GPS-Ausfall: Wie bereite ich mich als Privatpilot darauf vor?
Kriegsbedingt häufen sich Störungen bei der GPS-Navigation vor allem in Osteuropa.
Piloten sollten auf diese Situation vorbereitet sein und Alternativen kennen.

Globale Satellitennavigationssysteme (Global Navigation Satellite Systems, kurz GNSS) haben die Navigation in der Luft zum Kinderspiel gemacht. Derzeit existieren vier weltweit verfügbare Systeme: das amerikanische GPS, das europäische Galileo, das russische Glonass und das chinesische Beidou. Im Cockpit haben fest verbaute GPS-Geräte und Tablet-Computer mit Navi-App Einzug gehalten.
Die Folge: Das Errechnen von Vorhaltewinkeln und die klassische Funknavigation mit VOR und NDB spielen im fliegerischen Alltag keine große Rolle mehr. Auch die alte Papierkarte hat in Zeiten digitaler und stets aktueller Moving Maps häufig ausgedient.
GPS-Ausfall kommen immer häufiger vor
Problematisch wird es allerdings dann, wenn die satellitengestützte Technik nicht zuverlässig funktioniert und es zum GPS-Ausfall kommt. Und das passiert immer häufiger. In den Kriegsgebieten des Nahen und Mittleren Osten sowie in der Ukraine sind Störungen von GNSS-Signalen ein Mittel der Kriegsführung. Doch seit Beginn der russischen Vollinvasion in der Ukraine sind GPS-Störungen auch nach Europa gekommen: In Kaliningrad und St. Petersburg sowie teils mobil betreibt Russland Störsender. Sie beeinflussen die Satellitennavigation vor allem im Ostseeraum sowie in den baltischen Staaten und in Polen.
Auch in Rumänien und Bulgarien sind GPS-Ausfälle verbreitet. Experten unterscheiden Manipulationstechniken: Jamming und Spoofing. Das Jamming ist die harmlosere Variante. Hierbei werden, vereinfacht ausgedrückt, Störsender (auf Englisch Jammer) eingesetzt, deren Signalstärke wesentlich größer ist als die der Satelliten. Die von den Jammern emittierten Störsignale führen dazu, dass die Navigationsgeräte im Cockpit kein gültiges GNSS-Signal mehr empfangen. Die Folge: Die Geräte können die eigene Position nicht mehr messen und zeigen dies mit entsprechenden Fehlermeldungen an.
Störung oder Fehlinformation
Deutlich tückischer ist das Spoofing, also die Erzeugung eines falschen Signals. Auch hierbei kommen Störsender mit großer Signalstärke zum Einsatz. Das Ziel ist dabei allerdings nicht, den GPS-Empfang im Flugzeug zu unterbinden, sondern die Positionsdaten zu manipulieren. Das bordseitige Empfangsgerät merkt beim Spoofing nicht, dass es sich um ein falsches Signal handelt – es zeigt auf der Moving Map eine falsche Position.
Fliegt das betroffene Luftfahrzeug zu diesem Zeitpunkt mit einem vom GNSS gesteuerten Autopiloten, würde dieser mit einer sofortigen Kurskorrektur reagieren. Dies kann zu gefährlichen Annäherungen zwischen Luftfahrzeugen, Luftraumverletzungen und großen Problemen bei der Navigation führen. Aber auch ohne aufgeschalteten Autopiloten kann es zu Irritationen im Cockpit und in der Folge zu groben Navigationsfehlern kommen. Ein weiteres Symptom einer Spoofing-Attacke kann die Anzeige einer falschen UTC-Uhrzeit sein. Denn die wird ebenfalls von den Navigationssatelliten übermittelt.
Gute Vorbereitung ist wichtig
Doch wie kann man sich als Privatpilot auf solche Attacken vorbereiten? Erster Schritt ist ein Blick in die NOTAMs. Zum Zeitpunkt der Recherche für diesen Text weist zum Beispiel das NOTAM B0541/24 mit dem Titel GNSS AREA-WIDE OPERATIONS auf die Unzuverlässigkeit des GPS-Signals im Nordosten von Deutschland hin. Dort heißt es: »GPS UNRELIABLE AND MAY BE NOT AVBL IN EASTERN PART OF FIR EDWW.« Auch lokal begrenzt, beispielsweise rund um Regierungsgebäude oder in der Nähe von militärischen Übungsgebieten, kann das Jamming gezielt zum Einsatz kommen.
Neben NOTAMs geben Internetseiten wie https://gpsjam.org/ und www.flightradar24.com/data/gps-jamming tagesaktuell Aufschluss darüber, in welchen Regionen mit dem Ausfall oder der Verfälschung der GNSS Signale zu rechnen ist. Auch die OPS Group – ein weltweiter Zusammenschluss von Piloten und Luftfahrtexperten – informiert unter https://ops.group/blog/ nahezu täglich über neue Entwicklungen rund um die Thematik.
Grundsätzlich ist man als VFR-Pilot gut beraten, die Position auf der Karte stets mit der vor dem Fenster sichtbaren Landschaft abzugleichen. Dazu muss die Karte keineswegs auf Papier gedruckt sein: Auch Moving Maps im Panel oder in der App, die keine GPS-Position anzeigen, können weiter als Luftfahrtkarte genutzt werden. Dabei ist allerdings manuelles Verschieben des Kartenausschnitts gefragt – also muss der Pilot schon weit vor einem Ausfall wissen, wie das geht. Auf dem Tablet genügt dazu meist ein Ziehen mit dem Finger. Am Panel muss meist mit einem Knopf der Cursor aktiviert werden, der sich dann bewegen lässt.
Der Kompass funktioniert noch
Ebenso sollte man wissen, wie das digital generierte Navlog aufgerufen wird. Dort stehen die zu fliegenden Steuerkurse – der Kompass funktioniert ja noch. Auch eine Auffrischung der Funknavigationskenntnisse ist sinnvoll. Trotz Rückbau sind in Europa noch ausreichend VORs, DMEs und NDBs vorhanden, um die eigene Position per (Kreuz-)Peilung zu ermitteln. Bei Orientierungsverlust hilft natürlich auch die Flugsicherung mit der Angabe von Steuerkurs-Empfehlungen.
Kritisch können GNSS-Ausfälle bei Flügen nach Instrumentenflugregeln vor allem in IMC-Bedingungen sein. Hier gibt es nur zwei Möglichkeiten: das Erbitten von Steuerkursen, also Radar Vektoren, oder der Wechsel zur bodengestützten Funknavigation. Durch den GPS-Ausfall verliert man unter Umständen die für den jeweiligen Flugabschnitt erforderliche navigatorische Genauigkeit (RNP, Required Navigation Performance). Dies ist unverzüglich der Flugsicherung zu melden. GNSS-basierte Anflüge wie LPV oder LNAV/VNAV sind mit ausgefallenen oder gestörten Systemen logischerweise nicht möglich. Es bedarf also eines alternativen Verfahrens am Zielort oder der Landung an einem Ausweichflugplatz.
Mobile Geräte oft weniger von GPS-Ausfall betroffen
Doch egal ob VFR- oder IFR-Pilot: In jedem Fall ist es ratsam, sich damit zu beschäftigen, welche Funktionalitäten im (Glas-)Cockpit nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn auf das GNSS-Signal kein Verlass mehr ist. Das können nämlich – je nach verbauter Avionik – mehr sein, als man sich vorzustellen vermag. Beispiele hierfür sind Synthetic-Vision-Systeme, Terrain-Warnungen, die Verkehrs- oder Windanzeige sowie das ADS-B-Out-Signal. Inzwischen gibt es auch Apps, wie zum Beispiel das kostenlose Programm NaviGuard des US amerikanischen Softwareunternehmens APG, die der Crew beim Aufspüren von Signalstörungen behilflich sind. NaviGuard alarmiert den Piloten beim Auftreten von Unregelmäßigkeiten des GNSS-Signals und hilft anschließend beim Mitplotten der eigenen Position anhand von VOR & Co.
Bemerkenswert ist, dass Smartphones und Tablets oft weniger empfindlich auf Störungen des GNSS-Signals reagieren. Der Grund: Bei Luftfahrt zertifizierten Geräten sind die Anforderungen an die Signalqualität höher. Außerdem nutzen Smartphones und Tablets häufig mehrere GNNS-Quellen parallel – beispielsweise GPS und Glonass. Die Bord-Avionik dagegen verwendet meist nur das amerikanische GPS. Piloten sollten sich nicht darauf verlassen, dass mit Ende der Signalstörung alles sofort wieder wie gewohnt funktioniert. Nach Spoofing- Attacken müssen einige Geräte am Boden komplett zurückgesetzt werden. Auch kann es einige Zeit dauern, bis sich alle Komponenten von einem Ausfall »erholt« haben.
GPS-Ausfall als Pilot einkalkulieren
Alles in allem ist es ratsam, Flüge so vorzubereiten, dass man im Fall eines Ausfalls bei der Navigation nicht von GNSS abhängig ist. Eigentlich sollte dies selbstverständlich sein. Doch weil die Technik in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer zuverlässiger wurde, mag sich bei dem ein oder anderen etwas Sorglosigkeit eingeschlichen haben – zumal, wenn neben dem fest im Flugzeug installierten GPS auch noch ein Tablet oder Smartphone als redundantes Gerät an Bord ist.
Auch wenn eine schwerwiegende Störung in Deutschland nach derzeitigem Stand unwahrscheinlich ist, gilt wie so oft in der Luftfahrt »Always expect the unexpected«. Denn die Situation ist hoch volatil und dynamisch. Fast täglich kommt es zu neuen Entwicklungen, die schnell auch den deutschen Luftraum betreffen können. Im Sinne von Good Airmanship ist also jeder Pilot gut beraten, den entsprechenden Auswirkungen mit einer umsichtigen Flugplanung und -durchführung zu begegnen.
Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.
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