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Modernisierung: Eine C42A bekommt eine Oratex-Bespannung

Tuchhüllen, die über ein Gestell gezogen sind – das ist die klassische UL-Bauweise „Rohr-Tuch“, wie bei Drachen oder im Segelsport. Eine Bespannung hingegen, die mit der Flugzeugstruktur verklebt ist, gilt als „richtige Bespannung“. Beim UL-Bestseller C42 ist der Umbau möglich.

Von Redaktion
Reiseflug
Gewinn beim Reisen: Mit 75 Prozent Leistung kommt die modifizierte C42A auf 160 km/h. Zuvor brauchte sie dazu Vollgas. Foto: Marino Boric

Jung, dynamisch, zuverlässig. Nein, ich meine nicht die C42A, die auf dem Flugplatz Heinsberg-Selfkant nördlich von Aachen vor mir steht. Es ist der Eindruck, den ihr Besitzer Heiner Tholen auf mich macht, während er mir die Gründe für die Neubespannung seines Fliegers erläutert. Entscheidend daran mitgewirkt hat Lanitz-Mitarbeiter Claus Kalveram. Lanitz Aviation stellt den Bespannstoff Oratex her, mit dem die Modernisierung der C42A erst möglich wurde.

Was ist das für ein Material? Im Gegensatz zu konventionellem Bespannstoff wie Ceconite oder Diatex ist Oratex bereits vom Hersteller eingefärbt, zahlreiche Farbtöne einschließlich Weiß sind verfügbar. Nach dem Bespannen entfällt jede weitere Behandlung (Grundieren, Lackieren); Nachlackieren im gewünschten Farbton ist möglich. Oratex wird mit Dispersionsheißsiegelkleber auf die Flugzeugstruktur geklebt und mit Hitze gespannt, es enthält einen UV-Schutz, ist nicht brennbar und lässt sich immer wieder nachschrumpfen. Durch STCs und behördliche Anerkennung fliegen mittlerweile auch zahlreiche luftfahrtzugelassene Flugzeugmuster mit dieser modernen Bespannung.

„Design Change“: Die Oratex-Bespannung verbessert das Flugverhalten der C42

In Heinsberg-Selfkant steht noch eine C42 neben Heiners Flieger, eine C-Version – zum Vergleich. Doch warum sollte man an der grundsoliden, bewährten Bauweise des Comco-Klassikers etwas ändern, schließlich ist der Typ das meistverkaufte UL in Deutschland?

Nase vornNase vorn
Die Nase vorn: Links eine C42C, rechts die umgebaute C42A mit Oratex-Bespannung. Durch Widerstandseinsparung gegenüber „Rohr-Tuch“ überholt die „A“ die modernere „C“.

Heiner holt aus: Eigentlich flog seine D-MWFS nicht schlecht, doch er wollte mehr: Reisegeschwindigkeit, Reichweite und Steigvermögen. Auch ein agileres Handling stand auf seiner Wunschliste. Er wusste, dass ein 100-PS-Motor die Performnance verbessern würde, aber er liebte den genügsamen Basismotor mit 80 PS und sein UL sowieso; umsteigen auf etwas Moderneres war keine Option. Nachdem er Claus Kalveram kennengelernt hatte, stand fest: Die D-MWFS wird verjüngt!

Erste Umrüstung bei einer C22

Schon 2017 hatte der Lanitz-Mitarbeiter erste Erfahrungen gesammelt bei der Umrüstung von Rohr-Tuch auf „richtige“ Bespannung, zunächst bei einer C22. Es folgten fünf C42. Grundlage für die Umbauten war das „Lanitz Aviation Design Change“, das in den Kennblättern des Comco-Hochdeckers vermerkt ist.

Rohr-TuchRohr-Tuch
„Rohr-Tuch“ ohne Tuch: Die Struktur der Original-C42-Tragfläche besteht aus jeweils einem Alurohr als Nasen- und als Endholm, verbunden mit dünneren Rohren. Querruder und Flaps werden am Endholm angelenkt.

Schon bevor Heiners C42A ausgetucht war, wusste Claus, dass es nicht möglich war, das Oratex-Gewebe einfach auf die Originalstruktur der C42A-Tragfläche zu kleben: Die Segellatten mussten durch feste Rippen aus Holz ersetzt werden. Auf diese Weise er hielten die Flügel ein präzise definiertes S-Schlag-Profil; beim Original lässt die Profiltreue wegen der Rohr-Tuch-Bauweise zu wünschen übrig. Eine feste Flügelnase aus Airex-Hartschaumsandwich ergänzte die Umrüstung, bei Claus’ vorigen Umbauten bestanden die Flügelnasen aus Holz. Von Haus aus hat die C42A in der Eintrittskante nur ein Alurohr.

Der Mikro-Vortex-Effekt der Bespannung verbessert die Flugeigenschaften

Auf die Holzrippen und die Holme klebten Heiner und Claus das Oratexgewebe und spannten es durch Wärme. Willkommener Nebeneffekt der neuen Oberfläche: Ein Mikro-Vortex-Effekt verbessert die aerodynamischen Eigenschaften – der kritische Anstellwinkel vergrößert sich, die Strömung liegt länger an, die Stallspeed sinkt. Diesen Vorteil haben Versuche an der Universität Köln bestätigt, bald soll der Mikro-Vortex-Effekt in einer Versuchsreihe in Zusammenarbeit mit dem DLR weiter untersucht werden.

Seitenleitwerk profiliertSeitenleitwerk profiliert
Profiliert: Wo es vorher nur eine „ebene Platte“ gab, verleihen Hartschaumrippen dem Seitenleitwerk einen aerodynamisch günstigeren Querschnitt.

Als erste C42A erhielt Heiners UL darüber hinaus ein profiliertes Seitenleitwerk mit festen Rippen, Ruderspaltabdichtungen aus Mylar-Band sowie Abrisskanten an den Rudern und Klappen. Zusätzlich verpasste man der D-MWFS die Winglets der C42C sowie deren aerodynamische Übergänge an Flügelstreben und -wurzeln sowie Radverkleidungen; bei meinem Besuch waren jene an den Haupträdern gerade abgenommen. Weitere aerodynamische Verbesserungen wie ein profiliertes Höhenleitwerk sind geplant.

Auflasten auf 540 Kilo

Mitten im Projekt entschied man sich kurzerhand, das Luftsportgerät von 472,5 auf 540 Kilo aufzulasten (bei der C- und der CS-Version wären 560 Kilo Höchstabflugmasse möglich). Als Krönung bekam der Flieger dann noch einen neuen Helix-Propeller.

Helix-PropellerHelix-Propeller
Wenn schon, denn schon Zu guter Letzt spendierte der C42A-Besitzer seinem UL einen neuen Helix-Dreiblatt-Propeller.

Beim Besuch in Heinsberg-Selfkant wirkt Heiners C42A auf mich wesentlich zeitgemäßer als das Original. Das liegt vor allem an der völlig unterschiedlichen Flügeloberfläche: Die Oratex-Haut ist glatter als das Segeltuch der Serienversion und glänzt, fast wie metallbeplankt. Besonders die Anströmkante gibt der umgerüsteten Maschine ein modernes Aussehen.

Steigrate verdoppelt

Im Flug zeigt sich, dass sich die Umbauten gelohnt haben. Mit Heiner und mir an Bord steigt die D-MWFS mit fast vollen Tanks ungefähr doppelt so schnell wie die unveränderte C42A: mit etwa vier Metern pro Sekunde. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt nun 185 Stundenkilometer, zuvor lag sie bei zirka 160 km/h, und die Mindestgeschwindigkeit ist von 65 auf etwa 50 Stundenkilometer gesunken. Mit 75 Prozent Leistung erreichen wir rund 160 Stundenkilometer – was früher nur mit Vollgas möglich war.

Während die originale C42A nach meiner Erfahrung ziemlich behäbig in der Luft liegt und auf Steuerimpulse etwas träge reagiert, fliegt das umgerüstete Exemplar wesentlich präziser – es fühlt sich für mich deutlich knackiger an. Später erzäht mir Claus, dass viele Piloten, die die modifizierte C42A geflogen haben, meinten, dass ein 100-PS-Rotax unter der Cowling stecke.

Kosten der Umrüstung auf Oratex-Bespannung

Was kostet die Umrüstung? Die genaue Summe sei schwer zu bestimmen, sagen Heiner und Claus, da die erstmalige Anwendung einiger Modifikationen wesentlich länger dauerte, als bei weiteren Umrüstungen zu erwarten ist. Zu veranschlagen sind 15000 bis 25 000 Euro, mit Propeller wohl eher 25 000. Die Summe hängt auch vom Ausgangszustand des Fliegers und von Sonderwünschen ab. Für Flügel und Leitwerk fallen etwa 5000 Euro an, hinzu kommen noch mal 5000 Euro fürs Bespannungsmaterial. Der Umbau darf nur von Lanitz Aviation oder Comco Ikarus durchgeführt werden oder von Personen, die Lanitz und Comco dazu autorisiert haben. Bespannen kann man selbst; Lanitz verlangt dafür 5000 bis 6000 Euro. Wer seinen Flieger zusätzlich auf 540 Kilo MTOM auflasten lässt, legt noch mal 2500 bis 5000 Euro hin (alle Preise ohne Mehrwertsteuer).

Vor meinem Besuch in Heinsberg-Selfkant war ich skeptisch, ob das Resultat der Umrüstung wirklich spürbar sein würde und sich der Aufwand lohnt. Der Flug mit Heiners C42A hat meine Zweifel beseitigt. Allerdings muss man schon richtig Geld in die Hand nehmen. Das Resultat ist aber ein zeitgemäßes UL zum ungefähr halben Preis eines Neuflugzeugs mit ähnlicher Flugleistung. So lassen sich 20 oder 30 Jahre alte Exemplare des Comco-Allrounders auf den heutigen Stand bringen und noch einige Jahrzehnte betreiben.

Text: Marino Boric, Fotos: Marino Boric, Claus Kalveram

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