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ICAO-Sprachnachweis: Mittlerweile auch Online von zu Hause

Die meisten Piloten müssen alle paar Jahre ihre englischen Sprachkenntnisse erneut nachweisen. Online ging das vor Corona nur bei Prüfstellen im europäischen Ausland. Doch seit Januar 2021 können auch Sprachprüfungen im Aufsichtsbereich des LBA von zu Hause am Rechner abgelegt werden.

Von Martin Schenkemeyer
Vorreiterin Verena Schuster war die erste Sprachprüferin, die mit ihrem Unternehmen Push-2-Talk Tests unter LBA-Aufsicht online durchführen durfte.

Zu Zeiten der Corona-Pandemie sind Online-Meetings im Arbeitsalltag vieler Menschen normal geworden. Die einen mögen sie, anderen fehlt der persönliche Austausch mit den Kollegen im Büro. Auch in der Fliegerei, vor allem im Bereich der Schulung, gibt es verschiedene Anwendungsmöglichkeiten für Online-Zusammenkünfte. Eine davon sind Prüfungen zum ICAO-Sprachnachweis, die – angetrieben durch die Pandemie – immer mehr Anbieter über das Internet offerieren.

Zur Erinnerung: Gemäß EU-Vorschrift FCL.055 muss jeder Pilot einen ICAO-konformen Nachweis seiner Sprachfertigkeiten entweder in Englisch erbringen oder in der Sprache, in der gefunkt wird. Dieser wird in der Regel in die Lizenz eingetragen. Nachzuweisen sind mindestens Kenntnisse des Level 4 – und zwar alle vier Jahre. Das nächsthöhere Level 5 hat eine Gültigkeit von sechs Jahren. Das höchste Level 6 bleibt einem lebenslang erhalten.

Lebenslang gültiger Spracheintrag für Muttersprachler

Deutsche Muttersprachler (die Bedingungen sind genau festgelegt) erhalten den lebenslang gültigen Eintrag Level 6 für Deutsch ohne Prüfung. Für den Nachweis in Englisch dagegen muss man zu einem Sprachprüfer. Die zum Erwerb des jeweiligen Levels notwendige Erstprüfung muss man sogar bei einer Language Testing Organisation (LTO) ablegen. Viele Flugschulen sind zugelassene LTOs, aber es gibt auch einige Unternehmen, die keine Pilotenausbildung anbieten und sich auf Sprachprüfungen spezialisiert haben.

Die ICAO-Sprachnachweis-Prüfungen selbst bestehen aus zwei verschiedenen Teilen. Beim »Hörverstehen« wird ein luftfahrtspezifischer Text abgespielt, zu dem der Prüfling Multiple-Choice-Fragen beantworten muss. Im zweiten Teil, »Sprechfertigkeiten«, muss der Kandidat ein Bild beschreiben. Anschließend bekommt er individuelle Fragen mit Luftfahrtbezug gestellt.

Für eins der Motive auf dem Bildschirm muss sich der Prüfling entscheiden – und dann auf Englisch darüber sprechen (im Bild bei SierraMike).

Verlängerung des ICAO-Sprachnachweises ebenfalls online

Level 4 und 5 können frühestens drei Monate vor Ablauf mit einer Verlängerungsprüfung verlängert werden, wenn das bisherige Ablaufdatum erhalten bleiben soll. Bei früherer Verlängerung verlegt sich das Ablaufdatum entsprechend vor. Ist der Level einmal abgelaufen, wird erneut eine Erstprüfung fällig. Eine Verlängerung bescheinigt ein Prüfer mittels Handeintrag in die Lizenz. Den Teil »Hörverstehen« kann ein Pilot bei einer Verlängerungsprüfung für Level 4 auch durch einen Check- oder Schulungsflug zur Verlängerung der Klassenberechtigung ersetzen, bei dem er den Sprechfunkverkehr in englischer Sprache durchführt – wenn der Lehrer/Prüfer zugleich Sprachprüfer ist.

Das beschriebene Prüfverfahren zu digitalisieren und über das Internet abzuwickeln scheint mit der heutigen Technologie ohne Probleme möglich zu sein. Und so verwundert es kaum, dass schon vor einigen Jahren erste Anbieter auf die Idee kamen den ICAO-Sprachnachweis online anzubieten. Einer der Vorreiter kam mit ILPT.net (heute Aviation eLearning) aus Dänemark. Dieser setzte bereits früh auf ein Online-Verfahren.

ICAO-Sprachnachweise online: Seit Januar 2021 Leitlinien

Inzwischen tummeln sich eine Vielzahl von Anbietern auf dem Markt, von denen die meisten unter der Aufsicht einer ausländischen Luftfahrtbehörde stehen. Das deutsche Luftfahrt-Bundesamt (LBA) hat sich nämlich erst im Zug der Corona-Pandemie mit der Gestaltung von Leitlinien für die Genehmigung von Online-Prüfverfahren des ICAO-Sprachnachweises beschäftigt. Am 13. Januar 2021 veröffentlichte es die Leitlinien schließlich.

So verwundert es kaum, dass es mit Push-to-Talk aus Benningen am Neckar bis Anfang 2021 nur einen Anbieter gab, der unter Aufsicht des LBA Online-Sprachprüfungen durchführt. Im Rahmen der Zertifizierung hat Firmengründerin Verena Schuster seit April 2020 eng mit dem LBA zusammengearbeitet. Sie hat die Leitlinien für Online-Sprachprüfungen mit auf den Weg gebracht. So hielt sie bereits am 15. Januar 2021 die entsprechende Genehmigung in den Händen.

»Für unsere Kunden ist es einfacher, wenn alles in einer Hand bleibt und das Sprachlevel direkt durch das LBA eingetragen wird. Damit entfallen Anerkennungs- und Umschreibungsprozesse«, so Schuster.

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Anerkennung und Umschreibung von ICAO-Sprachnachweisen

Apropos Anerkennung und Umschreibung: Zur Akzeptanz von LTOs, die Prüfungen durchführen und nicht unter der Aufsicht des Luftfahrt-Bundesamts stehen, gab das LBA gegenüber dem fliegermagazin folgende Auskunft:

»Aktuell können sämtliche Nachweise von Sprachkenntnissen anerkannt werden, sofern diese nachweislich nach einer von der zuständigen Behörde eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union festgelegten Bewertungsmethode erworben worden sind. Über die Anerkennung wird nach Eingang des jeweiligen Antrags durch die lizenzführende Behörde entschieden.«

Push-to-Talk: ICAO-Sprachnachweis Online ablegen

So sollten Aspiranten bei ICAO-Sprachnachweis-Angeboten ausländischer Anbieter stets vorab prüfen, ob eine Anerkennung durch die zuständige deutsche Luftfahrtbehörde möglich ist. Zwar ist das bei den meisten Anbietern, die damit werben, der Fall. Allerdings gab es in der Vergangenheit immer wieder schwarze Schafe, deren Prüfungen von deutschen Behörden nicht anerkannt wurden.

Diese Sorgen haben Kunden von Push-to-Talk nicht: Das Unternehmen bietet Erst- und Verlängerungsprüfungen für alle Englisch- und auch für alle Deutsch-Sprachlevel sowohl online als auch offline an. Bei der Web-Lösung kommt die Kommunikationssoftware »WebEx« zum Einsatz.

Einfacher Ablauf mit direktem Kontakt zum Prüfer

Michael Fröhlig ist einer von knapp 40 Prüfern aus aller Welt, die beim österreichischen Sprachtester SierraMike von Sabine Mertens arbeiten.

Der Ablauf einer Online-Prüfung ist denkbar simpel: Der Prüfling loggt sich via WebEx ein und steht direkt mit der Prüferin oder dem Prüfer in Kontakt. Zunächst klärt man allgemeine Fragen. Dann erläutert man den Ablauf der Prüfung. »Der Zugang zum ersten Prüfungsteil ist nur einmal nutzbar und für eine begrenzte Zeit gültig. Der Kandidat kann den Zugang also nicht an Dritte weitergeben«, erklärt Verena Schuster, die selbst als Sprachprüferin tätig ist.

Im Anschluss geht es los mit dem Hörverstehen-Teil, bei dem der Prüfling Multiple-Choice-Fragen zum vorgespielten Text per Mausklick beantwortet. Beim zweiten Teil, den Sprechfertigkeiten, kommuniziert der Prüfling dann direkt mit dem Prüfer.

Schutz gegen Schummeln: Bildschirmfreigabe, Kopfhörer, PC

Wie andere Luftfahrtbehörden stellt auch das LBA hohe Anforderungen an das so genannte »Proctoring«, das Verhindern von Betrug im Rahmen der Sprachprüfung durch eine entsprechende Beaufsichtigung seitens der Prüforganisation. Um zu vermeiden, dass ein Dritter mithört, muss der Kandidat einen Kopfhörer tragen und darf ausschließlich einen Laptop oder PC verwenden. Smartphones und Tablets sind nicht zugelassen.

Für die Prüfung muss der Bewerber den eigenen Bildschirm freigeben und seine Webcam einschalten, sodass er beobachtet werden kann. Dadurch sind Betrugsversuche erkennbar, und es ist für den Prüfer ersichtlich, ob sein Gegenüber unerlaubte Screenshots von der Prüfungssituation macht. Darüber hinaus verhindert das Prüfungsprogramm, dass beim Prüfen des Hörverständnisses im Internetbrowser mehr als ein Tab geöffnet wird.

Prüfungsaufzeichnung notwendig: ICAO-Sprachnachweis online

Wer die Prüfung online ablegen möchte, muss deren Aufzeichnung zustimmen. Denn im Nachhinein sieht sich ein zweiter Prüfer die Aufnahme an. Erst wenn der sein »Go« gibt, wird das Prüfungsprotokoll erstellt und an die zuständige Luftfahrtbehörde geschickt. »Das klingt aber alles komplizierter, als es ist. Innerhalb von einer Stunde ist die Prüfung in der Regel erledigt, und es werden natürlich alle Datenschutz-Vorgaben eingehalten«, erklärt Schuster. Und so sind die Kunden von Push-to-Talk bislang sehr zufrieden mit der neuen Möglichkeit den ICAO-Sprachnachweis online zu machen und nehmen diese rege in Anspruch.

Österreich: Individuelle Sprachprüfung Online

Ähnliches berichtet auch Sprachprüfer und fliegermagazin-Autor Michael Fröhling. Er ist für das österreichische Unternehmen SierraMike von Sabine Mertens aus Innsbruck tätig, das neben der herkömmlichen Variante vor Ort bereits seit Jahren Online-Sprachprüfungen für die Sprachlevel 4 bis 6 anbietet. Dabei agiert die LTO unter Aufsicht von Austro Control.

Eine Besonderheit bei SierraMike ist die eigens entwickelte, individualisierte Prüfungssoftware. Sie schneidet die jeweilige Prüfung auf die Bedürfnisse des Prüflings zu. »Ein angehender Helikopter-Pilot bekommt so zum Beispiel Fragen zu Themen rund um das Helikopterfliegen gestellt. Dadurch erhält der zu prüfende Pilot die Möglichkeit, seine Sprachfertigkeiten gezielt im Hinblick auf sein Tätigkeitsfeld zu demonstrieren, was die Erfolgsquote signifikant verbessert«, erklärt Fröhling.

ICAO-Sprachnachweis Online: ausdrucken und abschicken

Die Anerkennung von Prüfungen, die bei SierraMike durchgeführt werden, durch andere und insbesondere deutsche Luftfahrtbehörden ist dabei kein Problem. »Der Prüfling bekommt das Prüfungszertifikat ein bis zwei Tage später per Mail, druckt es aus und schickt es an die lizenzführende Luftfahrtbehörde. Die nimmt dann den Lizenzeintrag vor«, so Fröhling.

Knapp 40 Prüferinnen und Prüfer sind derzeit international für das Unternehmen tätig (Stand: 2021). Es wurde 2008 gegründet und war der erste Aviation Language Assessment Body (LAB, so heißt die österreichische Variante der LTO). Neben den Prüfungen bietet das Team um Firmengründerin Mertens auch Online-Sprachtraining an und setzt dabei ebenfalls auf Software-Eigenentwicklungen.

Corona-Pandemie: Entwicklung der Online-Sprachprüfungen

Mit Trainingsapps lässt sich die Sprachprüfung vorbereiten, indem man etwa Vokabeln übt.

Sowohl für iOS als auch für Android hat SierraMike seit geraumer Zeit einen Pilot Vocabulary Trainer als App im Angebot, mit dem Piloten ihren Luftfahrt-Wortschatz trainieren können. Damit die Prüfungskandidaten ihre Leistung vorab klar einschätzen können, bietet SierraMike zudem preiswerte Probetests auch als Online-Variante an.

So scheint die Corona-Pandemie zumindest die Entwicklung rund um Online-Sprachprüfungen beschleunigt zu haben. Immer mehr Anbieter drängen auf den Online-Markt, und auch Luftfahrtbehörden springen auf den Zug auf. Die Möglichkeit, Sprachprüfungen ganz bequem und online von zu Hause abzulegen, dürfte zukünftig jedenfalls vieles einfacher machen.

Text: Martin Schenkemeyer

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Über den Autor
Martin Schenkemeyer

Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.

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