich ein Drittel in Deutschland zugelassen. Allein die Luft Hansa, die 1926 aus der Junkers-Luftverkehr A. G. entstand, hatte mehr als 50 Stück in ihrer Flotte. Einige davon flogen noch 1939!

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Erstflug Rimowa Junkers F 13

Von den vier vollständig erhalten gebliebenen Exemplaren stehen heute alle in Europa: in Budapest, Stockholm, Paris und München. An eine flugfähige F 13 wagte kaum mehr jemand zu denken, bis eine Gruppe von Enthusiasten um Ex-Rimowa-Chef Dieter Morszeck die Sache anpackte und einen Nachbau im September 2016 in die Luft brachte. Und so werden noch heute, ein Jahrhundert nach dem Erstflug, Passagiere mit dem Klassiker der Verkehrsluftfahrt transportiert.

Text: Stefan Bartmann Fotos: Bildsammlung Stefan Bartmann, ETH Zürich

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