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Intersection Take-off – Was an Piste übrig bleibt

An Verkehrsflughäfen und manchen kleineren Plätzen ist
der Start von einer Kreuzung an der Piste üblich und auch
sinnvoll. Dabei sollte Einiges bedacht werden.

Von Redaktion
Klare Kennzeichnung: Das Schild zeigt die in Pfeilrichtung verbleibende Startrollstrecke (Take-off Run Available, kurz TORA) von der Intersection aus. Bild: Helmut Lage

Bisher mussten Towerlotsen beim Piloten nachfragen, um Kleinflugzeuge von einer Intersection mit einer verkürzten Startstrecke abheben zu lassen. Eine Sprechgruppe wie »Ist der Abflug von Piste 28 Rollbahneinmündung Bravo möglich? Die verfügbare Startlaufstrecke beträgt 1.962 Meter« war obligatorisch. Das galt, selbst wenn klar war, dass das Flugzeugmuster viel weniger Startstrecke benötigt. Glücklicherweise hat dann irgendjemand erkannt, dass für Flugzeuge unter 2000 Kilogramm MTOM eine Strecke von fast zwei Kilometern Länge immer ausreicht – und in der AIP das Verfahren umgekehrt. Nun kann der Tower den Start an der Kreuzung einfach zuweisen. Der Pilot einer Einmot muss im Gegenzug die volle Pistenlänge anfordern, sofern er diese ausnutzen möchte. Der Tower darf dann diese Bitte nicht ablehnen.

Es gibt eine Reihe von Argumenten für und gegen den Verzicht auf einen Teil der Bahnlänge. Grundsätzlich gibt es in der Fliegerei nichts Nutzloseres als die »Runway behind« – also die nicht genutzte Piste hinter dem Flugzeug. Das gilt für Flughäfen und Verkehrslandeplätze gleichermaßen. Warum sollte man auf etwas verzichten, was letztlich mehr Sicherheit bietet? Je mehr Startstrecke, desto mehr Zeit und Platz, auf mögliche Störungen zu reagieren. Hat man bei 50 Prozent der errechneten Startstrecke noch nicht 70 Prozent der Abhebegeschwindigkeit erreicht, bleibt mehr Spielraum für eine Entscheidung zum Startabbruch.

Keine Strecke verschenken: Die Startstrecke beginnt hier schon vor dem zur Landung markierten Bereich. Ein Backtrack zum Ausnutzen der vollen Bahnlänge ist bei kurzen Pisten auf jeden Fall sinnvoll.
Bild: Helmut Lage

Immer wieder kann man beobachten, dass auf einem Trainingsflugplätze das für den Take-off verfügbare Teilstück vor der versetzten Schwelle der 700 Meter-Piste ungenutzt bleibt. Aus Bequemlichkeit starten Piloten von der Einmündung des Rollwegs, statt mit einem Backtrack erst noch fünfzig Meter zurückzurollen. Wie ärgerlich, wenn man dann nach einem Startabbruch nicht mehr rechtzeitig zum Stehen kommt und von der Bahn ins Grüne rollt.

Optionen an der Kreuzung

Anders sieht es bei einem Verkehrsflughafen mit langer Piste aus. Hier darf man sich fragen, ob ein langer Umweg von der Abstellfläche der Allgemeinen Luftfahrt zum Pistenanfang sinnvoll ist. Möglicherweise rollt man dabei auch noch minutenlang im Jetblast hinter einem Airliner her und wird am Rollhalt von dessen Abgasen eingenebelt. Hinzu kommt, dass man in einer möglichen Warteschlange landet. Der Tower verliert so die Option, zunächst einmal die Großen herauszuschicken, die schon im Stand ein Vielfaches des Sprits einer Einmot verbrauchen. Außerdem haben Airliner sehr häufig eine CTOT (Calculated Take-off time), die ihnen ein definiertes Zeitfenster für den Start vorschreibt. Andererseits: Steht eine Einmot vor verkürzter Piste an einer Kreuzung, kann sie von dort vielleicht zwischengeschoben werden – in der Schlange geht das nicht.

Es kann beim Insistieren auf die volle Pistenlänge sehr wohl passieren, dass man an der Parkposition so lange auf eine Rollfreigabe wartet, bis alle Airliner in der Luft sind. Wer lange hinter anderen Flugzeugen auf seinen Start warten muss, verliert Zeit und Geld. Im ungünstigsten Fall geht sogar die Chance verloren, rechtzeitig das Ziel zu erreichen, bevor der Platz schließt oder die Nacht hereinbricht. Da steht man doch besser an einer Intersection, um auch eine kleine Lücke im an- beziehungsweise abfliegenden Verkehr nutzen zu können und sich nach dem Abheben schnell in Richtung Pflichtmeldepunkt verabschiedet. So wird die Piste schnell wieder frei für »die Großen«.

Den Stau meiden: Wer beim Tower um einen Intersection Take-off bittet, dem bleibt manchmal die Schlange der größeren Maschinen erspart, weil er seinen Zugang an einer Kreuzung bekommt.
Bild: Helmut Lage

In jedem Fall ermöglicht die Nutzung mehrerer Einmündungen den Towerlotsen mehr Flexibilität in der Abflugreihenfolge und damit eine effizientere Nutzung der Startbahn. Auf dem Airport Paris Charles de Gaule stehen die Airliner zum Teil auf drei verschiedenen Intersections vorsortiert startbereit, um sie möglichst eng gestaffelt auf verschiedene Abflugstrecken zu schicken. Das mag für Flughäfen mit gemischtem Verkehr zwischen Jets und Einmots auf einer anderen Ebene relevant sein – nämlich bei wechselseitigen Startfreigaben für VFR- und IFR-Verkehr sowie für Flugzeuge verschiedener Geschwindigkeitskategorien. So können entstehende Lücken sehr viel effizienter genutzt werden.

Pistenlänge sicher kalkulieren

Allerdings ergibt sich in diesem Zusammenhang die allgegenwärtige Frage der Fliegerei: die Abwägung zwischen Wirtschaftlichkeit und Sicherheit. Intersection Take-offs sind auch immer mit Risiken verbunden. Der bereits erwähnte Verzicht auf einen Teil der Startbahn kann sich vor allem bei kleineren Flugplätzen rächen. Auf den ersten Blick mag dieses Szenario auf der langen Startbahn eines Verkehrsflughafens vernachlässigbar sein. Da kann man doch selbst nach dem Abheben noch auf verbleibender Piste landen, oder? Wer das einmal für sein Flugzeug mit Hilfe der Berechnungen von Start- und Landestrecke durchkalkuliert hat, wird zu dem Schluss kommen, dass diese Option schnell an ihre Grenzen gelangt. Selbst bei einer verbleibenden Startstrecke von 2.000 Metern sollte man mit einer gängigen Einmot nicht viel höher als 100 Fuß gestiegen sein, um noch vor dem Ende der Runway zum Stehen zu kommen.

Bei Nutzung der vollen Länge ergeben sich bei einem Triebwerksausfall unter Umständen sogar Perspektiven für eine Rückkehr, für die es nach dem Abheben auf kurzer Piste kaum eine Chance gibt. Bevor man die für eine Umkehrkurve erforderlichen 1000 Fuß Höhe erreicht hat, ist man dort schon zu weit vom Pistenende entfernt, um es wieder erreichen zu können. Nicht so, wenn man diesen Abstand zum Boden fast schon über dem Ende einer langen Startbahn erreicht. Dann befindet man sich bei einem EFTO (Engine failure upon take-off) in einer deutlich günstigeren und somit sichereren Position für eine Rückkehr zum sicheren Hafen.

Wichtiger Check: Beim Aufrollen auf die Piste sollten Startstrecke und Startrichtung kurz überprüft werden.
Bild: Helmut Lage

Die Nutzung von Intersections birgt weitere Gefahren, die auf Flugplätzen wie Flughäfen schon zu Verwirrung oder gar Unfällen geführt haben. Jeder, der eine Piste anfliegt, hat deren Beginn im Fokus, vor allem, wenn schon Flugzeuge am Rollhalt stehen. Sollten diese unangekündigt oder ohne Freigabe auf die Bahn rollen, würde sofort ein Durchstartmanöver erfolgen. Eine Runway Incursion, also ein unberechtigtes beziehungsweise unangekündigtes Rollen auf eine aktive Startbahn, könnte an einer späteren Einmündung eher übersehen oder zu spät bemerkt werden. Hat die anfliegende Maschine bereits aufgesetzt, gibt es kaum noch eine Chance, einem Zusammenstoß mit gravierendsten Folgen zu entrinnen.

Alle Rollhalte im Blick behalten

Am Flughafen Charles de Gaulle in Paris ereignete sich im Jahr 2000 ein Unfall, der unter anderem auf die Nutzung einer Intersection zurückzuführen war. Eine Shorts 330 überhörte, dass sie erst als Nummer zwei auf die Bahn rollen sollte, nachdem eine MD-83 als Nummer eins am Beginn der Startbahn gerade die Startfreigabe erhalten hatte. Die wurde auch noch auf Französisch erteilt und so von der Crew der Shorts nicht wahrgenommen.

Volle Konzentration – Wer dem Funkverkehr folgt, der weiß, dass erst noch einer abhebt, bevor man aufrollen darf. Bild: Helmut Lage

Eine sprachliche Barriere ist auch an deutschen Flughäfen mit gemischtem Verkehr nicht auszuschließen, wenn mit Piloten der Allgemeinen Luftfahrt auf Deutsch gefunkt wird. Aber immerhin wurde damals die Phraseologie geändert, um ganz klar zu machen, dass ein anderes Flugzeug abgewartet werden muss: »Hinter landender/abfliegender Boeing 737 rollen Sie zum Abflugpunkt Piste 28 DAHINTER.« Oder: »Behind landing Boeing 737 line up Runway 28 BEHIND.« Das zweite Dahinter/Behind muss genau so zurückgelesen werden!

Vorsicht vor Wirbel!

Bei gemischtem Verkehr spielt das Thema Wirbelschleppen immer eine Rolle, in ganz besonderem Maße aber bei einem Intersection Take-off. Startet eine Einmot vom Beginn der Piste, hat sie eine Chance, oberhalb des Abflugwinkels eines zuvor gestarteten Airliners zu bleiben, bevor sie zu ihrem Ausflugpunkt abbiegt. Liegt ihr Abhebepunkt jedoch sehr viel näher an dem der gerade erst gestarteten Maschine, könnte sie noch in deren Turbulenzen hineingeraten, wenn sie nicht einen gehörigen Abstand dazu einhält. Der Tower gibt dem Verkehrsflugzeug in der Regel einen Vorsprung von fünf Meilen, was nicht viel mehr als zwei Minuten ausmacht. Vor allem bei Windstille, wenn sich die Wirbel besonders lange halten, sollte man auf mindestens drei Minuten Abstand bestehen und dieses auch gleich beim Umschalten auf die Turmfrequenz ankündigen, damit man sich dort darauf einstellen kann.

Eine ähnliche Zusammenarbeit ist bei der Landung gefordert, wenn vor einer Einmot ein Schwergewicht aufgesetzt hat. In aller Regel wird mit der Landefreigabe der Hinweis auf mögliche Wirbelschleppen verknüpft. Das bedeutet, dass man über dem Gleitpfad bleiben und hinter dem Aufsetzpunkt des Vorgängers landen sollte, um dann über einen späteren Taxiway abzurollen. Eine etwaige Bitte des Turms um eine kurze Landung wäre abzulehnen. Eine besonders kurze Landung, um an einer früheren Einmündung abzurollen, ist selbst ohne Wirbelschleppen keine gute Idee, weil es den Verschleiß der Bremsbeläge beschleunigt. Bei einer besonders langen Landung, um erst am Ende abzurollen, kann man sich allerdings auch mal verschätzen.

Jede Menge Auswahl – ein zur Piste paralleler Rollweg hat meist mehrere Einmündungen auf die Runway. Dann besteht die Option zum zeitsparenden Intersection Take-off.
Bild: Helmut Lage

An kleineren Plätzen mit durchaus langer Bahn gibt es oft keinen parallelen Taxiway. Wenn dort irgendwo in der Mitte der Rollweg mündet, dann geht es bei der Frage »Backtrack oder nicht?« vor allem um Zeit. Wollen noch andere starten oder landen, ist es auch ein Gebot der Airmanship, nach Möglichkeit gleich von der Intersection zu starten. Ob man die gesamte Bahn nutzen möchte oder nur einen Teil, hängt von vielen Faktoren der aktuellen Situation ab. Sogar das Gelände kann eine Rolle spielen. Bei der Abwägung Gewinn gegen Risiko sollte immer der gesunde Menschenverstand zu einer vernünftigen Entscheidung führen.

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Text und Fotos: Helmut Lage

Schlagwörter
  • Intersection
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  • Rollhalt