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Notlandung nach Motorausfall: Worauf es ankommt

Stellt das Triebwerk seinen Dienst unerwartet ein, ist der Pilot zur Landung gezwungen – und muss schnell und richtig handeln. Unsere Tipps!

Von Redaktion
Hoch spannend Stromleitungen können zu gefährlichen Hindernissen im Anflug werden. Die Kabel sind schwer zu erkennen, deshalb gilt es, nach Masten Ausschau zu halten. Zeichnung: Helmut Mauch Illustration: Eric Kutschke

Wenn dir eine Notlandung bevorsteht, flieg das Ding soweit in den Crash, wie du kannst.« Es gibt wohl kaum einen treffenderen und einfacheren Satz darüber, worauf es bei einer erzwungenen Außenlandung ankommt, als den von Pilotenlegende Bob Hoover. 

Die im Flugtraining geübten Verfahren hierzu sind dagegen sehr akademisch: Für die »Ziellandeübung« wird in 2000 Fuß über einer Landebahn der Notfall ausgerufen, ein Rechteck mit jeweils 500 Fuß Höhenverlust pro Leg geflogen und die Länge des Gegenanflugs dem geschätzten Wind angepasst, in der Regel also verkürzt. Im echten Notfall nutzt die Übung allenfalls dazu, ein Gefühl für das Gleiten der Maschine erhalten zu haben. Doch im seltensten Fall wird eine reale Außenlandung nach diesem Muster ablaufen.

Notlandung nach Motorausfall: Situation häufiger vor dem Start mental durchspielen

Umso wichtiger ist es, sich mit der Situation regelmäßig auseinanderzusetzen, sie immer wieder vor dem Start mental durchzuspielen und im Briefing Entscheidungsgrenzen zu definieren. Etwa, bis zu welcher Höhe man ein Landefeld in Flugrichtung wählt und ab wann man erwägt, zum Platz zurückzukehren. Faktoren hierfür sind unter anderem Flugzeugtyp, Geländebeschaffenheit, Wind und Trainingsstand des Piloten.  Bei Flugzeugen mit Gesamtrettungssystem bleibt zudem noch die Frage, ab welcher Höhe man dieses auslöst.

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Unsere gängigen Einmots erreichen einen Gleitwinkel von allerhöchstens 1 : 10. Aus 3000 Fuß schaffen sie es also rund fünf Nautische Meilen weit – bei Windstille und Geschwindigkeit für bestes Gleiten! Mit einem ordentlichen Sicherheitspolster ist 1 : 6 eine vernünftige Annahme – und trotz Stress im Cockpit einfach auszurechnen: eine Meile Distanz pro tausend Fuß Höhe. Die beste Gleitgeschwindigkeit ist wichtig, wenn es darum geht, ein weiter entferntes Landefeld noch zu erreichen. Viele Navigations-Apps zeigen auf dem Tablet-Computer mit einem Kreis um die eigene Position die Range im Gleitflug – sogar unter Berücksichtigung von Windvorhersage und Geländestruktur. 

Wichtig ist es, das Flugzeug richtig zu positionieren

Keinesfalls aber sollte man auf der Suche nach einer immer noch besser erscheinenden Option viel Zeit verlieren. Ist ein Notlandefeld in erreichbarer Nähe, verschwenden Sie Ihre Ressourcen nicht darin, die Geschwindigkeit des besten Gleitens auf den Knoten genau einhalten zu wollen, sondern kümmern sie sich darum, was wichtig ist: das Flugzeug zu positionieren. Geben Sie deshalb auch rechtzeitig die Versuche auf, den Motor wieder zu starten – und betrachten Sie einfach das Flugzeug bereits jetzt als Fall für die Versicherung. Jegliche Überlegungen, die Maschine möglichst schadenfrei zu landen, verbieten sich. 

Gänzlich ungeeignet  Die Sportler hören die antriebslose Maschine nicht, die Anzeigetafel ist ein gefährliches Hindernis im Anflug und ein Fußballplatz ohnehin nur gut 100 Meter lang.

Vorausgesetzt, man hat überhaupt noch die Wahl, so ist der Grundsatz: Lieber einen Überschlag in einem unebenen Gelände riskieren, das keine Hindernisse im Anflug hat, als im Approach an einer Stromleitung oder einem Baum hängenzubleiben. Denn je geringer die Geschwindigkeit beim plötzlichen Stopp, desto höher die Überlebenschance.

Weit entfernte Ziele können eher schlecht eingeschätzt werden

Selbst wenn es nicht ideal ist, so hat ein Landefeld direkt unter dem Flugzeug den Vorteil, das Gelände noch halbwegs gut auf schwer erkennbare Telefonleitungen, Zäune, Gräben oder Kühe überprüfen zu können. Beim Einschätzen eines etwas entfernteren, aber ansonsten ideal erscheinenden Landeackers kann man sich dagegen leicht vertun. 

Ist man im Endanflug zu hoch, gibt es gleich mehrere Optionen. Man kann durch »Fishtailing«, also Schlangenlinien, den Weg verlängern und die Sinkrate erhöhen. Besser funktioniert Slippen, also ein Seitengleitflug. Das sollte man als Vorbereitung in größerer Höhe regelmäßig üben – und dann auch immer wieder bei normalen Landungen. Der Blick aus dem Cockpit ist in dieser Fluglage ungewohnt, die Anzeige des Fahrtmessers wegen der schrägen Anströmung des Staurohrs ungenau.

Das reflexartige Ziehen ist auf jeden Fall kein Vorteil

Gefährlicher kann es werden, wenn man zu tief kommt und befürchten muss, das Ziel nicht zu erreichen. Dann kann die Intuition dazu verführen, die Nase immer höher zu nehmen, bis irgendwann die Strömung abreißt und die Maschine stallt. Nützlich ist das reflexartige Ziehen ohnehin nicht: Geschwindigkeiten unterhalb des besten Gleitens verringern die Gleitdistanz und damit die Chance, dass man es zum Notlandefeld schafft. 

Schlangenlinien fliegen (rot) oder der Seitengleitflug mit gekreuzten Rudern (blau) sind probate Mittel, um im antriebslosen Gleitflug überschüssige Höhe abzubauen.

Einziger Ausweg kann die rechtzeitige, behutsame Rücknahme der Klappen um eine oder zwei Stufen sein. Die sollten ohnehin erst dann ausfahren werden, wenn man sich sicher ist, das Landefeld zu erreichen. Bei Flugzeugen mit Verstellpropeller lässt sich zudem je nach Art des Motorschadens der Widerstand durch Ziehen des Propellerhebels auf die kleinste Drehzahl verringern.

Welcher Untergrund eignet sich für eine Notlandung?

Doch die grundsätzliche Erkenntnis bleibt: Wer antriebslos zu hoch ankommt, kann das Problem lösen, wer zu tief kommt, hat kaum Chancen. 

Wichtige Kriterien für die Auswahl eines geeigneten Untergrunds sind Hindernisfreiheit und fester, ebener Boden. Am besten eignen sich gemähte Kornfelder. Wo kürzlich ein tonnenschwerer Traktor gefahren ist, kann auch ein Flugzeug am ehesten rollen. Auch sind Hindernise unwahrscheinlich. Ein Spaß ist das dennoch nicht. Suchen Sie sich beim Sonntagsspaziergang oder auf der Radtour geeignete Notlandeflächen. Und dann stellen Sie sich vor, Sie würden mit Ihrem Auto mit 100 Kilometern pro Stunde über das Feld rasen – das sind gängige Aufsetzgeschwindigkeiten. Ohne Stoßdämpfer und mit viel kleineren Reifen. Dieses Bild erledigt dann auch schnell die Diskussion, ob eine Landung am Schirm des Rettungssystems vorzuziehen wäre.

Grüne Wiesen sind für eine Notlandung schwer einzuschätzen

Schwer einzuschätzen sind grüne Wiesen: Aus 2000 Fuß lassen sich Zäune oder Gräben schwer erkennen. Bei gepflügten Feldern landet man am besten parallel zu den Furchen. Auf so weichem Boden kann man eine minimale Landerollstrecke erwarten. Und womöglich einen abrupten Stillstand mit der Gefahr eines Überschlags. Umso wichtiger ist es nicht nur, mit Minimalfahrt aufzusetzen, sondern auch, den Schultergurt so straff wie möglich anzulegen. Die Unfalluntersuchungsberichte sind voll von eigentlich überlebbaren Außenlandungen, die tödlich enden, weil die Insassen nur mit einem Beckengurt angeschnallt waren.

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Erwischen Sie ein ungemähtes Korn- oder Maisfeld, betrachten Sie die Spitzen der Pflanzen als Landefläche – sofern Sie voll mit Adrenalin zu solcher Präzision in der Lage sind. Auch über Wäldern gelten deren Wipfel als anzunehmende Landefläche. 

Wer auf eine Autobahn aufsetzt, sollte in Fahrtrichtung landen

Nicht nur Captain Chesley Sullenberger ist mit seinem Airbus erfolgreich auf Wasser gelandet, ebenso viele antriebslose Einmots. Ein Pilot hat vor Jahren in Hamburg die Alster gewählt – dort, wo sie noch ein zwanzig Meter breiter Fluss ist. Er konnte zu Fuß zum Ufer waten und hat sich und viele Stadtbewohner vor Schlimmerem bewahrt.

Gefährlicher Reflex  Die Kollision mit einem Hindernis durch Ziehen vermeiden zu wollen, kann zum tödlichen Strömungsabriss führen.

Wasser kann nicht nur über Großstädten, sondern auch bei Nacht eine Option sein, wenn man genau weiß, wo es sich befindet. Eine beleuchtete Uferlinie gibt Orientierung und erhöht die Chance, sich dorthin zu retten. Bei Landungen auf Autobahnen besteht das Risiko, durch seine eigene Notlage Unbeteiligte zu gefährden. Wenn überhaupt, dann landet man in Fahrtrichtung: So »schwimmt« man beim Aufsetzen geschwindigkeitsmäßig im Verkehr mit. 

Keine Simulatoren für Privatpiloten, um Notfälle zu üben

Leider stehen Privatpiloten für Notfallübungen keine nutzbaren Simulatoren zur Verfügung. IFR-Verfahrenstrainer eignen sich kaum für die Simulation einer Landung auf offenem Feld. Üben Sie deshalb die Situation regelmäßig mit einem Fluglehrer, mindestens beim zweijährigen Übungsflug steht sie ohnehin auf dem Programm.

Flugschulen haben zu diesem Zweck die Genehmigung, unter die Sicherheitsmindesthöhe zu sinken. Und kommen Sie bloß nicht auf die Idee, bei der Übung den Motor wirklich abzustellen. In vielen Fällen würde sich der Propeller bei einem realen Motorausfall ohnehin im Wind mitdrehen – und falls nicht, ist die Gleitleistung sogar besser als im trainierten Szenario.

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